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Himmlische Auferstehung

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Himmlische Auferstehung
Totgesagte leben länger. Diese Weisheit bestätigt einmal mehr der Fall Iridium. Das bereits abgeschaltete Satelliten-Telefonnetz funkt wieder – und bietet jetzt einen Zugang zum Internet an.

Iridium ist wieder da. Fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem das Satelliten-Telefonnetz wegen Konkurses des Betreibers Iridium LLC im März 2000 abgeschaltet worden war, ging Iridium wieder „auf Sendung“. Die Übernahme der Himmelskörper durch einen neuen Betreiber, Iridium Satellite LLC mit Sitz in Tempe (Arizona, USA), hat die Auferstehung ermöglicht: Der neue Eigentümer erwarb die 73 Satelliten samt Bodenstationen zum Spottpreis von 25 Millionen Dollar aus der Konkursmasse des Vorgängers.

Anders als die Nutzer zum Beispiel des in Europa für Handys verwendeten GSM-Netzes sind Iridium-Kunden überall auf der Welt zu erreichen: in den Wüsten Afrikas und Zentralasiens ebenso wie auf den sieben Weltmeeren, im gesamten Luftraum und in den Eiswüsten der Pole. So können etwa die Wissenschaftler einer Klimaforschungsstation in der Antarktis bisher nur zwei Mal im Jahr ihre Forschungsdaten ausfliegen – vorausgesetzt, das Wetter läßt Flüge zu. Mit Iridium werden sie künftig ihre Meßdaten bequem per Telefon in gemäßigtere Breiten übermitteln können.

Doch das globale Satelliten-Telefonnetz ist nicht nur für wissenschaftliche Expeditionen und Hilfsorganisationen interessant. Auch Industrieunternehmen, die in abgelegenen und unzugänglichen Gebieten operieren, können künftig davon profitieren. Dazu gehören die Betreiber von Ölbohrplattformen, Reedereien, Fluglinien und Bergbauunternehmen sowie die Forstwirtschaft – und natürlich das Militär: Iridiums derzeit größter Kunde ist das Verteidigungsministerium der USA (siehe dazu den Kasten „Ehrgeizig, aber pleite“). Die Militärs interessieren sich allerdings mehr für eine spezielle Eigenschaft des Satellitennetzes: Iridium bietet die Möglichkeit, Telefongespräche zu verschlüsseln und somit – im Gegensatz zur GSM-Telefonie – abhörsicher zu machen.

Satellitentelefone sind nicht nur in der Wüste Gobi oder am Südpol nützlich. Auch in unseren Breiten gibt es Orte, die nur über Satellit erreichbar sind – zum Beispiel das „Blockhaus an der Isenach“ im Pfälzer Wald, nahe Bad Dürkheim. „Dort funktioniert kein normales Mobilfunknetz“, berichtet der Journalist und Mobilfunkspezialist Henning Gajek, der im vergangenen Jahr die Initiative „Save Iridium“ ins Leben rief.

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„Im März letzten Jahres haben wir mit Experten aus ganz Europa die verschiedenen Satelliten-Telefonnetze getestet“, erzählt Gajak. Das sind neben Iridium vor allem Inmarsat und Globalstar. Inmarsat ist der älteste Anbieter von Satellitentelefonie. Das System wurde Ende der siebziger Jahre vor allem für die Seefahrt entwickelt. Das Netz besteht aus vier geostationären Satelliten in zirka 36000 Kilometern Höhe, die Pole werden nicht mit abgedeckt. Globalstar arbeitet wie Iridium mit niedrig fliegenden sogenannten Low Earth Orbit (LEO)-Satelliten und nutzt den amerikanischen Mobilfunkstandard CDMA. Das Netz ist zur Zeit beschränkt auf Amerika, Europa, Teile Rußlands und Chinas sowie Australien; dieses Jahr soll Südafrika dazukommen. Abgesehen vom Nordatlantik und einigen Küstenregionen herrscht auf den Weltmeeren bei Globalstar Funkstille.

Das Resultat des Vergleichstests der drei Systeme: Am kompliziertesten zu handhaben ist Inmarsat. Denn vor dem Telefonieren muß erst der etwa vier Kilogramm schwere Telefonkoffer, der etwa die Größe eines Laptops hat, mit einem Kompaß ausgerichtet werden. Auch die Übertragungsqualität läßt zu wünschen übrig. Globalstar dagegen erwies sich im Test als besonders träge: Es dauert bis zu zwei Minuten, bis sich das Mobiltelefon ins Netz eingebucht hat. Beim Telefonieren allerdings liefert Globalstar eine gute Qualität. „Am einfachsten ging es mit Iridium, denn dieses Netz funktioniert genau wie bei den in Europa üblichen GSM-Handys: Gerät einschalten, den persönlichen Code eingeben. Nach wenigen Sekunden meldet sich Iridium, und man kann telefonieren“, resümiert Gajek.

Das Iridium-Netz besteht aus insgesamt 73 Satelliten – davon sind 66 ständig in Betrieb, 7 dienen als Ersatz. Weitere 7 himmlische Vermittlungsstellen will der Betreiber im nächsten Jahr in den Weltraum schießen. Die Satelliten kreisen in einer Höhe von 780 Kilometern auf sechs verschiedenen Bahnen. Auf jeder Bahn umrunden elf der künstlichen Himmelskörper die Erde in etwa 100 Minuten in „Längsrichtung“, also über die Pole. Das entspricht einer Geschwindigkeit von knapp 27000 Kilometern pro Stunde. So ist jeder Ort auf der Erde rund um die Uhr über Satellit erreichbar.

