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Erfolgreicher Protest

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Erfolgreicher Protest
Bio soll drinsein, wenn’s draufsteht

Die Markttische quellen über: Salate, asiatische Gemüse, exotische Pilze, saftige Weintrauben, Zitrusfrüchte und Ziegenkäse. Kostproben von Kirschen, indischem Curry oder geräuchertem Lachs kitzeln den Gaumen. Der gut sortierte „Farmers‘ Market“ lockt jeden Sonntag Hunderte überzeugter Konsumenten ins Hafengebiet von Oakland.

Dieser Wochenmarkt ist nur einer von mehr als 300 allein in Kalifornien. Ihr gemeinsamer Nenner: Es wird nur Ware direkt vom Erzeuger feilgeboten. Sie stammt zwar nicht ausschließlich aus biologischem Anbau – doch für alle, die vom Absatz von Bio-Produkten leben wollen, sind solche Erzeugermärkte sehr wichtig. Hierher kommt Kundschaft, die auf Gesundheit und Umwelt besonderen Wert legt – und bereit ist, dafür mehr zu bezahlen. Biologischer Anbau ist schließlich arbeitsintensiver als industrieller.

Doch auch die Agrarkonzerne wollen nun vom auf vier Milliarden Dollar angewachsenen Bio-Markt profitieren. Auch sie wollen ihren Produkten den Bio-Stempel aufdrücken. Ob sie das dürfen, ist derzeit in den USA heiß umstritten.

Biologischer Anbau hat zum Ziel, Nahrungsmittel auf ökologisch vertretbare Weise zu produzieren. Dazu gehört etwa der Verzicht auf synthetische Pestizide und Kunstdünger. Damit ist gleichzeitig die Rückbesinnung auf traditionelle Methoden verbunden: Fruchtfolge, Sortenwahl, sorgfältige Bodenbearbeitung, Nützlingspflege.

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Bisher werden in den Vereinigten Staaten erst 0,2 Prozent der Anbaufläche biologisch bewirtschaftet. Zum Vergleich: in Deutschland sind es 0,38 Prozent. Doch der US-Markt für Bio-Produkte hat seit 1990 Jahr für Jahr 20 Prozent zugelegt. 11 bundesstaatliche und 33 private Kontrollverbände wollen gegen Etikettenschwindel angehen, sind aber überfordert. Auf der Suche nach einheitlichen Richtlinien für Bio-Produkte legte ein gesetzlich einberufenes Gremium dem Landwirtschaftsministerium (USDA) seine Empfehlungen vor.

Anfang 1998 verkündete das USDA seine Vorstellungen – in denen von den Empfehlungen nichts zu spüren ist. „Biologisch“ wird hier so breit ausgelegt, daß auch bestrahlte, gentechnisch hergestellte oder mit Klärschlamm gedüngte Produkte künftig unter der biologischen Flagge segeln könnten – ebenso wie hormonbehandelte Tiere.

„Anscheinend hat sich das USDA den Agrarkonzernen und Exportkommissionen gebeugt“, entrüstete sich Kathleen Merrigan, Mitglied des Beratergremiums. In der Tat weist eine inzwischen bekanntgewordene interne USDA-Aktennotiz darauf hin, „unsere Handelspartner würden einen Bio-Standard unter Ausschluß von gentechnischen Lebensmitteln als Beweis interpretieren, daß wir Zweifel an deren Sicherheit haben“.

Damit hatte ausgerechnet das USDA – eine Bastion der industriell betriebenen Landwirtschaft – unbeabsichtigt eine Werbekampagne für den biologischen Anbau gestartet. Bio-Bauern, Läden und Umweltgruppen machten mobil. Innerhalb weniger Monate gingen ungefähr 200000 Beschwerden beim USDA ein.

Das Ministerium beugte sich der Protestwelle und will jetzt den strengen Definitionen des Beratergremiums folgen. „Wie auch immer die endgültigen Richtlinien aussehen werden – noch ist unklar, ob sich der strikte biologische Ansatz auf lange Sicht wirklich rechnet“, sagt Dr. William Liebhardt. Er leitet das Programm für nachhaltige Landwirtschaft an der University of California in Davis.

Die Rechnung geht vielleicht auf, vermutet Liebhardt, wenn mehr örtlich produziert und konsumiert wird: Das spart Lager- und Transportkosten. Und wenn die Gesamtkosten der chemisch angeheizten Landwirtschaft, plus Subventionen und Umweltschäden, in die Rechnung einbezogen werden.

biologisch:

Während der Anbau ohne synthetische Chemikalien in den USA einfach als „organic farming“ bezeichnet wird, firmiert er in Deutschland unter „biologischer“, „ökologischer“ oder „alternativer“ Landbau. Die organisch-biologische Variante strebt optimale, nicht maximale Erträge an – der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit steht im Mittelpunkt. Der biologisch-dynamische Anbau hingegen berücksichtigt nach der anthroposophischen Weltanschauung auch „kosmische Rhythmen“.

gesetzlich:

Der US-Kongreß erließ 1990 den Organic Foods Production Act. In diesem Gesetz erhielt ein Beratergremium (National Organic Standards Board) den Auftrag für die Ausarbeitung von Standards für biologisch produzierte Nahrungsmittel. Für Ausführung und Kontrolle soll künftig das Landwirtschaftsministerium zuständig sein.

gentechnisch:

Die US-Regierung erwägt eine Kennzeichnung gentechnisch produzierter Lebensmittel nur dann, wenn ein Produkt „wesentlich“ in Zusammensetzung, Nährstoffgehalt oder Verwendungszweck verändert wurde. Gentechnisch modifizierte Soja mit eingebauter Schädlingsresistenz durfte deshalb ungekennzeichnet nach Europa exportiert werden. In der EU müssen seit kurzem gentechnisch veränderte Soja und Mais markiert werden.

Infos im Internet

Bio-Debatte in den USA: http://www.ams.usda.gov/nop

Bruni Kobbe

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