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Kampf dem Krampf

Allgemein

Kampf dem Krampf
Etwa jeder fünfte Epilektiker war bislang seiner Krankheit ausgeliefert – weder Medikamente noch Operationen konnten ihm helfen. Jetzt gibt es Hoffnung.

Plötzlich verliert der Mann das Bewußtsein und stürzt zu Boden, seine Arme und Beine zucken minutenlang unkontrolliert und aus seinem Mund quillt blutiger Schaum – ein Epilepsie-Anfall. Ursache ist eine Salve von Stromstößen im Gehirn, bei dem mehrere Nervenzellen gleichzeitig feuern. Unkontrolliert breiten sich die elektrischen Ströme auf andere Teile des Gehirns aus.

Epilepsie kann jeden treffen. Sie ist Ausdruck von sehr unterschiedlichen Hirnerkrankungen, zum Beispiel von Geschwulsten, Verletzungen oder Durchblutungsstörungen. Allein in Deutschland gibt es fast eine Million Epileptiker, etwa 30 Prozent von ihnen sprechen kaum auf Medikamente an. Einigen kann durch eine Operation geholfen werden, doch für viele gab es bisher keine Therapie.

Für sie keimt jetzt Hoffnung. Prof. Christian E. Elger, Direktor der Bonner Klinik für Epileptologie, hat erste Erfolge mit einer neuen Behandlungsmethode vorzuweisen: die elektrische Stimulation des Vagusnervs. Dieser Nerv kommt direkt aus dem Gehirn, zieht vom Kopf bis in den letzten Darmabschnitt und überträgt Botschaften von und zum Gehirn. „Wahrscheinlich beruhigt der Vagusnerv die Epilepsieherde im Gehirn, von denen die Krampfanfälle ausgehen, so daß seine Stimulation einen Anfall im Keim erstickt“, erklärt Elger.

Bei einer kleinen Operation befestigt das Ärzteteam winzige Elektroden am linken Vagusnerv des Patienten. Im Abstand von fünf Minuten geben die Elektroden regelmäßig elektrische Impulse an den Nerv ab, der in der Tiefe der linken Halsseite liegt. Der Generator, der die künstlichen Reize erzeugt, besitzt die Größe einer Taschenuhr und ist wie ein Herzschrittmacher in einer Hauttasche unter dem linken Schlüsselbein eingebettet.

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Mit einem Magneten, den der Patient immer bei sich trägt, kann er das System ein- und ausschalten, aber auch zusätzliche Stimulationen auslösen, wenn er spürt, daß ein Anfall bevorsteht. Denn manche Krämpfe kündigen sich dem Epileptiker beispielsweise dadurch an, daß er die Umwelt anders als normalerweise wahrnimmt.

Bisher erhielten weltweit über 3400 Patienten einen Stimulator. Bei etwa der Hälfte von ihnen verringerte sich die Zahl der Anfälle deutlich, manche Patienten wurden sogar anfallsfrei. Allerdings kostet das Gerät 13000 Mark, außerdem ist alle drei Jahre ein ähnlich hoher Betrag fällig, wenn die Batterie gewechselt werden muß.

Deshalb warnt Elger trotz der ermutigenden Ergebnisse vor Euphorie: „Die neurokybernetische Prothese ist kein Ersatz für antiepileptische Medikamente oder die Epilepsie-Chirurgie. Sie bietet vielmehr Patienten, denen bisher nicht zu helfen war, eine neue Chance.“

Claudia Borchard-Tuch

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