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Ein Tag im Jahr 2010

Allgemein

Ein Tag im Jahr 2010
Nachdem das Zukunftsjahr 2000 Gegenwart ist, sucht die Welt neue Zeithorizonte. Prof. Dennis Tsichritzis, Vorstandschef im GMD-Forschungszentrum Informationstechnik, wagt einen Blick auf das, was in zehn Jahren möglich ist – und was durch das gerade begonnene Bio-Computing auf uns zukommt.

Heute ist Sonntag, der 21. März 2010. Ich bin gerade in Barcelona gelandet. Kofferschleppen muß ich nicht mehr. Das erledigen autonome intelligente Serviceroboter. Sie fahren selbständig durch den Flughafen und kümmern sich um das Gepäck. Elegant bahnen sie sich den Weg durch die Menschenmenge. Möglich wurde diese Entwicklung durch neue Algorithmen und sogenannte Bio-Computer, deren Erforschung Ende des vergangenen Jahrtausends begann.

Der Himmel über der Hauptstadt Kataloniens ist bewölkt – und ich habe Appetit auf frischen Fisch. Ich ziehe meinen elektronischen Assistenten aus der Tasche. Auf seinem hochauflösenden Display zeigt er mir die aktuelle Wettervorhersage für die Stadt. Es wird nicht regnen. Außerdem empfiehlt er mir einige Fisch-Restaurants in der Nähe, denn natürlich kennt er meinen Aufenthaltsort und Geschmack. Auf dem Stadtplan zeigt er meine aktuelle Position und listet alle Verkehrsverbindungen auf, die in nächster Zeit für mich in Frage kommen. Die Informationen in spanischer Sprache übersetzt er automatisch ins Deutsche. Menschen, zu denen ich Kontakt aufnehmen möchte, erreiche ich, indem ich ihren Namen meinem digitalen Assistenten zuflüstere. Das lästige Notieren von Telefon-, Fax-, Mobilfunk-, Videokonferenz-Nummern und E-Mail-Adressen ist Vergangenheit. Grenzen zwischen den Medien gibt es nicht mehr, Datenformate interessieren nicht mehr. E-Mails kann ich mir vorlesen lassen.

Daß meine Gesprächspartner mich und ich sie sehen kann, ist Alltag. Ebenso, daß ich auch unterwegs jederzeit eine Verbindung zum Internet aufbauen kann. Vor Spionen und Lauschern schützt mich die Kryptographie. Das gewünschte Sicherheitsniveau kann ich von Fall zu Fall selbst bestimmen. Obwohl das schlanke Gerät in meiner Tasche sehr viel von mir weiß, kann ich mich auf seine Diskretion verlassen. Diebe können sich keinen Systemzugang verschaffen, denn der ist durch eine personalisierte Chipkarte mit meinen Körpermerkmalen gesichert.

In den Räumen meiner spanischen Geschäftspartner finde ich die gleichen Arbeitsbedingungen wie an meinem Arbeitsplatz zu Hause. Raumelemente wie Wände, Türen, Tische und Stühle sind per Informations- und Kommunikationstechnik miteinander vernetzt und interaktiv. Betrete ich ein fremdes Büro, konfiguriert sich die „ Roomware“ nach meinen Vorlieben. Auch Raumtemperatur und Lichtintensität stellen sich nach meinen Wünschen ein. Ebenso kann ich von unterwegs die Heizung in meinem Haus per Internet regeln und meine Balkonpflanzen bewässern. Das ist bequem, doch oft sind Reisen nicht mehr nötig: Telepräsenz und Treffen in virtuellen Realitäten sind alltäglich. Davon profitieren auch meine Studenten weltweit, die ihren Professor als Teleteacher konsultieren können. In der globalen Wissensgesellschaft bin ich Teil eines Netzes, in dem ich zu jeder Zeit und an jedem Ort auf Informationen zugreifen kann. Zugleich kann ich mein Wissen anderen Menschen zugänglich machen.

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Wir erleben heute die Informationstechnik als treibende Kraft des Wandels von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, die durch sie erst möglich wird. Gefragt sind Lösungen für aktuelle Probleme oder Innovationen, die neue Märkte schaffen. Der Schwerpunkt unseres GMD-Forschungszentrums liegt deshalb auf kurz- und mittelfristigen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, kurz GMD, forscht aber auch auf Gebieten, für die der Markt noch nicht reif ist. Eines dieser Felder ist das Bio-Computing. Biologie und Informatik erscheinen auf den ersten Blick wie getrennte Welten. Erst in neuerer Zeit geraten die Gemeinsamkeiten immer stärker in den Blick der Forscher. Ein Beispiel dafür, wie die Informatik von der Biologie lernen kann, sind unsere GMD-Roboter. Sie kriechen wie Schlangen oder laufen wie Skorpione über den Boden. Diese Roboter betrachten wir als eine Herausforderung – weniger an die Entwicklung neuer Hardware, sondern vor allem von neuartiger Software: Ziel ist es, Systeme zu entwickeln, die sich selbständig in unbekannter Umgebung bewegen können – etwa in der Tiefsee oder auch auf fremden Planeten.

Am deutlichsten verschmelzen Biologie und Informatik im neuen Forschungsgebiet des DNA-Computing. 1994 gelang dem US-Wissenschaftler Leonard Adleman der Beweis, daß man mit Molekülen rechnen kann. Damit sind Biocomputer im Reagenzglas denkbar, die um Zehnerpotenzen schneller arbeiten als die heutigen Silizium-Rechner. Das DNA-Computing betrifft auch algorithmische Prinzipien und Software-Entwürfe, und es reicht bis in die Grundlagen der Informatik. Ich bin sicher, daß es sich lohnt, das DNA-Computing zu erforschen: Es wird unser Leben mindestens so stark beeinflussen wie die Neuerungen in der Silizium-Ära.

Dennis Tsichritzis

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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