Ein viel beachtetes Argument gegen überlichtschnelle Neutrinos haben der Physik-Nobelpreisträger Sheldon Lee Glashow und Andrew Cohen von der Boston University letzten Oktober in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht. Ihren Berechnungen zufolge müssten Überlicht-Neutrinos durch Prozesse der Schwachen Wechselwirkung in ein Elektron-Positron-Paar und ein Neutrino geringerer Energie zerfallen. Nur energiearme Neutrinos können gemäß dem Standardmodell der Elementarteilchen nicht zerfallen.
Neutrinos sollten Glashow und Cohen zufolge also nicht die hohen Energien besitzen, die OPERA und ICARUS gemessen haben, wenn sie sich schneller als Licht bewegen. „Das ist eine große Herausforderung für die Interpretation der überlichtschnellen Fortbewegung“, schrieben die Forscher. Für sie und viele ihrer Kollegen ist dies ein weiteres Argument dafür, dass irgendwo ein unentdeckter Fehler stecken muss.
Allerdings ist, wie Andrew Cohen selbst betont hat, der Zerfall nicht zwingend. So könnte er zwar im Vakuum stattfinden, nicht jedoch innerhalb von Materie, spekuliert Thomas Rizzo vom Stanford Linear Accelerator Center National Laboratory in Kalifornien. Und die CERN-Neutrinos rasten hauptsächlich durch dichten Fels. Dann sollten sich die Neutrino-Zerfälle aber anderweitig bemerkbar machen – zum Beispiel, wenn energiereiche top-Quarks zerfallen. „Das könnte man im Large Hadron Collider beobachten“, prognostiziert Rizzo.