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Intelligentes Gelee

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Intelligentes Gelee
Polymere sollen Diabetikern die Bauchspeicheldrüse ersetzen und Robotern als künstliche Muskeln dienen.

Die Lichtstreuung in Polymer-gelen wollte Toyoichi Tanaka Anfang der siebziger Jahre untersuchen, als er plötzlich auf ein merkwürdiges Phänomen stieß: Kühlte er sein Gel auf minus 20 Grad Celsius herunter, trübte es sich plötzlich ein. Kaum wärmte er es ein wenig auf, wurde es wieder klar. Der Physik-Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im amerikanischen Cambridge hatte einen bisher unbekannten Phasenübergang entdeckt.

Genau wie Wasser bei hundert Grad schlagartig anfängt zu vedampfen, ändert das Gel bei einer bestimmten Temperatur seinen Zustand. Als Tanaka schrittweise die Zusammensetzung des Lösungsmittelgemischs variierte, in dem sein Gel schwamm, machte er eine noch verblüffendere Entdekkung: Eine geringe Änderung der Konzentration an einem kritischen Punkt ließ die wabbelige Masse explosionsartig auf das Vielfache seines Volumens anschwellen.

Die chemische Erklärung: Das Gel besteht aus einem Netzwerk von Polymerketten, also aus Riesenmolekülen mit Tausenden sich wiederholenden Abschnitten. Die Hohlräume zwischen den Polymerketten sind mit Wasser oder einem anderen Lösungsmittel gefüllt. Äußere Einflüsse wie die Temperatur bestimmen darüber, ob anziehende oder abstoßende Kräfte zwischen den Polymerketten überwiegen – das Gel zieht sich zusammen oder expandiert.

20 Jahre nach der Entdekkung des sensiblen Gels ist nun das erste Produkt auf dem Markt. Die von Tanaka und Partnern gegründete Firma Gel-Sciences/GelMed in Bedford, Massachusetts, produziert temperaturempfindliche Gel-Päckchen für Luxus-Inline-Skater. Sie sind bei Raumtemperatur weich und passen sich dem Fußgelenk an. Da die Körperwärme sie schnell hart werden läßt, können sie den Fuß stabilisieren.

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Außerdem entwickelt die Firma Medikamente, die in Gelform verabreicht werden. Gelhaltige Augentropfen etwa sind bei Raumtemperatur flüssig und gut tropffähig. Körpertemperatur macht sie viskos, wodurch sie besser haften und länger wirken. Reibung jedoch, zum Beispiel beim Lidschlag, verflüssigt das Gel erneut, so daß es sich gleichmäßig auf dem Auge verteilt. Eyal S. Ron von GelSciences/ GelMed rechnet damit, daß die ersten Medikamente dieser Art in zwei bis fünf Jahren auf den Markt kommen.

Unterdessen arbeitet die Firma Suntek in Albuquerque, New Mexico, an gelbeschichteten Fenstern, die sich bei höherer Temperatur eintrüben und somit automatisch den Lichteinfall regulieren. Sie sind für Dachfenster gedacht, die große Innenräume oder Hallen mit Tageslicht versorgen sollen, ohne diese zu sehr aufzuheizen.

Ein Gel ist auch der wesent-liche Bestandteil einer künstlichen Bauchspeicheldrüse, die die Professoren You Han Bae und Sung Wan Kim an der University of Utah in Salt Lake City zur Zeit entwickeln. Sie besteht aus einem Beutel, der – neben dem Gel – insulinproduzierende Langerhanssche Inselzellen enthält. Der Beutel soll dauerhaft in den Bauchraum des Patienten implantiert werden. Bei Körpertemperatur schwillt das Gel an und hält die Zellen in einer stabilen Matrix fest. Müssen die Zellen nach etwa einem Jahr ausgetauscht werden, bekommt der Patient einen Eisbeutel auf die Haut gelegt. Das Gel im Beutel wird flüssig, und die Lösung mit den Zellen kann leicht ersetzt werden. Eine andere Wissenschaftlergruppe an der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana konstruiert Gele, die sich je nach Glucosegehalt des Bluts aufblähen oder schrumpfen und so die richtige Menge Insulin freisetzen sollen.

Andere Gele schließlich zukken durch elektrische Impulse zusammen – ähnlich wie Muskelfasern nach einem elektrischen Signal des Gehirns. Sie könnten eines Tages Robotern als künstliche Muskeln dienen.

Carola Hanisch

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