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Ein Stern kommt selten allein

Allgemein

Ein Stern kommt selten allein
Planeten sind der Abfall bei der Sonnengeburt. Die Astronomen verstehen immer besser, wie aus einer strukturlosen Gas- und Staubwolke eine Sonne wird. Daß sich bei diesem Prozeß auch eine Scheibe bildet, aus der Planeten entstehen, scheint fast zwangsläufig zu sein.

Der Dominikanermönch Giordano Bruno hatte die Vision eines un-endlichen Alls, angefüllt mit belebten Welten. Das brachte ihn jedoch mit der christlichen Heilslehre in Konflikt, die sich auf unseren Planeten konzentriert. Wegen dieser und anderer häretischer Ansichten endete Bruno im Jahre 1600 auf dem Scheiterhaufen. Doch die Idee lebte weiter: Die Astronomen halten bis heute Planetensysteme um andere Sterne für möglich, denn es gibt gewichtige Indizien dafür.

Ein Argument mag auch in Brunos Denken eine Rolle gespielt haben: Wo immer wir Menschen bislang glaubten, wir wären etwas Besonderes, haben wir uns geirrt. Kopernikus hatte gezeigt, daß nicht die Erde, sondern die Sonne die Mitte der Welt ist. Später lernten wir, daß die Sonne ein Stern unter vielen ist – es blieb nur die Hoffnung, daß wir mit ihr wenigstens in der Mitte des gigantischen Sternensystems „Milchstraße“ stehen. Doch zu Beginn dieses Jahrhunderts, 1918, bewies der amerikanische Astronom Harlow Shapley, daß wir keineswegs in der Mitte stehen.

Das System der Milchstraße sollte nun wenigstens das einzige im sonst leeren Raum sein. Der amerikanische Astronom Edwin Hubble zeigte 1923 jedoch, daß es viele solche Systeme gibt. Heute wissen wir, daß es mehr sind, als die Astronomen bisher zählen konnten. Nirgendwo – vom Planetenreigen im eigenen Sonnensystem bis in die Tiefen des Alls – sind wir etwas Besonderes.

Es gibt noch ein anderes Argument dafür, daß die Sonne nicht der einzige planetengeschmückte Stern ist: Während nahezu die gesamte Masse des Sonnensystems – 99,9 Prozent – in der Sonne vereinigt ist, steckt fast der gesamte Drehimpuls – 98 Prozent – in den Planeten. Es scheint, als ob bei der Entstehung des Planetensystems die Sonne nahezu alle Masse, die Planeten nahezu allen Drehimpuls an sich gerafft hätten.

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Es fällt auch auf, daß die Kreis- und Ellipsenbahnen der größeren Planeten nicht willkürlich im Raum orientiert sind: Ihre Bahnebenen liegen alle nahe der Ekliptik, der Ebene, in der sich die Erde um die Sonne bewegt. Außerdem durchlaufen alle größeren Körper im System ihre Bahnen im gleichen Sinn – es gibt keinen „Geisterfahrer“. Das hat schon frühzeitig den Gedanken nahegelegt, daß bei der Entstehung der Sonne eine rotierende Scheibe um sie entstand, in der schließlich die Planeten auskondensierten.

Woher aber kommt die Drehbewegung? Gas- und Staubwolken, aus denen sich Sterne bilden, ruhen nicht im Raum, sondern bewegen sich unregelmäßig und nehmen darüber hinaus noch an der Drehbewegung unseres Milchstraßensystems teil. Jede Wolke hat also einen gewissen Drehimpuls. Wenn nun ihre Schwerkraft sie zusammendrückt, dreht sie sich immer rascher, denn nach einem grundlegenden Prinzip der Physik bleibt der Drehimpuls in einem „abgeschlossenen System“ konstant.

Auch die Wolke im All rotiert beim Schrumpfen immer schneller, und die Fliehkraft macht sich bemerkbar: Aus der Wolke wird eine flache, sich drehende Scheibe, in der die Planeten ausflocken. Da alle Wolken, aus denen sich Sterne bilden, Drehimpuls enthalten, gilt das für alle frischgebackenen Sterne. Ein Teil des Impulses fliegt mit abgestoßener Materie in den Raum, ein Teil wird in einer Scheibe gespeichert, aus der sich die Planeten bilden. Das gilt natürlich auch für unser Sonnensystem. Es ist der Drehimpuls, dem wir die Existenz der Planeten verdanken – und damit unser Leben.

