Am Anfang war – die professorale Klage: Unsere Studenten lesen nicht mehr. Die veranlaßte Thomas Eicher zu seiner Studie mit dem Titel „Lesenotstand“. Dafür hat er 909 Germanistik-Erstsemester nach ihren Lesegewohnheiten befragt. Beim Ankreuzen der Fragen gaben zwar 71 Prozent an, am liebsten literarische Texte zu lesen, aber 54 Prozent tun dies weniger als eine halbe Stunde am Tag.
Ein Drittel liest eine Stunde, aber nur, wenn man das Schmökern in Zeitschriften mitzählt. An der Spitze der Rangliste von Lieblingsautoren tauchen zwar pflichtgemäß Brecht, Hesse und Kafka auf, aber eine Nachfrage ließ die wahre Vorliebe für Trivialautoren wie Gordon, Lind und King erkennen. Erschreckend findet Eicher, daß die Studenten nach der Lektüre oft nicht wiedergeben können, was sie gelesen haben. Vielen Erstsemestern fehle zudem die Fähigkeit zu analysieren, zu memorieren und zu exzerpieren. Bis 1998 hat Eicher jetzt Zeit, in einem Modellprojekt Methoden zu entwickeln, die den Studenten Bücher wieder zugänglich machen sollen. Am Ende des ersten Semesters, das demnächst abgeschlossen ist, sollen sie gelernt haben, zwischen erdichteten Texten (etwa Romanen) und der gedruckten Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse (Reportagen) zu unterscheiden.
Thomas Eicher