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Harte Landung

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Harte Landung
Noch vor wenigen Jahren glaubten die Forscher, dass Laser die Medizintechnik revolutionieren würden. Nach einer Phase der Ernüchterung kommen jetzt die wahren Qualitäten ans Licht. Gleichzeitig sorgen einige Behandlungsmethoden für negative Schlagzeilen.

Gedämpft dringt das Licht durch ein Dachfenster in den Laborraum des Forschungsinstituts „caesar“ im Herzen der Bonner Altstadt. Die optischen und elektronischen Bauteile auf dem großen Arbeitstisch wirken recht willkürlich verkabelt. Erst eine ausführliche Erklärung von Prof. Peter Hering bringt Klarheit in die Anordnung: Das Herz der Anlage ist ein 66 Watt starker Kohlendioxid-Laser, der seine Strahlung über diverse Spiegel auf eine Einspannvorrichtung lenkt. Der Assistent nimmt aus einer Schublade einen kleinen weißen Würfel und spannt ihn in die Anlage ein. „Das ist ein Stück aus dem Oberschenkel-Knochen eines Bullen – das härteste Knochenmaterial, das es gibt“, erklärt Hering. Er legt einen Schalter um, und kurz darauf ist ein leises, zischelndes Geräusch zu hören. Bald ist in dem Probewürfel ein hauchdünner, wenige Millimeter tiefer Schnitt zu erkennen. Unter dem Mikroskop zeigt sich dessen feine und glatte Struktur. „Kein Vergleich zu der groben Schnittstruktur, die eine Knochensäge hinterlässt“, sagt Hering. „Anders als bei einem konventionellen Schnitt werden die benachbarten Knochenzellen durch die kurzen Pulse des Lasers nicht beschädigt.“ Ein weiterer Vorteil des Laserschneidens: „Zum Öffnen der menschlichen Schädeldecke wird bis heute mit einer Stichsäge gearbeitet. Die dabei im Schädel zurückbleibenden Metallsplitter können spätere Untersuchungen mit Kernspintomografie stören oder unmöglich machen“, klagt Hering. Daher ruht die Hoffnung vieler Mediziner auf dem Laser: Dank seiner Präzision und seiner schonenden Behandlung könnte er die Knochensäge schon bald ablösen. Doch zu viel Optimismus ist nicht angebracht, denn ähnlich zuversichtlich schätzten die Forscher vor einigen Jahren die Aussichten für den Laser bei der Behandlung in Weichgewebe ein. „Der Laser als Ersatz für das Skalpell war ein Traum der achtziger Jahre“, sagt Prof. Rudolf Steiner vom Institut für Lasertechnik in der Medizin und Messtechnik in Ulm. „Heute wissen wir, was dieses Instrument in der Medizin wirklich leisten kann.“ Mit dem Ergebnis, dass Laser in der Chirurgie immer noch Exoten sind. Die Anwendung steckt bis heute in den Kinderschuhen. Die großen Hoffnungen basierten damals vor allem auf der thermischen Wirkung des Laserlichts im Körpergewebe: Die Energie des Laserlichts wird vom Gewebe aufgenommen und in Wärme verwandelt. Je nach Temperatur führt das zu unterschiedlichen Veränderungen in den Zellen. Bei einer Erwärmung des Gewebes auf 60 bis 100 Grad Celsius koaguliert (gerinnt) das Eiweiß im Körper, ab 300 Grad Celsius verdampft das Gewebe. Da man diese Wirkungen kombinieren kann, bot sich der Laser als Ersatz für das Skalpell an: Durch Verdampfen des Gewebes kann geschnitten werden, die Koagulation bewirkt, dass sich die Blutgefäße rasch wieder schließen. Es kommt zu keinen Blutungen. Doch die Schnittführung mit dem herkömmlichen Skalpell ist präziser. Außerdem kann man eine mögliche Beschädigung von benachbartem Gewebe durch den Laserstrahl noch nicht genau genug abschätzen und kaum verhindern. Deshalb wird das Laserskalpell bis heute nur in wenigen Fällen eingesetzt: etwa zum Schneiden von stark blutendem Gewebe, zum Beispiel in der Leber oder Milz. Und: In Körperbereichen, die endoskopisch zugänglich sind, ist der Laser ein wertvolles Werkzeug für die Chirurgen. Da man das Laserlicht über biegsame Glasfaserleitungen in den Körper führen kann, sind Laser prädestiniert für endoskopische Behandlungen. Im Hals-Nasen-Ohren-Bereich oder im Magen-Darm-Trakt kann mit so genannten minimalinvasiven Methoden operiert werden: Der Eingriff soll für den Patienten kurz und schmerzfrei sein und sich auf das betroffene Gewebe beschränken. Unbestritten ist, dass Medizinlaser bei richtigem Einsatz ein kostbares Hilfsmittel in der Hand des behandelnden Arztes sind – allerdings mit beträchtlichen Risiken und Nebenwirkungen: Bei falscher Dosierung oder unsachgemäßer Handhabung können irreparable Verbrennungen entstehen. Dies gilt insbesondere für den Einsatz von Lasern bei der Schönheitschirurgie, wo die Laserbehandlungen immer wieder für negative Schlagzeilen