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Fussball und Babylon

Allgemein

Fussball und Babylon

Vor gut 4000 Jahren veränderte eine Erfindung die Welt. Eine Erfindung, ohne die wir heute keine Zahlen schreiben könnten, ohne die wir nicht rechnen könnten und ohne die es weder Finanzen noch eine Finanzkrise geben würde. Jemand hat damals eine vollkommen geniale Art und Weise ersonnen, um Zahlen zu schreiben. Mathematiker sprechen heute von einem Stellenwertsystem.

Schon vorher hatte man Zahlen aufgeschrieben, und zwar ganz einfach mit Strichen. Die 1 war ein Strich, die 5 waren fünf Striche und für die 50 machte man fünfzig Striche. Auch das römische System, das sich erst viel später entwickelt hat, ist im Grunde ein solches Strichsystem – ein Strichsystem mit Abkürzungen: Statt 10 Strichen schreibt man „X“, statt 100 Strichen „C“ und statt 1000 Strichen „M“. Das scheint clever zu sein, verschleiert aber nur das Problem. Die Römer mussten für jede neue Größenordnung ein neues Zeichen erfinden. Zunächst war mit „M“ Schluss. Dann, als es um größere Zahlen ging, schrieben sie für 100 000 ein eingekästeltes „M“ und so weiter.

Ganz anders der geniale Mensch, der in Babylon das Stellenwertsystem erfand. Während wir heute mit dem Dezimalsystem zur Basis 10 rechnen, wählte er damals die Basis 60. Das Geniale an der Erfindung war, dass eine Zahl einen unterschiedlichen Wert haben konnte, je nachdem, wo sie stand. Stellen wir uns die babylonische Zahl 345 vor. Die 5 ganz rechts ist auch nur 5 wert. Die 4 an der vorletzten Stelle würde im Dezimalsystem 4 · 10 = 40 bedeuten, im 60er-System hat sie aber den Wert 4 · 60 = 240. Und die 3 an der ersten Stelle hat nicht den Wert 3 · 102 wie bei uns, sondern 3 · 602 = 3 · 3600 = 10 800.

Heute steckt das 60er-System der Babylonier noch in unserer Zeiteinteilung. Eine Minute besteht aus 60 Sekunden und eine Stunde aus 60 Minuten. Die babylonische Zahl 345 ist also die Zahl der Sekunden, die während 3 Stunden, 4 Minuten und 5 Sekunden ablaufen.

Die Frage ist aber: Warum haben die Babylonier 60 gewählt? Warum nicht 10 oder 12?

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Darauf gibt es mindestens zwei Antworten. Die erste Antwort lautet: Weil das Jahr 360 Tage hat. Na ja, ungefähr. Das Jahr sollte genau 360 Tage haben. Die Babylonier sagten sich: „Unser Jahr hat 12 Monate mit je 30 Tagen, und damit hat unser Jahr 360 Tage.“ Dafür mussten sie natürlich bezahlen, und zwar, indem sie alle paar Jahre einen Schaltmonat einschoben.

Die zweite Antwort lautet: Weil 60 eine so gute Zahl ist. Die Qualität der Zahl 60 zeigt sich zunächst daran, dass man sie durch viele Zahlen ohne Rest teilen kann: durch 2, 3, 4, 5, 6, 10, 12, 15, 20 und durch 30. Keine kleinere Zahl hat so viele Teiler!

Da gerade die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika läuft, sei noch angemerkt: Die Zahl 60 spielt auch beim Fußball eine wichtige Rolle, genauer gesagt: am Fußball. Der klassische Schwarz-Weiß-Fußball besteht nämlich aus Fünfecken und Sechsecken. Die schwarzen Teile sind Fünfecke, die weißen Sechsecke. Der Fußball ist vollkommen regelmäßig aufgebaut: An jeder Ecke stoßen zwei Sechsecke und ein Fünfeck zusammen. Wenn man die Fünfecke richtig zählt – was nicht ganz einfach ist –, dann sieht man, dass der Fußball aus genau zwölf Fünfecken besteht. Daraus kann man leicht die Zahl der Ecken des Fußballs bestimmen: Da jede Ecke an genau einem Fünfeck vorkommt, gibt es insgesamt 12 · 5 = 60 Ecken. Also ist auch an jedem Fußball die Zahl 60 zu sehen.

Es kommt aber noch besser: In der Chemie werden spezielle Mole-küle untersucht, die nur aus Kohlenstoff-Atomen bestehen. Das „einfachste“ ist aus genau 60 Kohlenstoff-Atomen zusammengesetzt, es hat also die Bruttoformel C60. Das Sensationelle ist, dass dieses Molekül genauso aussieht wie ein kleiner Fußball: An jeder Ecke sitzt ein kleines Kohlenstoff-Atom. So erhält dieses „Käfigmolekül“, das auch Fulleren genannt wird, eine besondere Stabilität.

Das alles wussten die Babylonier natürlich nicht. Aber dass die Zahl 60 etwas Besonderes ist, das haben sie sich schon gedacht.

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