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Dr. med. Internet Trau, schau, wem

Allgemein

Dr. med. Internet Trau, schau, wem
Das Internet glänzt zunehmend mit ärztlichem Rat -aber nicht alles ist Gold. Den Doktor samt Sprechstunde via Internet zu sich nach Hause zu holen, scheint zukunftsträchtig: kein Betteln um Termine, kein stundenlanges Sitzen in Wartezimmern. Doch Vorsicht!

Felix liegt mit Masern im Bett. Da sucht seine Mutter natürlich medizinischen Beistand. Zwar nicht vom Arzt – denn der macht keine Hausbesuche mehr. Aber sie weiß sich zu helfen.

Jeden Morgen loggt die Mutter sich auf dem heimischen Laptop in die virtuelle Praxis von Dr. med. Internet ein. Sie hält ihrem Sohn ein ans Gerät angeschlossenes Stethoskop auf die Brust und legt ein Fieberthermometer an. Die Meßdaten gehen online direkt zum Arzt und erscheinen dort auf dem Monitor. Danach darf der Vierjährige dem freundlich lächelnden Mann auf dem Bildschirm die Zunge rausstrecken – die Videokamera erfaßt die Lage. „In Ordnung, Felix, heute kannst du aufstehen“, meint der Mann im Computer, „morgen sehen wir uns wieder.“

Technisch geht das alles. Im Zeitalter von Datenautobahn und Videokonferenzen erscheint eine solche Szene kaum noch als Science-fiction. Derzeit beschränkt sich der Kontakt zwischen Arzt und Patient im Cyberspace auf Gesprächsforen und den Austausch von E-Mail-Notizen – noch. Aber was sich hier anbahnt, ist des Hinsehens wert.

Denn heute schon gilt: Wer einen Arzt kennt, der sich mit eigener Homepage im Internet vorstellt, kann vor dem Rechner sitzend in dessen virtuelle Praxis eilen. Je nach Angebot mag er dann per E-Mail nach Terminen oder Rezepten fragen, per Mausklick Infoboxen über Krankheiten und Sprechzeiten öffnen oder sich den Weg zur Praxis weisen lassen. Mehr als 60 000 virtuelle Besucher aus ganz Deutschland empfing der Trierer Zahnarzt Dr. Michael Vorbeck bis Februar 1999 auf seiner Homepage (http://www.vorbeck.de).

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Der erste deutsche Cyber-Mediziner ebnete seinen Standesgenossen den Weg ins Internet – durch einen Rechtsstreit mit der Landeszahnärztekammer Hessen. Mit dem neuen Medium unvertraut, sah die Kammer zunächst die bunte Homepage als Werbung und verlangte deren Entfernung. Die Klage wurde im Dezember 1997 in zweiter Instanz abgewiesen, von einigen Einschränkungen für Vorbecks Web-Seiten abgesehen. Doch schon zuvor war die Deutsche Ärztekammer aufmerksam geworden und nahm die Erlaubnis zur Internet-Präsentation für niedergelassene Ärzte Mitte 1997 in ihre Berufsordnung auf. Einschränkung auch hier: keine Werbung. Wer keinen Arzt mit Homepage kennt, braucht nicht zu verzagen. Er kann die Online-Sprechstunde unter der Internet-Adresse „Lifeline“ (http://www.lifeline.de) besuchen. In diesem Gesundheitsdienst des Anbieters AOL beantwortet ein vielköpfiges Expertenteam via E-Mail individuelle Fragen. Während die Fachärzte namentlich vorgestellt werden, bleibt der User auf Wunsch anonym. Daneben gibt’s bei Lifeline Biowetter, Medientips, Infos zu Medikamenten und aktuelle Nachrichten.

Wer sich eigenständig kundig machen will, findet im Internet eine Menge Medizinwissen. So kann der Web-Surfer unter (http://www.med1.de/home/) 3-D-Schnitte durch menschliche Leichen bestaunen und sich von Aids bis Tinnitus über Krankheiten informieren. Wer Austausch mit Leidensgenossen wünscht, findet bei http://www.hilfe.nat.de/nakos 700 Selbsthilfeorganisationen.

Mit aktuellen Tagesmeldungen, einem Abstract-Service wissenschaftlicher Arti-kel sowie Expertenforen zielt das Deutsche Medizin Forum (http://www.medizin-forum.de) bevorzugt auf Spezialisten, genau wie Multimedica, ein gemeinsames Angebot von Burda, Bertelsmann und dem wissenschaftlichen Springer-Verlag, das Fragen aus nahezu 50 Themengebieten beantwortet. Dazu bekommt man Einblick in Lexika, Datenbanken und Fachjournale.

Doch der Zugriff auf http://www.multimedica.de hat seinen Preis: Ein Jahresabonnement kostet 149 Mark. Zu den genannten Informationsdiensten kommen ungezählte Medizin-Websites von Instituten, Universitäten und Organisationen. Aber der Pfad zwischen Scharlatanerie und Kompetenz im Netz ist schmal: Nach der Behandlung fiebernder Kinder befragt, schnitten in einem Test des British Medical Journal gerade mal 4 von mehr als 40 englischsprachigen Medizin-Websites zufriedenstellend ab.

Ähnliche Erfahrungen veröffentlichten kürzlich Dr. Gunther Eysenbach und Prof. Thomas Diepgen von der Hautklinik der Universität Erlangen in den Fachblättern Lancet und Journal of the American Medical Association. Unter dem Decknamen „Peter“ mailten sie an 58 Ärzte, Kliniken und andere Institutionen, beschrieben Symptome der gefährlichen Virusinfektion Herpes zoster und baten um Rat.

Obwohl „Peter“, wie jeder kundige Mediziner hätte erkennen müssen, gefährlich erkrankt war, antwortete nur die Hälfte der Angeschriebenen. Noch erschreckender war das Ergebnis eines zweiten Tests der Erlangener Ärzte, bei dem „Peter“ sich gegen Kreditkartenbelastung an kommerzielle Berater wandte. Nur wenige erkannten die Gefahr. Einige wollten den – laut Beschreibung – Schwerkranken gar mit Regenwasser und Kräutern heilen.

„Die Patienten können nie sicher sein, daß hinter einer medizinischen Online-Adresse wirklich ein Arzt steckt“, warnt Gunther Eysenbach. So wird auch künftig die virtuelle Reise zu Dr. med. Internet den realen Gang zum Haus- oder Facharzt allenfalls ergänzen können – aber nicht ersetzen. Auch wenn das Medium Internet noch so verführerisch lockt.

Beatrix Stoepel

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