Seit 40 Jahren besinnen sich Wissenschaftler unter dem Etikett “bionics” auf die alte Idee, von der Natur zu lernen. Besonders ehrgeizige Ziele verfolgt die medizinische Forschung: Technische Systeme der Informationsverarbeitung sollen mit dem Nervensystem kommunizieren und dessen Funktionen, falls sie nach einer Schädigung ausfallen, allmählich so perfekt ersetzen, daß nicht nur Augen, Ohren, Arme, Beine oder Teile des Gehirns elektronisch wiederbelebt werden, sondern am Ende sogar der Geist ohne seinen biologischen Träger denkbar ist. Eine fundamentale Veränderung unseres Welt- und Selbstbildes zeichnet sich ab.
Die Konstruktion und Anwendung solcher “Prothesen” ist Aufgabe der Neurobionik. Diesen Begriff prägte 1992 Werner Bothe, Neurochirurg an der Universität Münster. Der Wissenschaftsjournalist Michael Engel hat die Entwicklung von Anfang an begleitet. Im Buch der beiden erfährt auch der nicht vorgebildete Leser die Probleme hinter den Sensationen.
Damit zum Beispiel Querschnittsgelähmte wirklich wieder gehen und ihre Blase kontrollieren können, müssen statt starrer Computerprogramme anpassungsfähige neuronale Netze realisiert werden. Deren erkenntnistheoretische und mathematische Grundlagen (Stichworte: Chaostheorie, fraktale Geometrie) erläutern die Autoren ebenso anschaulich wie ethische Fragen.
Hans-Werner Bothe, Michael Engel NEUROBIONIK Zukunftsmedizin mit mikroelektronischen Implantaten Umschau Buchverlag Frankfurt am Main 1998 304 S., DM 49,80
Jürgen-Peter Stössel / Hans-Werner Bothe / Michael Engel