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Erdgas ist einfach anders

Allgemein

Erdgas ist einfach anders
Die Energieversorgung steckt im Umbruch. Was das für den Erdgasmarkt bedeutet, beurteilt Friedrich Späth, Vorstandsvorsitzender der Ruhrgas AG.

bild der wissenschaft: Der Erdgaspreis ist an den Rohölpreis gekoppelt. Erdgas wäre für den Endverbraucher noch attraktiver, wenn es diese Preisanlehnung nicht gäbe. Warum halten Sie an dieser Kopplung fest, Herr Späth?

SPÄTH: Es ist ein verbreiteter Irrtum, zu glauben, daß durch eine Abkopplung die Preise für Erdgas fallen würden. Gas und Öl kommen häufig aus demselben Bohrloch und werden von den gleichen Gesellschaften vermarktet. Warum sollten die Produzenten einen der beiden gleichzeitig geförderten und beim Verbrauch austauschbaren Primärenergieträger billiger anbieten? Keiner unserer Lieferanten hat etwas zu verschenken, er wird sich immer am maximal möglichen Weltmarktpreis orientieren. Die Ölpreisbindung hat sich bewährt und bewährt sich auch heute. Nur so konnten wir langfristige Lieferverträge abschließen. Solche Verträge, die auch der Versorgungssicherheit und damit dem Verbraucher dienen, wären unmöglich, wenn darin keine Klausel enthalten wäre, die regelt, wie sich der aktuelle Weltmarktpreis von Konkurrenzenergieträgern beim Preis niederschlägt. Wir werden von der Kopplung nicht abrücken.

bdw: Wie steht es um den Einsatz von Erdgas bei der deutschen Stromerzeugung? Man hat auch hier nicht den Eindruck, daß sich die Gaswirtschaft sonderlich bemüht.

SPÄTH: Wir beschaffen Erdgas aus wenigen Lieferländern. Wenn wir auch noch die Stromerzeugung weitgehend auf Gas umstellten, würde diese Abhängigkeit verstärkt. Gegen einen massiven Einsatz von Erdgas in Kraftwerken sprechen auch andere Gründe: Da die Bevölkerung Kernenergie heute mehrheitlich ablehnt, stehen nur noch Öl, Gas und Kohle langfristig als nennenswerte Primärenergieträger zur Verfügung. Wind- und Solarenergie können dazu aus heutiger Sicht allenfalls einige Prozent beitragen. Es ist dann doch vernünftig, wenn zwischen den dreien eine Arbeitsteilung vorgenommen wird.

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bdw: Wie soll die aussehen?

SPÄTH: Die größten Energiereserven hat die Kohle. Da wir aus Emissions- und Kostengründen Haushalte und andere Kleinanlagen nicht mehr mit Kohle beheizen können, muß sie anderswo zum Einsatz kommen, und zwar in Großkraftwerken. Dort lohnt es, in aufwendige Umweltschutzanlagen zu investieren, weil sich die Umweltschutzkosten auf viele Megawattstunden Strom verteilen lassen.

bdw: Das klingt selbstlos.

SPÄTH: Wir sind als Unternehmen gut beraten, wenn wir volkswirtschaftlich mitdenken und uns auf zukunftsorientierte Ziele einigen.

bdw: Die Ludwig-Bölkow-Stiftung hat soeben eine Studie veröffentlicht, wonach es um die weltweiten Energiereserven weit schlechter bestellt ist, als bisher angenommen. Davon sind auch die Erdgasvorräte betroffen, heißt es in der Untersuchung.

SPÄTH: Ich bin jetzt seit 35 Jahren in diesem Geschäft. Zumindest in einer Hinsicht hat sich nichts verändert: Wenn man die nachgewiesenen Reserven durch den aktuellen Weltjahresverbrauch dividierte, kam man damals auf Vorräte, die noch rund 60 Jahre reichen sollten. Dies ist heute – bei weltweit deutlich gestiegenen Verbrauchsmengen – nicht anders. In den kommenden Jahrzehnten braucht niemand Angst zu haben, daß die Reserven knapp werden. Hinzu kommt, daß Deutschland günstig zu den großen Lagerstätten liegt. Einmal verfügt Rußland mit Abstand über die größten Reserven der Erde. Und das Nordseegas aus Norwegen – unsere zweitwichtigste Bezugsquelle – hat den Vorteil, daß dem Land weit mehr Vorräte gehören, als es selber verbrauchen kann. Deshalb werden die Norweger auch künftig Gas exportieren. 60 Jahre sind gesichert.

bdw: Gilt das auch für den Fall, daß künftig weit mehr Erdgas verstromt wird?

