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Es sind nicht gerade Meisterwerke,

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Es sind nicht gerade Meisterwerke,

Es sind nicht gerade Meisterwerke, die im „Grab der brüllenden Löwen“ an die Wand gemalt wurden. Die Vögel in der oberen Reihe staksen steif durchs Bild, und die Löwen im unteren Abschnitt sehen aus wie ungelenke Kinderzeichnungen. Und doch sind diese Bilder etwas Außergewöhnliches. Es sind etruskische Werke aus den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts vor Christus, die als die ältesten bekannten Grabmalereien im westlichen Mittelmeerraum gelten.

Ende Mai 2006 war der antike Anstrich ans Tageslicht gekommen, in einem Weizenfeld bei Veii nahe Rom. Dutzende Gräber liegen dort im Boden – zu viele für die amtlichen Archäologen, denen Geld und Zeit fehlen, um alle zu sichten. Dafür waren Grabräuber – die „Tombaroli“ – umso flinker und findiger. Einer von ihnen, der wegen Schwarzmarkthandel vor Gericht stand und als reuiger Polizei-Informant auf eine mildere Strafe hoffte, führte die Beamten der „Soprintendenza per i Beni Archeologici dell‘ Etruria Meridionale“ zum „Grab der brüllenden Löwen“ mit den geschichtsträchtigen Malereien.

Um ihre Gräber anzulegen, gruben die Etrusker einen Kreis ins Erdreich und höhlten von dort aus Gänge und Kammern in Maulwurf-Manier aus. Der anfallende Schutt wurde zu einem Hügel aufgeworfen. Im Grundriss ähnelten die Gräber den Wohnhäusern der Etrusker. Ein schlauchförmiger Gang führte vom Grabeingang zu den Grabkammern und wies den Seelen der Verstorbenen den Weg nach Nordwesten, wo man den Sitz der Unterweltgötter vermutete.

Der Kosmos hatte in der Vorstellung der Etrusker die Form eines Kreises, der in vier Sektoren geteilt war. Jeder Sektor war nochmals in vier Teile gegliedert – 16 Felder insgesamt. Sie wurden von unterschiedlichen Gottheiten bewohnt. Im Nordosten residierten die Ranghöchsten: Tinia, Uni und Menerva. Im Süden lebten die Götter der Natur und der Erde, im Nordwesten jene des Schicksals und der Unterwelt.

Das Grab der brüllenden Löwen besteht aus einer etwa zwölf Quadratmeter großen Kammer. Es gehörte wahrscheinlich einem Fürstenpaar. Zwar sind die Leichen längst geplündert, doch die wenigen Grabbeigaben, die geblieben sind, zeugen von Ruhm und Reichtum. Darunter sind die Reste eines Wagens, auf dem die Toten zu ihrer letzten Ruhestätte kutschiert wurden, Vasen aus Griechenland, Bronzefibeln, die mit Elfenbein und Knochen verziert waren, eine Wollspindel sowie Metallspieße, auf denen Fleisch gebraten wurde. Vor allem aber hatten sich die Etrusker um die Verzierung der Wände bemüht. Figuren auf Vasen zu malen, das beherrschte man im 7. Jahrhundert bereits perfekt. Doch auf einer großen glatten Steinwand zu arbeiten – das war noch ungewohnt und bedurfte Übung.

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„Der Maler hat die Umrisse mit einem spitzen Gegenstand in den weichen Tuffstein geritzt und sie dann mit roter, schwarzer und gelber Naturfarbe ausgemalt“, erklärt der Archäologe Alessandro Naso von der Universität Molise, der als Sachverständiger des römischen Gerichts das Grab begutachtet hat. „Wahrscheinlich wurde als Grundierung ein Gemisch aus Ton, Wasser und Mineralien aufgetragen, um die Bilder zu fixieren. Diese Technik ist aus späteren Gräbern bekannt und hat sich bewährt.“

Die Vögel sollten wahrscheinlich Zugvögel darstellen und den Übergang vom Diesseits ins Jenseits symbolisieren. In der Vorstellung der Etrusker ritten die Verstorbenen auf einem Mischwesen aus Fisch und Pferd in die Unterwelt. Rechts und links des Weges lauerten furchteinflößende Wesen – die brüllenden Löwen dürften ein Vorgeschmack gewesen sein.

Im Jenseits angekommen, war die Welt wieder in Ordnung: Die Toten wurden von ihren Ahnen empfangen und zum üppigen Festmahl geladen – ganz so wie zu Lebzeiten.

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