Der Wettbewerb
Zum 22. Mal zeichnet bild der wissenschaft Bücher in sechs Kategorien aus, die über Themen aus Wissenschaft und Forschung kompetent, verständlich und unterhaltsam berichten.
Die Wahl
Jedes Jahr im Dezember veröffentlicht bild der wissenschaft die aktuellen Wissensbücher, die einer Jury aus 11 Journalisten und den bdw-Lesern am besten gefallen. Die Wahlliste – zusammengestellt von der bdw-Jury – bestand diesmal aus 53 Titeln. Überraschend war das klare Ergebnis: Alle Spitzentitel gewannen mit deutlichem Punktabstand zum zweiten Platz. Erfreulich ist, dass drei der Gewinner auch Favoriten der Leser sind. Besonders erfolgreich waren drei Verlage, die gleich zwei ihrer Titel aufs Siegertreppchen brachten: Hanser, Kiepenheuer & Witsch und Knesebeck. Glückwünsche auch an den Autor Marc Elsberg! Er wurde bereits zum zweiten Mal ausgezeichnet – das erste Mal 2012 für sein Buch „Blackout“.
Die Jury
Urs Willmann, Die Zeit
Dr. Dr. Jens Simon, Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Reto Schneider, Neue Zürcher Zeitung
Barbara Ritzert, Wissenschaftsjournalistin
Jürgen Nakott, National Geographic Deutschland
Joachim Müller-Jung, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Peter Ehmer, Westdeutscher Rundfunk
Dr. Joachim Bublath, Wissenschaftspublizist
Dr. Reinhard Breuer, Wissenschaftsjournalist
Dr. Markus Bohn, Südwestrundfunk
Dr. Uta Altmann, bild der wissenschaft
und als 12. Stimme: die bdw-Leser
Die 6 Sieger
ÜBERBLICK – das informativste Buch
„Karten!“ von Simon Garfield. Verlag: Theiss
bdw-Leserfavorit: „Die Neuentdeckung des Himmels“ von Florian Freistetter. Verlag: Hanser
UNTERHALTUNG – das spannendste Buch
„Zero – Sie wissen, was du tust“ von Marc Elsberg Verlag: Blanvalet
Dieses Buch ist auch der bdw-Leserfavorit!
ÄSTHETIK – das schönste Buch
„Das Herbarium der Entdecker“ von Florence Thinard Verlag: Haupt
bdw-Leser-Favorit: „Die Evolution des Auges“ von Georg Glaeser, Hannes F. Paulus. Verlag: Springer Spektrum
ÜBERRASCHUNG – das originellste Buch
„Anatomien“ von Hugh Aldersey-Williams Verlag: Hanser
bdw-Leserfavorit: „Darm mit Charme“ von Giulia Enders Verlag: Ullstein
ZÜNDSTOFF – das brisanteste Buch
„Die Pharma-Lüge“ von Ben Goldacre Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Dieses Buch ist auch der bdw-Leserfavorit!
PERSPEKTIVE – das sachkundigste Jugendbuch
„Evolution oder das Rätsel von allem, das lebt“ von Jan Paul Schutten, Floor Rieder. Verlag: Gerstenberg
Dieses Buch ist auch der bdw-Leser-Favorit!
Die Favoriten der bdw-Leser
Überblick
Florian Freistetter DIE NEUENTDECKUNG DES HIMMELS Hanser, 256 S., € 18,90 ISBN 978–3–446–43878–1
Zündstoff
Ben Goldacre
DIE PHARMA-LÜGE Kiepenheuer & Witsch, 448 S., € 19,99 ISBN 978–3–462–04577–2
Überraschung
Giulia Enders
DARM MIT CHARME Ullstein, 288 S., € 16,99 ISBN 978–3–550–08041– 8
Unterhaltung
Marc Elsberg ZERO – SIE WISSEN, WAS DU TUST Blanvalet, 480 S., € 19,99 ISBN 978–3–7645–0492–2
Ästhetik
Georg Glaeser, Hannes F. Paulus DIE EVOLUTION DES AUGES Springer Spektrum, 214 S., € 24,99 ISBN 978–3–642–37775–4
Perspektive
Jan P. Schutten, Floor Rieder EVOLUTION ODER DAS RÄTSEL VON ALLEM, WAS LEBT Gerstenberg, 160 S., € 24,95 ISBN 978–3–8369–5797– 7
Die 10 Buchpreise als Dankeschön für die Teilnahme an der Wahl haben per Los gewonnen: Dorothee Schmid, Nürtingen; Gertrud Bork, Gießen; Daniel Meilchen, Wadgassen; Birgit Lockheimer, Konstanz; Alexander Behrend, Reutlingen; Britta Feige, Berlin; Melanie Richter, Münstertal; Gabi Wolff, Magdeburg; Janina Westerkowski, Dortmund; Alexander Rueff, München. Wir gratulieren!