Danach scheint es unwahrscheinlich, daß unser Planetensystem eine Ausnahme ist. Sind vielleicht sogar um sämtliche Sterne flache Staubscheiben entstanden, in denen sich im Laufe der Zeit Planeten bildeten? Schon vor etwa 40 Jahren vermutete der englische Astrophysiker Fred Hoyle, daß auf Grund der Drehbewegung der Materie, aus der sich die Sterne bilden, von den 100 Milliarden Sternen unseres Milchstraßensystems nahezu die Hälfte ein Planetensystem besitzen müßte.

Die Astronomen sind heute nicht mehr auf Spekulationen angewiesen, sie besitzen handfeste Indizien. Sie haben zum Beispiel Gas-Staub-Scheiben entdeckt, in denen sich möglicherweise gerade Planeten bilden. Die Scheiben machen sich bemerkbar durch ihre extrem langwellige Strahlung, die sogenannte Infrarotstrahlung. Im Infraroten hebt sich der Staub der Scheibe deutlich von der Strahlung des Sterns ab. Das bekannteste Objekt steht am Südhimmel in 50 Lichtjahren Entfernung im Sternbild des Malers (Pictor): Beta Pictoris. Leider lassen sich Planeten, die ihre Bahn um einen Stern ziehen, nicht direkt erkennen, da sie nicht selbst leuchten, sondern nur von ihrer Sonne beleuchtet werden. Aus den Fernen des Weltraums betrachtet, würde das Lichtpünktchen Erde ganz nah bei dem zehnmilliardenmal helleren Stern Sonne stehen. Es wäre im Licht seiner Sonne nicht zu erkennen.

Doch die Astronomen versuchen gar nicht erst, Planeten um fremde Sonnen durch ihr Licht zu entdecken. Sie beobachten vielmehr den Zentralstern: Steht er still – oder verrät ein schwaches Schwanken, daß Planeten an ihm zerren?

Nehmen wir der Einfachheit halber einmal an, eine Sonne habe nur einen einzigen Planeten. Der kreist aber nicht um ihr Zentrum, sondern Sonne und Planet bewegen sich um den gemeinsamen Schwerpunkt. Im System Sonne-Jupiter liegt dieser nahe bei der Sonne, weil sie wesentlich mehr Masse hat. Während Jupiter in zwölf Jahren einmal um diesen Schwerpunkt kreist, bewegt sich auch die Sonne um ihn herum. Aus einer Entfernung von zehn Lichtjahren ist der Jupiter zwar selbst nicht mehr zu sehen, doch man könnte erkennen, daß die Sonne nicht ruhig am Himmel steht, sondern im zwölfjährigen Rhythmus taumelt.

Jeder Stern kommt synchron mit der Bewegung seiner Planeten auf uns zu und entfernt sich wieder. Die Geschwindigkeit in Blickrichtung, die sogenannte Radialgeschwindigkeit, können die Astronomen recht genau messen. Dazu benutzen sie den sogenannten Doppler-Effekt: Licht einer bestimmten Wellenlänge erscheint dem Beobachter kurzwelliger, wenn sich die Lichtquelle auf ihn zubewegt, und langwelliger, wenn sie sich von ihm entfernt.

Bei der Taumelbewegung einer von Planeten umringten Sonne geht es um Meter pro Sekunde, vergleichbar mit dem Tempo eines Radfahrers. Infolge der Störung ihrer Planeten, hauptsächlich durch Jupiter, schwankt für einen entfernten Beobachter die Radialgeschwindigkeit der Sonne in einem etwa zwölfjährigen Rhythmus um 20 Meter pro Sekunde. Hier besteht eine Möglichkeit, direkt etwas über Planeten bei anderen Sternen zu erfahren.

Das Glück der ersten Entdeckung war zwei jungen Astronomen vom Observatorium in Genf beschieden. Michel Mayor und Didier Queloz untersuchten mit einem 1,9-Meter-Teleskop seit April 1994 die Radialgeschwindigkeiten von 142 der Sonne ähnlichen Sternen. Ihre Meßapparatur konnte noch Geschwindigkeitsunterschiede von 12 Metern pro Sekunde erkennen. Auf der Liste ihrer Kandidaten stand auch ein unscheinbares Sternchen im Sternbild des Pegasus, 40 Lichtjahre entfernt, mit freiem Auge gerade noch zu erkennen.