Jeder Satellit steht ständig mit vier anderen in Verbindung. Über dieses Fünfernetz werden die Gespräche zu jedem beliebigen Telefon irgendwo auf der Erde vermittelt. Für die Übertragung nutzt Iridium das selbstentwickelte Datenprotokoll „Ping/Pong“ .

Die niedrig fliegenden Relaisstationen bieten deutliche Vorteile gegenüber geostationären Satelliten in etwa 36000 Kilometern Höhe, wie sie Inmarsat nutzt: Da das Signal eine kürzere Strecke zurücklegt, kommen die Telefone mit einer etwa viermal geringeren Sendeleistung aus – und können deshalb in handlicheren Dimensionen hergestellt werden. So ist ein Iridium-Telefon kaum größer als ein konventionelles schnurloses – im Gegensatz zu den recht klobigen Inmarsat-Geräten. Zudem treten kaum Verzögerungen bei der Übertragung der Signale auf.

Gesteuert werden die Satelliten von zwei Bodenstationen aus, sogenannten Gateways: einer zivilen Station in Tempe, Arizona, und einer Station des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums in Oahu auf Hawaii. Die beiden Gateways vermitteln außerdem Gespräche aus dem eigenen in andere Telefonnetze und verwalten die Kundendaten. Die Vorgängerorganisation betrieb Gateways auf der ganzen Welt, unter anderem in Italien. Diese für ganz Europa zuständige Station wurde jedoch im vergangenen Jahr geschlossen. Deshalb ist es derzeit nicht möglich, aus dem deutschen oder einem anderen europäischen Festnetz ins Iridium-Netz zu telefonieren. Wählt man die Iridium-Vorwahl „008816″, verkündet eine freundliche Stimme: „Kein Anschluß unter dieser Nummer.“ Iridium-Nutzer hingegen können sich ins deutsche Festnetz einwählen. Derzeit verhandelt die Telecom Italia mit Iridium Satellite über die Wiedereröffnung der italienischen Gateway-Station.

Zumindest beim Preis ist das neue Iridium konkurrenzfähiger geworden: Man zahlt 950 Dollar für ein Telefon der Serie „ Satellite Series 9500″ und knapp 1500 Dollar für das kleinere und leichtere „Satellite Series 9505″; beide Geräte stammen von Motorola. Die Gesprächskosten liegen zwischen einem und 1,50 Dollar pro Minute.

Seit Juni bietet Iridium zusätzlich einen Internet-Zugang über Mobiltelefone an. Zwar erlauben die Iridium-Satelliten nur eine Datenübertragungsrate von 2,4 Kilobit pro Sekunde – zum Vergleich: ISDN bietet eine rund 25fach schnellere Datenübermittlung. Aber durch die Bündelung mehrerer Kanäle ist eine Datenrate von 9,6 Kilobit pro Sekunde möglich. Das entspricht der Übertragungsgeschwindigkeit von Faxgeräten oder herkömmlichen GSM-Mobiltelefonen. Noch in diesem Jahr sollen über die Iridium-Satelliten voraussichtlich auch SMS verschickt werden können.

Eine Renaissance erster Klasse also für das totgesagte Projekt, dessen Namensgeber sich offenbar tiefschürfende Gedanken gemacht haben: Iridium – griechisch „iris“: Regenbogen – ist die Bezeichnung des gleichnamigen chemischen Elements mit der Ordnungszahl 77. Ursprünglich sollten nämlich 77 statt nur 66 Satelliten die Erde umkreisen.

Eine Umbenennung das Satelliten-Netzes in Dysprosium, das Element mit der Ordnungszahl 66, wäre aus Marketinggründen wenig ratsam gewesen. Denn der Name stammt von dem griechischen Wort „ dysprositos“ ab und bedeutet „schwer erreichbar“. Ehrgeizig, aber pleite Ende der achtziger Jahre begann der US-amerikanische Elektronikkonzern Motorola mit der Entwicklung des Satellitennetzes Iridium. Ziel des ehrgeizigen Projekts: eine Möglichkeit zum weltweiten Telefonieren zu schaffen. Das Satellitennetz nahm im November 1998 seinen Betrieb auf. Zu diesem Zeitpunkt waren Geschäftsleute, an die sich Iridium in erster Linie richtete, jedoch bereits in vielen Regionen der Erde per Mobiltelefon erreichbar.

Zum Mißerfolg Iridiums trugen auch der saftige Preis der Geräte und die

hohen Gesprächskosten bei. So kostete ein Satellitentelefon 3000 Dollar und der Pager etwa 500 Dollar. Die Minutenpreise lagen bei zwei bis zehn Dollar, für den Pagerdienst mußten 160 Dollar im Monat hingeblättert werden.

Wegen der geringen Nutzerzahlen und der hohen Betriebskosten geriet die Motorola-Ausgründung im Sommer 1999 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Suche nach einem Käufer blieb

erfolglos. Daraufhin meldete Iridium Konkurs an und stellte Anfang 2000 den Dienst ein.

Nach dem Konkurs plante Motorola ein „Deorbiting“ – die Absenkung der Satelliten aus ihrer Umlaufbahn, bei der die Satelliten in der Atmosphäre verglühen sollten. Ein Auftrag des US-

Verteidigungsministeriums Ende letzten Jahres rettete die Iridium-Satelliten vor der Zerstörung: Für eine Pauschale von 72 Millionen Dollar dürfen bis zu 20000 Regierungsangestellte in den nächsten zwei Jahren unbegrenzt über das Netz von Iridium telefonieren.

Nach dem Auftrag des Pentagons stimmte das zuständige New Yorker Konkursgericht einer Übernahme durch die neu gegründete Betreibergesellschaft zu und verhinderte so das gigantische Feuerwerk.

Werner Pluta

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