Perspektive
Lorbeerkränze, die andere vergeben – und dieses Buch hat schon einige bekommen – machen skeptisch: „Wollen wir doch mal sehen, ob das wirklich so gut ist.“ Es ist! Dieses verspielt-didaktische Schmuckstück ist sogar viel mehr, als sein Titel „Evolution“ ankündigt. Es ist eine wunderbar illustrierte „Geschichte von allem, was ist“. Logisch eigentlich, denn ohne Urknall und Weltall könnte es keine Evolution geben. Deshalb geht es damit auch gleich funkensprühend los. Dem Woher, Wie und Wohin des Lebens stellt sich der Autor in einer wunderbar einfachen – und famos übersetzten – Sprache, die sich nie kindisch anbiedert. Und die auf jeder Seite von ebenso witzigen wie ästhetischen Zeichnungen im Retro-Stil begleitet wird. Die machen nicht nur Jugendlichen Spaß, sondern auch ihren Eltern und Lehrern. Denn wie kann man etwa Vererbung spannender erklären als mit der Frage: „Wird Messis Sohn später auch mal ein guter Fußballer?“ Oder Zweifel an der Evolution – „Warum ist nach Millionen Jahren niemand perfekt?“ – prickelnder diskutieren als mit der These: „ Frauen werden immer schöner, Männer nicht unbedingt.“ Ein Kapitel heißt: „Warum sind wir heute klüger?“ Na, weil es so tolle Bücher gibt wie dieses. Jürgen Nakott
2. Platz
3. Platz
Ästhetik
Mit dünnen Papierstreifen klebt 1839 die Engländerin Georgiana Molloy die Orchideen, die sie unweit des Swan River in Australien gefunden hat, in ihr Herbarium und ergänzt das hochformatige Blatt mit einer Tuschezeichnung. 175 Jahre später klappen wir „ Das Herbarium der Entdecker“ auf – und glauben einen Moment, das Original in den Händen zu halten. In voller Größe und brillant fotografiert liegen die getrockneten Pflanzen vor uns. Und daneben lesen wir den Bericht über die strapaziöse Reise, die vor allem einem Ziel diente: der Entdeckung neuer Arten. Wir stoßen auf die pflanzlichen Beutestücke Charles Darwins, die er von den Galapagosinseln mitbrachte. David Livingstone verschlug es zum Flusslauf des Sambesi in Afrika, wo er Mangrovenblätter aufsammelte – und sein Begleiter John Kirk gestaltete bunte Aquarelle dazu: Sie trugen die Informationen, die ein Album voll getrockneten Laubs allein nicht wiedergeben konnte. Frank Kingdon-Ward durchstreifte den Himalaja, Humboldt und Bonpland forschten in Südamerika. Hier sind spannende Entdeckergeschichten mitsamt ihrem historischen Hintergrund versammelt. Und die trockenen Beutestücke liegen plastisch vor uns – als Beweise dafür, dass die Botanikpioniere ihre Abenteuer auch tatsächlich erlebt haben. Urs Willmann
2. Platz
3. Platz
Unterhaltung
„Solange die Internetkonzerne dir irgendwelche lächerlichen Vorteile bieten, bist du dabei. Hauptsache, du hast es bequem! Wie lange wollt Ihr Euch das noch gefallen lassen?“ Mit Appellen und spektakulären Guerilla-Aktionen versuchen Datenschützer im Thriller des Erfolgsautors Marc Elsberg – schon sein Buch „ Blackout“ war 2012 Wissensbuch des Jahres“ – die träge Öffentlichkeit aufzurütteln. Während die meisten Menschen die Möglichkeiten der digitalen Welt begeistert nutzen, ignorieren sie die Kehrseite aus Bequemlichkeit und mangels Wissen. „Zero“ zeichnet ein akribisch recherchiertes Bild des gläsernen Alltags. Es liefert fundierte Argumente für eine bislang halbherzig ge-führte gesellschaftliche Debatte: Wie und von wem dürfen persönliche Daten genutzt werden, die von Unternehmen und Behörden erhoben oder von den Menschen selbst bei Google, Facebook & Co veröffentlicht werden? Cyberbrillen, Armbänder zur Messung von Körperdaten, lernfähige Smartphones, Apps für die Selbstoptimierung, lernende Algorithmen – das Szenario, das Marc Elsberg für seine Protagonistin, eine britische Journalistin, ausbreitet, ist vielfach bereits Gegenwart. Die Datensammler wissen nicht nur, was wir tun, sondern oft auch, was wir tun werden. „Kunden die dieses Buch gekauft haben, kauften auch…“ „ Zero“ gibt es übrigens beim Buchhändler um die Ecke. Barbara Ritzert
2. Platz
3. Platz
Überraschung
