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Menschen auf Bestellung

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Menschen auf Bestellung
Dolly ist bald nicht mehr allein: Japanische Forscher haben Rinder geklont, die Kälber sollen demnächst zur Welt kommen. Ein amerikanischer Mediziner will ähnliche Experimente nun auch bei Menschen probieren.

Natürlich werden wir Menschen klonen“ überschrieb bild der wissenschaft im vergangenen Jahr seinen Beitrag zur Debatte um das Schaf Dolly. Was damals nur laut gedacht wurde, scheint nun Wirklichkeit zu werden: Dem US-Physiker Richard Seed haben sich vier Paare zur Verfügung gestellt, denen er in Kürze mittels ungeschlechtlicher Zellreproduktion zum ersehnten Nachwuchs verhelfen will. Seed mag ein geldgieriger Bankrotteur oder auch ein nach Publizität drängender Hasardeur sein – doch das Thema ist so leicht nicht aus der Welt zu schaffen. Und das ist gut so, denn Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit müssen dazu Stellung nehmen – damit dem Gedanken nicht die Tat folgt.

Die Hoffnung vieler Klon-Gegner, der schottische Forscher Ian Wilmut vom Roslin-Institut habe das Schaf Dolly gar nicht aus einer Körperzelle reproduziert, hat sich allem Anschein nach zerschlagen. Mitte Januar meldete ein japanisches Forscherteam, man habe mit der Dolly-Methode Rinder geklont, allerdings sind die Kälber noch nicht geboren. Damit scheint das Dogma der Biologie, wonach die Erweckung eines Lebewesens aus einer ausdifferenzierten Körperzelle unmöglich ist, über den Haufen geworfen.

Schon versuchen die Fortpflanzungsmediziner die Grenzen des Machbaren noch weiter zu ziehen: Neal L. First von der Universität Wisconsin in Madison hat versucht, Zellkerne von Schweinen, Schafen, Ratten und Affen in die entkernten Eizellen von Kühen zu verpflanzen und von Leihmuttertieren austragen zu lassen – bisher jedoch ohne Erfolg. Immerhin beobachteten die Forscher, daß viele Gene, die in den verwendeten Hautzellen bereits stillgelegt waren, in der fremden Eizelle wieder aktiviert wurden. Mit dieser Methode wäre es möglich, aus Körperzellen geklonte Nachkommen hochwertiger Zuchtrassen oder vom Aussterben bedrohter Arten von Müttern einer ganz anderen Art austragen zu lassen.

„Um den Menschen gottgleich zu machen, muß es das ewige Leben geben.“ Mit seinem Vorhaben, Menschen zu klonen, gilt Richard Seed in der Wissenschaft als Außenseiter. Doch wie lange noch?

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Ian Wilmut hat anderes im Sinn: Er will schon bald genmanipulierte Kühe und Schafe klonen, die mit ihrer Milch pharmazeutische Wirkstoffe liefern. Genetisch identisch vervielfältigte Schweine könnten eines Tages den Mangel an menschlichen Organen beseitigen, hieß es auf einer Tagung der International Embryo Transfer Society, die im Januar in Boston stattfand. Der Markt scheint zu boomen: Immer mehr Firmen wollen in das Geschäft mit den geklonten Tieren einsteigen.

Folgt auf das Tier deshalb gleich der Mensch? Derzeit sind dies bestenfalls Hirngespinste. Kein Wunder, daß Richard Seed die Anhänger eines obskuren Ufo-Kultes in seinen Bann gezogen hat. Sie werben bereits mit einer Liste von solventen Klon-Willigen und nehmen Bestellungen an. Was spricht eigentlich für oder gegen das Klonen von Menschen? Unfruchtbare und Homosexuelle könnten so zu einem Kind kommen, lautet das häufigste Pro-Argument, selbstbestimmte Fortpflanzung ein anderes.

Die Gegner, darunter der amerikanische Genforscher Robert Foote von der Cornell Universität, befürchten, daß genetische Defekte – zum Beispiel als Folge von Alkohol- oder Nikotinsucht – vom Spender auf den Klon übertragen würden. Der Klon hätte dann von vornherein ein höheres Krebsrisiko.

Oft ist auch von der Verletzung der Menschenwürde die Rede. Doch welche Würde wird beim Klonen verletzt? Die des Zellspenders sicher nicht, und die des Arztes auch nicht, gehen doch beide einen freien Vertrag ein. Und die Würde des Klons? Kann eine Verletzung der Würde eines Menschen aus der Art seiner Entstehung abgeleitet werden, sind zwei verschmolzene Genome würdiger als ein vervielfältigtes Genom?

Die Frage ist auch, ob Klonen aus Körperzellen schon alleine deshalb abgelehnt werden kann, weil es wider die menschliche Natur ist. Inwieweit taugt Natur – jenseits der Darwinschen Regeln von Mutation und Selektion – überhaupt als moralische Grundlage?

Die zentraleuropäische Moral hat auch im Kantschen Imperativ ein starkes Fundament. Ein Mensch darf demnach nicht ausschließlich als Mittel zum Zweck gemacht werden. Wird aber ein Klon mehr zum Zweck gemacht als andere Kinder? Denn auch bei der natürlichen Vermehrung werden Erben gesucht, Ehen gekittet und Unsterblichkeitsphantasien befriedigt.

Auf diese Fragen wird es wohl immer unterschiedliche Antworten geben – je nach Weltanschauung und kultureller Prägung des Betrachters.

Und schließlich: Die Technisierung von Lebensprozessen und die Selektion von Lebewesen schlägt selbstverständlich zurück auf das kollektive Bewußtsein und auf die Mentalität einer Gesellschaft. Klonen alleine und erst recht in Verbindung mit Genmanipulation würde die Gesellschaft drastisch verändern.

Doch vor Illusionen sei gewarnt. Es ist unwahrscheinlich, daß das Klonen von Menschen global und für alle Zeiten verhindert werden kann. Auch das gerade von einigen Ländern unterzeichnete Klon-Protokoll zur Bioethik-Konvention des Europarates weist Lücken auf.

„Unsere nationalen Vorschriften und Regelungen sind schärfer“, bemängelt etwa die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Leni Fischer, CDU. Doch was nützen diese Vorschriften? Irgendwann und irgendwo auf der Welt gibt es gewiß Länder, die Forscher, aus welchen Gründen auch immer, zum Klonen ermuntern.

Michael Emmrich

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