sorgen. Das Problem: Es gibt keine verbindlichen Richtlinien für die Ausbildung der Ärzte an den Lasern. Die Geräte werden zusammen mit einem Handbuch verkauft – der Rest bleibt dem Gefühl und Geschick des Operateurs überlassen. Aus ganz anderen Gründen problematisch ist die Korrektur von Fehlsichtigkeiten nach der so genannten LASIK-Methode (aus dem Griechischen: „Laser in situ keratomileusis“, deutsch: „Schnitzen“ der Hornhaut mittels Laser). Bei dem Verfahren modelliert der Arzt die Hornhaut mit einem Excimer-Laser so, dass die Fehlsichtigkeit korrigiert wird. Dabei fräst das UV-Licht des Lasers eine Art Linse in die Hornhaut. Seit Jahren werden Augenoperationen mit LASIK von vielen Ärzten propagiert. Nun zeichnet sich ein handfester Skandal ab: „Die Behandlungsmethode ist weit gefährlicher als auf den Internetseiten der Anbieter suggeriert wird, die keine Zahlen über Komplikationen angeben“, sagt caesar-Forscher Peter Hering. „ Der anerkannte Fachmann auf diesem Gebiet, Prof. Theo Seiler von der Augenklinik des Universitätsspitals Zürich, berichtet in einer Publikation von einer intraoperativen Komplikationsrate von 7 Prozent. Dabei ist die zunehmende Blendenempfindlichkeit und das gestörte Dämmerungssehen bei bis zu 50 Prozent der Patienten gar nicht als Komplikation angeführt.“ Im Extremfall kann dem Betroffenen nur noch mit einer Hornhaut-Transplantation geholfen werden. „Aber es geht um viel Geld: Die Laser wurden teuer angeschafft und sollen sich nun rentieren“, sagt Hering. Wer dazu Näheres bei Medizinern erfahren will, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Kaum einer will sich bei dem brisanten Thema weit aus dem Fenster lehnen – die behandelnden Ärzte weigern sich beharrlich, Auskünfte zu geben und verweisen neugierige Frager an andere Kollegen. Laser als Werkzeug zur Krebstherapie Trotz des bisher verhaltenen Erfolgs beim Einsatz von Lasern in der Chirurgie setzen die Mediziner große Hoffnungen auf die Behandlung von Krebstumoren mit dem gebündelten Licht. Mehrere Behandlungsmethoden sind in der klinischen Erprobung. Bei thermischen Verfahren werden die Tumoren durch Koagulation zerstört: Die durch die Strahlung des Lasers entstehende Hitze tötet das Tumorgewebe ab. Die Forscher erproben dafür ein System, das die Wirkung der Bestrahlung überwacht und den Laser entsprechend steuert. Auf diese Weise sollen sich Tumoren künftig für den Patienten schonend behandeln lassen. Bereits praktiziert wird die thermische Tumorbehandlung in der so genannten interventionellen Radiologie: Leber-Metastasen werden von Lasersonden bestrahlt und koagulieren. Gleichzeitig überwacht der Arzt mit einem Kernspintomografen den Erfolg der Behandlung. Eine andere Möglichkeit zur Zerstörung von Tumor-Gewebe ist die fotodynamische Lasertherapie: Dem Patienten wird ein so genannter Fotosensibilisator verabreicht – eine Substanz, die sich gezielt in Tumorzellen anreichert. Bei einer anschließenden Bestrahlung mit Laserlicht bilden sich Radikale, die nur die kranken Zellen zerstören. Die Methode ist auch für die Diagnostik von Tumorzellen geeignet: Die Bestrahlung mit Laserlicht löst einen fotochemischen Prozess aus, bei dem Fluoreszenzlicht ausgesandt wird. Lage und Größe des Tumors können durch die Analyse dieses Lichts vermessen werden. Zum Einsatz in der Medizin kommen Argon-, Kohlendioxid- und Neodym-YAG-Laser. Sie unterscheiden sich in der Wellenlänge des Lichts und haben so einen verschiedenen Einfluss auf das Gewebe. Das Forschungsinstitut Caesar Seit 1999 betreibT das Forschungs-institut „caesar“ (Center of Advanced European Studies and Research) in einem provisorischen Büro in der Bonner Innenstadt Spitzenforschung. Schwerpunkte sind Physik, Mathematik, Chemie, Biologie, Medizin und Informationswissenschaften. Die Gründung von caesar geht auf das Bonn-Berlin-Gesetz zurück, das als Ausgleichsmaßnahme für die Region Bonn nach dem Umzug der meisten Regierungseinrichtungen nach Berlin beschlossen wurde. Das Institut verfügt über ein Kapital von rund 350 Millionen Euro und wird künftig in einem Neubau rund 350 Wissenschaftler beschäftigen.

Internet

Infos über LASIK-Behandlung beim Verband der Spezialkliniken Deutschlands für Augenkliniken und Refraktive Chirurgie e.V.: www.vsdar.de

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Theo Seiler (Hrsg.) Refraktive Chirurgie der Hornhaut Thieme 2000, € 159,–

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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