Zart besaiteten Gemütern ist dieses Buch nicht zu empfehlen. Denn die Anatomen haben ihre Erkenntnisse über den menschlichen Körper ja auf sehr handfeste Weise gewinnen müssen. Sie haben dafür im 19. Jahrhundert nicht nur Leichen von Friedhöfen stehlen lassen, manche sind auch vor Morden nicht zurückgeschreckt. In der Antike waren sogar Vivisektionen an Menschen üblich. William Harvey, der im 17. Jahrhundert die Funktion des Herzens und den Blutkreislauf an lebenden Tieren aufgeklärt hat, pflegte seinen Studenten zu sagen: Die Anatomie „bildet den Kopf, leitet die Hand und erzieht das Herz zu einer gewissen nötigen Unmenschlichkeit“. Unmenschlichkeit kann man dem Autor Hugh Aldersey-Williams sicher nicht vorwerfen. Aber eine professionelle Distanz besitzt er durchaus. So beschreibt er im Kapitel über Augen nicht nur, wie René Descartes einst die Welt buchstäblich durch ein Ochsenauge betrachtet hat, sondern auch, wie er selbst dieses Experiment wiederholte – mit Schweineaugen, Rinderaugen hatte sein Metzger nicht. Wer vor allem seine anatomischen Kenntnisse aufbessern will, der sollte lieber zu einem klassischen Anatomie-Atlas greifen. Doch wer Freude hat an skurrilen Anekdoten aus der Wissenschaftsgeschichte und am Abschweifen der Gedanken zu überraschenden Assoziationen, dem wird dieses Buch kurzweilige Stunden bescheren. Markus Bohn
2. Platz
3. Platz
Zündstoff
Gäbe es einen Beipackzettel zu diesem Buch, müsste unter der Rubrik Nebenwirkungen stehen: „Die Lektüre wird höchstwahrscheinlich Ihr Vertrauen in Medizin und Pharmazie erschüttern.“ Denn der englische Mediziner und Journalist Ben Goldacre tischt Ihnen – und davon sind Sie nach kurzer Lektüre überzeugt – keine Verschwörungstheorie auf, sondern belegt mit zahlreichen Fakten die massiven Fehler und Missstände im System Medizin/Pharmazie. Sie werden nach diesem Buch keine Pille mehr einnehmen, ohne sich zu fragen, ob wirklich alle Studienergebnisse bei der Zulassung berücksichtigt wurden. Sie werden sich fragen, ob Ihr Arzt unabhängig und selbstbestimmt entscheidet oder ob er einseitig beeinflusst wird – etwa durch Pharmareferenten oder durch gesponserte Fortbildungen. Sie werden bei jedem medizinischen Werbespot an das womöglich absurde Verhältnis von Forschungs- zu Werbemitteln in der Pharmaindustrie denken. Und bei dieser skeptisch-kritischen Haltung werden Sie bleiben. Vielleicht werden Sie Beipackzettel in Zukunft gründlicher lesen. Vielleicht werden Sie Ihrem Arzt beim nächsten Mal ein paar kritische Fragen stellen. Und vielleicht werden das nicht nur Sie tun, sondern auch viele andere – nicht nur Patienten, sondern auch kritische Ärzte und Wissenschaftler, Fachverlage und Geldgeber. Dann könnte dies die The-rapie sein, um die Medizin zu retten. Denn das System ist kränker, als Sie denken. Noch denken. Aber lesen Sie selbst. Jens Simon
2. Platz
3. Platz
Überblick
Als der Kartograf James Randell 1798 in seine neue Karte von Westafrika die Kong-Berge einzeichnete, setzte er sich damit ein ganz besonderes Denkmal. Das mehrere Tausend Kilometer lange Gebirge tauchte danach hundert Jahre lang auf jeder Karte auf. Doch die Kong-Berge haben einen Schönheitsfehler: Es gibt sie nicht. Randell hatte sie aufgrund von Reiseberichten, die zwei Berggipfel in der Region erwähnen, erfunden. Das ist nur eine von vielen Anekdoten aus Simon Garfields her- vorragender Geschichte der Kartografie, die jeden nur erdenklichen Aspekt des Themas behandelt. Garfield besuchte das Archiv der Schatzkarten der Library of Congress in Washington, zeigt den größten Atlas der Welt (1,80 mal 1,40 Meter) und erzählt von dreisten Kartendieben, wie jenen amerikanischen Benediktinermönchen, die im Jahr 1973 Bib-liotheken um ihre Kartenschätze erleichterten. Und gerade wenn man denkt, der Autor sei beim letzten Detail angelangt, kommt er auf die Karte des Herumtreibers aus „Harry Potter“ zu sprechen und postuliert, dass Computerspiele die Zukunft der Kartografie seien. Aber dieses Buch ist viel mehr als eine amüsante Anekdotensammlung, es zeigt auch die Geschichte der Stellung des Menschen in der Welt: In den Anfängen der Kartografie war Jerusalem im Zentrum jeder Karte zu finden, heute zeigt das Zentrum der Satellitenkarte den Handybesitzer. Reto Schneider
2. Platz
3. Platz