Die Leistung des Large Hadron Collider (LHC) des Teilchenforschungszentrums CERN bei Genf im Jahr 2011 war hervorragend. Daher erwartet CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer bereits im Jahr 2012 eine Antwort auf die wichtige Frage, ob das vom Standardmodell der Elementarteilchen vorausgesagte Higgs-Boson existiert oder nicht (bild der wissenschaft 1/2011, „ Die Weltmaschine kommt auf Touren“). Es ist der letzte noch fehlende Baustein des Standardmodells und trägt entscheidend dazu bei, dass Elementarteilchen wie Quarks und Elektronen eine Masse haben und nicht lichtschnell im All herumflitzen wie Photonen. Die Messungen am LHC und an anderen Teilchenbeschleunigern haben die Masse des Higgs-Teilchens bereits eingrenzen können – falls es existiert.
Am 13. Dezember wurden am CERN die bislang umfangreichsten Datenauswertungen von ATLAS-Sprecherin Fabiola Gianotti und CMS-Sprecher Guido Tonelli vorgestellt. Die Messungen stammen von den beiden größten LHC-Detektoren: ATLAS (A Toroidal LHC ApparatuS) und CMS (Compact Muon Solenoid). Demnach sollte das Higgs-Teilchen im Massebereich von 116 bis 130 Gigaelektronenvolt laut ATLAS und 115 bis 127 Gigaelektronenvolt laut CMS zu finden sein. Die verschiedenen unabhängigen Messungen machen 125 plus/minus 1 Gigaelektronenvolt am wahrscheinlichsten.
Die Forscher interpretieren die Ergebnisse allerdings nur als „ Hinweise“, da die Datenmenge zu gering ist für eine „Entdeckung“, die eine Wahrscheinlichkeit von „5 Sigma“ erfordert. Dazu kommt, dass die Higgs-Indizien nur etwa so wahrscheinlich sind wie das Würfeln von zwei Sechsen hintereinander. Immerhin deuten zahlreiche unterschiedliche Zerfälle auf die Existenz des ominösen Partikels hin – das Higgs-Teilchen kann nur indirekt über seine Zerfallsprodukte, etwa Photonen oder Z-Bosonen, nachgewiesen werden.
Spätestens Ende 2012 sollten die Daten für eine gute Statistik ausreichen. „Das Fenster für die Higgs-Masse wird immer kleiner“, freut sich Rolf-Dieter Heuer. „Wir haben das Teilchen zwar noch nicht gefunden, aber 2012 wird auf jeden Fall spannend.“