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Gefundenes Fressen im Klo

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Gefundenes Fressen im Klo

Was stand vor 8000 Jahren auf dem Speiseplan unserer Urahnen? Um das herauszufinden, greift die Wissenschaft ins Klo. Hendrik Poinar vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig untersucht mit seinem Team versteinerte Ausscheidungen von Höhlenmenschen in den heutigen US-Bundesstaaten Texas, Utah und Colorado. Vom Ergebnis ist der Molekularbiologe begeistert: „ Was uns besonders überrascht hat, war die Reichhaltigkeit der Menüs bei den Steinzeitmenschen.” Die jahrtausendealten Fäkalien offenbaren:

Die amerikanischen Ureinwohner aßen Leckereien wie Antilopenfilet, Hammelbraten, Hirschkeule und auch Fisch. Das war bisher nicht bekannt, denn bei den Eßplätzen in den Höhlen hatten Anthropologen nie Knochen oder Reste dieser Tiere gefunden. Zum Fleisch gab es reichlich Salat aus Agaven- und Yuccablättern. Aber unsere Vorfahren verschmähten auch nicht Kakteen, Sonnenblumen, Sanddorn – oder Tabak.

Einfach war es allerdings nicht, den Geheimnissen des Urkots auf die Spur zu kommen. Die Wissenschaftler mußten die fossilen Exkremente zunächst einer langwierigen Prozedur unterziehen: Sie schwemmten sie im Wasserbad auf, siebten und quirlten sie danach. Auf diese Weise kamen noch kleinste Blattreste zum Vorschein. Die Überbleibsel verrieten, welche Gemüsesorten die Höhlenmenschen aßen. „Leider lassen sich mit dieser Methode aber keine Fleischreste identifizieren”, bedauert Poinar. „Denn Fleisch wird beim Verdauen völlig zersetzt.”

Der Wissenschaftler entwickelte daher mit seinen Kollegen am Max-Planck-Institut ein Verfahren, mit dem die Erbmasse der verspeisten Pflanzen und Tiere bestimmt werden kann. Dabei gab es allerdings ein Problem: Im Laufe der Jahrtausende sind die Erbmoleküle mit dem Zucker im Kot eine feste Ver-bindung eingegangen. Poinar vergleicht diese Verschmelzung der DNA mit der Herstellung von Karamel. Mit Hilfe der Chemikalie N-Phenacylthiazolium-Bromid gelang es den Wissenschaftlern jedoch, die Bindungen wieder aufzubrechen. Damit war der Weg für die Untersuchung des fäkalen Erbguts frei. Poinar und sein Team arbeiteten in einem hoch-sterilen Überdruckraum, um Verunreinigungen mit fremder Erbmasse zu vermeiden. Das Labor glich einem Hochsicherheits-Trakt. Ähnlich wie bei der Herstellung von Mikrochips trugen die Wissenschaftler Masken und Overalls. „Als wir die gewonnenen Erbinformationen mit Gen-Datenbanken verglichen”, erklärt Poinar, „konnten wir problemlos feststellen, welche Organismen auf dem Speiseplan unserer Urahnen gestanden haben.” Jetzt hofft der Forscher, mit dem neuen Verfahren auch die Ökosysteme in vergangenen Zeiten besser verstehen zu können. Poinar ist überzeugt, daß sich im Urkot auch Veränderungen des Pflanzen- und Tierbestands spiegeln. Er sagt: „Es ist doch einleuchtend, daß drastische Veränderungen der Umwelt auch durch den Magen gegangen sind. Und dann müssen sie auch heute in den Fäkal-Fossilien nachweisbar sein.”

Hans Groth

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