SPÄTH: Wenn man den Erdgasverbrauch dadurch extrem forcierte, würden die genannten Berechnungen natürlich nicht mehr zutreffen. Allerdings sieht eine in diesem Sommer veröffentlichte Studie der International Gas Union die Reserven weit jenseits der genannten 100 Jahre.

bdw: Mehr als sechs Milliarden Menschen leben auf der Erde, und viele davon wollen mehr Wohlstand. Das wird den Erdgasverbrauch mit Sicherheit kräftig ankurbeln.

SPÄTH: Wenn die Weltbevölkerung auf einen Rohstoff- und Energieverbrauch käme, wie er in Europa oder Nordamerika gang und gäbe ist, wären in der Tat alle Berechnungen Makulatur. Aber ich glaube nicht, daß eine solche Entwicklung eintritt.

bdw: Aber Sie gauben, daß das erdgasbetriebene Auto kommt?

SPÄTH: In Deutschland fahren schon rund 7500 erdgasbetriebene Automobile. Wir müssen leider feststellen, daß ein Erdgasauto in der Anschaffung noch etwas teurer ist als ein herkömmliches Auto. Das liegt auch daran, daß man mit geringen Stückzahlen gegen Großserien antreten muß. Andererseits wollen die Automobilhersteller überzeugt werden, daß es sich lohnt, Erdgasfahrzeuge zu produzieren. Außerdem gibt es in Deutschland nicht genügend Erdgastankstellen. Das alles trägt dazu bei, daß der Endverbraucher zurückhaltend ist.

bdw: Und es gibt behördliche Hemmnisse, weil man mit Erdgasautos nicht in Tiefgaragen parken darf.

SPÄTH: Das ist ein verbreitetes Mißverständnis. Dieses Verbot gilt für Butan oder Propan, also Flüssiggase, weil die schwerer als Luft sind und sich am Boden absetzen. Erdgas dagegen ist leichter als Sauerstoff und vermischt sich sofort mit der Umgebungsluft. Mit einem Erdgasfahrzeug dürfen Sie in jede Garage fahren.

bdw: Warum brauchen wir Erdgasfahrzeuge? Rohöl und seine Folgeprodukte sind doch aufgrund ihrer einfachen Handhabung wie geschaffen für das Automobil.

SPÄTH: Das sehen Sie falsch. Erdgas in Fahrzeugen ist ein Qualitätssprung. Wer sagt uns, daß Benzin oder Diesel auch künftig der optimale Treibstoff für Automobile ist?

bdw: Warum sehen Sie den Qualitätssprung im Kraftwerksektor dann nicht? Erdgasbasierte Kombikraftwerke sind extrem umweltfreundlich.

SPÄTH: Unser Argument lautet: Auch zukünftig ist ein ausgewogener Energiemix unter Einbezug der Kohle sinnvoll und notwendig. Kohle hat ihren Platz in Großkraftwerken, in der Abdeckung der Grundlast. Hier rechnet sich der Einsatz von teurer Technik, um umweltfreundlich zu produzieren. In einer kleineren Anlage, auch in einem Automobil, schlagen solche Investitionen dagegen ungleich stärker zu Buche.

bdw: Ich habe den Eindruck, daß die Gasversorger noch nicht der wirtschaftlichen Dynamik unterliegen, die Stromerzeuger und -versorger seit gut einem Jahr verspüren.

SPÄTH: Es gibt einige Unterschiede zur Elektrizitätswirtschaft. Strom kann überall erzeugt werden, wo die Beteiligten sich auf einen Standort eini-gen. Erdgas muß dagegen dort abgeholt werden, wo es im Boden steckt. Des weiteren ist die Gaswirtschaft durch das Transportsystem grundsätzlich weniger flexibel. Gewiß wird auch bei uns die Liberalisie- rung zu Veränderungen führen. Doch beim Gas kommt es sicherlich nie dazu, daß alles über Börsengeschäfte und Spotmärkte abgewickelt wird und keine langfristigen Verträge mehr gebraucht werden.

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INTERNET Mehr über Erdgas erfahren Sie unter www.ruhrgas.de (Postadresse: Ruhrgas AG, Unternehmenskommunikation, Huttropstraße 60, 45138 Essen) sowie unter www.bgw.de (Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V., Josef-Wirmer-Straße 1, 53123 Bonn.

Wolfgang Hess / Friedrich Späth

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