In Sternkarten und astronomischen Katalogen trägt es den Namen 51 Peg – ein Stern, ähnlich unserer Sonne, ebenso wie sie mehrere Milliarden Jahre alt. An diesem Stern fällt eigentlich nichts Besonderes auf, es sei denn, man verfolgt ihn – wie die beiden jungen Schweizer Astronomen – über mehrere Tage und mißt seine Radialgeschwindigkeit. Dann merkt man, daß diese im Rhythmus von etwa vier Tagen, genauer: von 101,5 Stunden, schwankt. Einmal kommt der Stern mit rund 50 Meter pro Sekunde auf uns zu, dann wieder bewegt er sich etwa ebenso schnell von uns weg.

Als diese Nachricht um die Welt ging, nahmen sofort mehrere Gruppen den Stern aufs Korn. Sie konnten die aufregende Nachricht bestätigen: 51 Peg wird von einem Planeten umkreist, etwa so groß wie Jupiter, doch näher an seiner Sonne als Merkur, unser innerster Planet, an der unsrigen.

Bis heute haben neun Sterne durch ihre schwankende Radialgeschwindigkeit die Existenz von Planeten verraten. Täglich können neue hinzukommen. Doch so kann man nur massereiche Planeten finden, die ihre Sonne hinreichend stark taumeln lassen.

Wo große Planeten sind, gibt es vielleicht auch kleinere, etwa so groß wie die Erde. Wahrscheinlich gibt es draußen auch viele Planeten, die – wie die Erde – nicht zu nah an ihrer Sonne und nicht zu weit entfernt von ihr kreisen, mit einer Atmosphäre, deren Treibhauseffekt die Temperaturen gerade so regelt, daß dort flüssiges Wasser existiert. Wir wissen, daß überall im Weltall die chemischen Elemente etwa gleich häufig sind wie in unserem Sonnensystem. Die Bedingungen, unter denen auf der Erde das Leben entstand, könnten also auf vielen Planeten die gleichen sein. Doch ob sich dort auch wirklich Leben gebildet hat, wissen wir nicht. Wir haben ja nicht einmal eine Ahnung, wie die ersten lebenden Zellen auf der Erde entstanden sind.

Die Astronomen horchen auf jeden Fall in den Raum hinaus, ob nicht Funksignale fremder Zivilisationen von deren Existenz künden. Bisher war nichts zu vernehmen. Daß wir die Außerirdischen nicht hören und daß sie uns nicht besuchen – trotz aller Ufo-Meldungen, die sich bei näherem Hinsehen bislang stets als Humbug herausgestellt haben, muß nicht bedeuten, daß es sie nicht gibt. Sie sind vielleicht nur so weit im Raum verstreut, daß weder ihre Raumschiffe noch ihre Funksprüche die Entfernung zu uns überbrücken können.

Drehimpuls

Die in der Drehung eines Körpers um einen Schwerpunkt gespeicherte Energie wird als Drehimpuls bezeichnet. Dieser ist um so größer, je schwerer der Körper ist, je weiter er vom Schwerpunkt entfernt ist und je schneller er sich bewegt. Der Drehimpuls – zum Beispiel eines Planeten auf einer Kreisbahn um die Sonne – wird berechnet, indem man seine Masse mit dem Bahnradius und der Bahngeschwindigkeit multipliziert.

Den Drehimpuls der um ihre Achse rotierenden Sonne erhält man, wenn man den Drehimpuls aller ihrer Teilmassen summiert. Ohne äußere Einwirkung bleibt der Drehimpuls unverändert. Schrumpft ein rotierender Körper, werden die Kreisbahnen seiner Masseteilchen kleiner. Die Konstanz des Drehimpulses fordert, daß die Bahngeschwindigkeiten größer werden. Der Körper dreht sich immer schneller um seine Achse – das gilt für eine Eiskunstläuferin bei der Pirouette ebenso wie für Gaswolken im All, die sich zusammenziehen und dabei Planeten gebären.

Rudolf Kippenhahn

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