Bakterien gibt es immer und überall – in heißen Quellen genauso wie in dünner Höhenluft. Manche lieben sogar Gifte oder Sprengstoffe. Nur an einem Ort der Erde hatten die Forscher die Liebhaber der Extreme, die „extremophilen“ Bakterien, bisher nicht vermutet: mitten im meterdicken Eis der Antarktis. Die Wissenschaftler waren überzeugt, daß in dieser kältesten und trockensten Gegend der Erde überhaupt kein Leben möglich sei.
Doch jetzt fanden Forscher von der Montana State University gleich ein ganzes Ökosystem etwa zwei Meter unter der Oberfläche des permanent zugefrorenen Lake Bonney in den arktischen McMurdo Dry Valley. „Es ist der wohl unwirtlichste Ort auf diesem Planeten“, sagte John Priscu, Biologe und einer der Entdecker des bakteriellen Gewimmels. Daß die Bakterien sogar noch mitten im Eis die Energie der Sonne nutzen können, haben sie Gesteinsbrocken zu verdanken, die dort eingefroren sind. Weil das dunkle Gestein auch durch das dicke Eis hindurch Sonnenlicht absorbieren kann, erwärmt es seine Umgebung – und obwohl die Temperatur zu keiner Zeit ein Grad Celsius übersteigt, entstehen zumindest an 180 Tagen im Jahr kleine Bläschen mit flüssigem Wasser. An den übrigen Tagen reicht die Kraft der Sonne für die wäßrigen Oasen nicht aus. Dann halten die Mikroben vermutlich Winterschlaf.
Viele der kleinen Extremisten nutzen das Sonnenlicht zur Photosynthese, also zum Gewinnen von Energie durch die Umwandlung von Wasser und Kohlendioxid in organischen Verbindungen. Andere können Stickstoff fixieren, und für eine weitere Gruppe ist organisches Material die Lebensgrundlage.
Doch ein wirklich sattes Leben führen die Bakterien unter solch widrigen Umständen nicht. „Sie halten es dort gerade mal so aus“, meint John Priscu. Denn obwohl die Mikroben hart im Nehmen sind, wachsen viele von ihnen doch bei wärmeren Temperaturen erheblich besser als im antarktischen Eis, in das es sie aus ungeklärten Gründen verschlug.
Das Leben in der Mikroben-Oase ist höchst unsicher. Bereits ein winziger Temperaturabfall kann den Bakterien den Garaus machen, weil er ihnen das letzte bißchen Energie entziehen würde, vermuten die Wissenschaftler. Doch auch eine Temperaturerhöhung um wenige hunderstel bis tausendstel Grad wäre kaum günstiger für die Überlebenskünstler: Dann könnten die Gesteinsbrocken im Eis weiter in die Tiefe sinken, wo sie vom Sonnenlicht nicht mehr ausreichend erwärmt würden.
Christina Berndt