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HANNOVER DINOS IM SCHRANK

Allgemein

HANNOVER DINOS IM SCHRANK
… und ein ausgestorbener Laufvogel namens Dodo (links) – ein Einrichtungshaus lädt zum Entdecken ein.

„Der Mensch stammt vom Affen ab.“ – „In der Evolution strebt alles vom Einfachen zum Höheren und damit schließlich zum Menschen.“ Würden Sie das unterschreiben? Sind das Ergebnisse der Evolutionsforschung? Oder haben Sie Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen? Wenn Sie es genau wissen wollen, gehen Sie doch einfach mal zu IKEA. Nein, das ist kein Witz. Dahinter steckt vielmehr ein ernsthaftes Ausstellungskonzept für das Darwin-Jahr.

Drei Lehr-Profis haben sich für dieses Projekt zusammengetan: der emeritierte Professor Ulrich Kattmann, ein erfahrener Evolutionsdidaktiker aus Oldenburg, die Museumsexpertin Dr. Annette Scheersoi von der Universität Frankfurt am Main und Dr. Jorge Groß, Fachmann für außermuseale Bildungsaktionen von der Universität Hannover. Das Team wollte eine Evolutionsausstellung der anderen Art erschaffen und auch Menschen erreichen, die wohl nie ins Museum gehen würden.

Bei einem gemeinsamen Brainstorming kam man schließlich auf IKEA. Denn hier lässt sich Bildung wirklich unters Volk bringen: An Spitzentagen kommen bis zu 15 000 Menschen, darunter viele Familien mit Kindern. Bei IKEA Hannover zögerte man kurz, als die Forscher mit ihrer ungewöhnlichen Idee auf das Möbelhaus zukamen, hielt Rücksprache mit der Deutschlandzentrale – und entdeckte die Möglichkeiten. Marketingchefin Martina Färber: „Das Motto der Ausstellung ‚Evolution schafft Vielfalt‘ passt zu uns. Es entspricht unserer Firmenphilosophie. Vielfalt ist die große Stärke von IKEA, und ähnlich wie in der Evolution das Leben bleiben wir als Unternehmen nie stehen, sondern entwickeln uns ständig weiter.“

Die Wissenschaftler nahmen sich für ihre Ausstellung die Präsentationsformen des Möbelhauses als Vorbild. „IKEA hat das Einkaufen zum Erlebnis gemacht“, sagt Kattmann anerkennend, „und dieses Prinzip haben wir für unsere Ausstellung übernommen.“ Die Exponate der Evolutionstour sind darum nicht nur zum Anschauen da. Anfassen und damit spielen sind ausdrücklich erwünscht. So gibt es ein Spiel, bei dem man Blüten und die sie bestäubenden Insekten zusammenbringen muss. Eine Monitorwand zeigt die genetische Vielfalt der Menschheit. Jeder Besucher kann dabei entdecken, dass er selbst zu dieser Vielfalt gehört.

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Andere Exponate findet man beim Stöbern und Ausprobieren der Möbel. Es lohnt sich also, die Schubladen aufzuziehen und die Schranktüren zu öffnen. Neben Saurierzähnen und Miniatur-Dioramen, die den Größenvergleich der Dinos ermöglichen, erwartet den Besucher ein Dodo in der Plastikkiste. Der Dodo, ein großer, flugunfähiger Vogel, ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie Anpassung in der Evolution funktioniert: Auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean gab es keine Feinde, die ihm gefährlich werden konnten. Und so verlor der Vogel seine Flugfähigkeit und entwickelte sich zu einem eher plumpen Zeitgenossen, der gemütlich, aber erfolgreich lebte und sich fortpflanzte. Bis Menschen die Inselgruppe entdeckten und Ratten, Schweine und Hunde mitbrachten. Gemeinsam rotteten sie den Dodo im 17. Jahrhundert aus.

Mit ihrer Evolutionsausstellung beschreiten die drei Forscher didaktisches Neuland. Jorge Groß untersuchte in seinen Forschungsprojekten, was Menschen sich bei Museumsbesuchen merken können. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Kaum ein Besucher erinnert sich zutreffend an die Inhalte der Ausstellung. Ein ganz beliebter Fehler der Museumsmacher: Tafeln mit langen Texten. „So etwas liest doch kaum einer“, sagt Groß.

„Bei uns ist darum alles ganz einfach, und es geht ohne viele Worte“, sagt Kattmann. Vor allem bei den populären Vorurteilen über die Evolution setzen die Ausstellungsmacher an und wollen sie spielerisch korrigieren. Um die Eingangsbeispiele aufzulösen: Der Mensch stammt nicht vom Affen ab. Er ist selbst ein Affe, zwar ein schwach behaarter, aber eindeutig ein Affe. Der Schimpanse ist also nicht unser Vorfahr, sondern ein Cousin im Tierreich. Auch gibt es in der Evolution keine geradlinige Entwicklung vom primitiven zum höher entwickelten oder gar zum perfekten Lebewesen. Die Organismen ändern sich ständig im Laufe der Zeit. Arten teilen sich auf. Manche Entwicklungslinien sind komplexer, andere einfacher, einige erfolgreich, wieder andere nicht. Das Ergebnis der Evolution ist vor allem – die Vielfalt des Lebens.

Sowohl die beteiligten Forscher als auch das schwedische Unternehmen wollen die neuartige Aktion wissenschaftlich analysieren und damit für die Zukunft lernen: Haben die Kunden die Ausstellung angenommen? Hat es ihnen Spaß gemacht? Oder hat die Präsentation sie vielleicht geärgert oder beim Einkauf gestört?

Bei IKEA ist man optimistisch und sieht die Kooperation mit den Wissenschaftlern als eine „Win-win-Situation“, aus der jeder der beteiligten Partner Nutzen ziehen wird. Auch in der Evolution hat sich diese Art der Zusammenarbeit herausgebildet. Die Biologen nennen sie „Symbiose“. ■

von Thomas Willke

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