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Gen-Food: Schlagabtausch der neuen Art

Allgemein

Gen-Food: Schlagabtausch der neuen Art
Die Gentech-Industrie und Greenpeace versuchen, mit neuen Werbemethoden junge Menschen für oder gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel zu gewinnen. Gute Argumente haben beide Seiten nicht, sagt der Potsdamer Wissenschaftsjournalist Thomas Willke.

Wahrscheinlich lesen Sie kein Bravo mehr. Sonst wäre Ihnen vor ein paar Wochen ein höchst interessantes Heft entgegengerutscht, in A5-Format, Hochglanz und ganz bunt. „GenFood“ heißt das achtseitige Heft. Herausgeber ist eine Allianz der Firmen AgrEvo, Monsanto, Novartis und des industrienahen Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Es bietet neben einem Super-Gen-Quiz unter anderem auch die Fotostory „Mein Vater ist Gentech-Landwirt – drei Großstadt-Kids auf dem Lande“.

In teenagergerechter Aufmachung erklären die Autoren, warum Gentechnik cool ist und daß gentechnisch veränderte Lebensmittel toll für den Umweltschutz sein sollen und irgendwann mal den Welthunger besiegen werden. Aber nirgends wird die drängende Frage beantwortet: Warum sollte ich als Verbraucher das Zeug essen?

Wie macht man Gen-Food schmackhaft?

Der Mensch ist, was Essen und Trinken angeht, einerseits konservativ, andererseits aber doch neugierig, und wenn ihm die Vorteile einer Nahrung einleuchten, steigt er auf sie um. In der Nachkriegszeit haben sich die Eßgewohnheiten der Deutschen radikal geändert. Vorher ungewohnte Dinge – wie Salate vom Bufett oder die mediterrane Küche – haben sich hierzulande ausgebreitet, weil sie gesund sind und lecker schmecken. Fast food und Fertignahrung sind auf dem Vormarsch, weil sie praktisch sind. Zu den Vorzügen der Gen-Nahrung schweigt die Broschüre – aus gutem Grund, denn Vorzüge für den Verbraucher gibt es nicht. Alle bisherigen Gen-Food-Produkte sind nur deshalb entstanden, weil sich Produzenten Vorteile erhoffen: Auf genetisch veränderte Pflanzen setzt die Industrie deshalb, weil sich dadurch robustere Pflanzen produzieren lassen, die beim Anbau weniger Pflanzenschutzmittel brauchen oder längere Transportwege besser überstehen. So ist es kein Wunder, daß die Verbraucher skeptisch sind, und der mit gentechnisch verändertem Soja hergestellte Knusperriegel namens Butterfinger in den Regalen liegenbleibt.

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Greenpeace reicht das Desinteresse nicht

Dieses Desinteresse der Kundschaft reicht der Protestorganisation Greenpeace aber nicht aus – sie will Widerstand. Greenpeace scheint sich aber im klaren zu sein, daß ihre Gegenargumente nicht besser sind als die Pros der Industrie. Denn alle Umwelt- und Gesundheitsbedenken sind bisher reine Vermutungen, für die es keine harten Belege gibt. Und so versucht Greenpeace in seiner Jugendaktion „genetiXproject“ im Internet gar nicht mehr zu überzeugen, sondern probiert es mit Emotionen. Wie die Kombattanten aus der Industrie setzt Greenpeace auf die junge Konsumentengeneration. Dazu zeigen beide Seiten schöne junge Menschen und klopfen Sprüche.

Geschminkte Teenager treten gegen ungeschminkte an

Während es die vereinigten Gentech-Unternehmen vor allem auf den optimistischen, fröhlichen Teenager (geschminkt) zwischen 13 und 17 abgesehen haben, will Greenpeace den kritischen, zornigen jungen Menschen (ungeschminkt) zwischen 16 und 20 erreichen. Die früheren Robbenschützer setzen dabei vor allem auf die Verbreitung von trotzigem Lebensgefühl. Während man Informationen nur mit Mühe auf den Webseiten findet, bieten sie jede Menge Möglichkeiten, die dem Narzißmus der Fans entgegenkommen. Frei nach Andy Warhol bietet die genetiXproject-Homepage jedem die Chance, ein Instant-Model zu werden und sich mit einem Foto der weltweiten Webgemeinde zu präsentieren. Hauptsache man äußert dazu einen Kommentar, im Stil von „Nööö zu Gen-Food“.

Protest ist ein Produkt wie Coca Cola, das vermarktet werden muß

Greenpeace ist mit dem genetiXproject den politischen Parteien gefolgt: Nicht mehr Sachargumente zählen, sondern Köpfe. Protest ist ein Produkt wie Coca Cola, das man vermarkten muß.

Zugegeben: die Jugendaktionen von Industrie und Greenpeace sind handwerklich gut gemacht und haben Chancen, ihre Zielgruppen zu erreichen. Beide Seiten haben gelernt, daß dort, wo Argumente fehlen, die Show alles ist. Während die chemische Industrie bisher meist recht biedere Reklame bot, ist nun auch sie einfallsreicher geworden. Das zeigte sich schon bei einer Protestaktion im September letztes Jahr. Greenpeace hatte dem Saatguthersteller Novartis in Basel gentechnisch veränderten frischen Mais vor die Werkstore gekippt. Doch der Chemieriese wußte, was ihm bevorstand, und hatte sich beizeiten Kühe aus dem Umland geholt, die sich über das frische Grün hermachten. Den Kühen schmeckte es. Die Greenpeace-Aktion wurde zum Rohrkrepierer.

Thomas Willke

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