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Mit dem Auto bequem in die Zukunft

Allgemein

Mit dem Auto bequem in die Zukunft
Live-Schaltung zum Institut für Ergonomie in München:Wäre ein Steuerknüppel im Auto komfortabler und sicherer als das Lenkrad? Eine der Fragen bei „Wissenschaft live“ im Deutschen Museum Bonn.

Sitzen Sie bequem?“ Die Frage vom Moderator Ranga Yogeshwar war nicht bloße Fürsorglichkeit für die rund 400 Gäste, sondern zielte direkt auf den Kernpunkt des Themas für die Veranstaltung „Wissenschaft live“ am 25. Mai im Deutschen Museum Bonn. Hinter dem Fremdwort „Ergonomie“ verbirgt sich sehr alltagsnahe Forschung – nicht nur das bequeme Sitzen, sondern jeder Kontakt des Menschen mit technischen Geräten. Prof. Heiner Bubb, Ordinarius am Lehrstuhl für Ergonomie an der Technischen Universität München, stand als Experte im Museum den Besuchern Rede und Antwort. Die absolute Mehrheit unter ihnen hatten die Schülerinnen und Schüler der Realschule Hardtberg.

Über eine Video-Konferenzschaltung konnten die Museumsbesucher auch einen Rundgang durch das Institut für Ergonomie in München machen. Prof. Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, und der Ergonom Prof. Heinzpeter Rühmann antworten auf die wißbegierigen Fragen aus Bonn. Einige Schüler melden gleich ihre Wünsche für ein eventuelles Studium in München an: „Ich möchte gern viele Arbeitsobjekte studieren“, meint Onur. Anjoscha will es genau wissen: „Mich interessiert besonders die Chemie. Wie sieht es mit der finanziellen Unterstützung bei Ihnen aus?“ „Lehr- und Lernmittel sind frei, die Studenten brauchen nur Begeisterung für das Fach mitzubringen“, beruhigt ihn der TU-Präsident – und lädt ihn gleich ein: „Besuch uns, du bekommst eine Sonderführung. Und noch ein Tip: Wenn du Chemie stu- dieren willst, studiere Chemie-Ingenieurwesen.“

Prof. Rühmann – unverkennbar der Sohn des großen Schauspielers – führt wieder zum Thema zurück: „Ergonomie ist bei uns Pflichtfach für verschiedene Studienrichtungen. Aus unseren Forschungen entspringen jedoch auch eigenständige neue Dinge, zum Beispiel der Munich-Space-Chair.“ Prof. Bubb im Bonner Museum führt diesen „Weltall-Stuhl“ vor, entwickelt für Arbeiten in der Schwerelosigkeit. Thomas Reiter hat ihn bereits in der Mir-Station benutzt. Im All geht es nicht darum zu sitzen, sondern einen festen Halt in der Schwerelosigkeit zu haben, um zu arbeiten zu schreiben, zu experimentieren. „Ich sitze aber gern so lässig wie möglich“, protestiert Max. „Ergonomisch gesehen: ganz schlimm“, belehrt ihn Bubb, setzt ihn auf einen modernen Bürostuhl und korrigiert seine Haltung: „So im Stuhl zu liegen wie du jetzt, ist die schwerste Sünde: Der Rükken ist nicht gestützt, das gibt später Bandscheibenschäden. Du brauchst eine dynamische Rückenstütze, die immer, auch beim Zurücklehnen, Druck ausübt.“

Die Forscher arbeiten mit Modellmenschen, um optimale Stühle – sei es für den Weltraum, sei es für Autos – zu entwickeln. Ihr Modell heißt Ramsis, entwickelt im Auftrag der deutschen Automobilindustrie. Man kann ihm beliebige Maße geben. In demokratischer Abstimmung wählen die Schüler in Bonn ihren Ramsis: Er soll weiblich, schlank, sehr groß und ein langbeiniger Sitzzwerg sein. Sie geben diese Wünsche nach München durch – und im Nu erscheint die gewünschte Dame auf dem Bildschirm, für die man nun die Sitze optimieren könnte. „Und wozu das Ganze?“ will Anjoscha wissen. „Es geht“, antwortet Bubb, „um das Studium der Bewegungsfreiheit, der Haltung, der Erreichbarkeit der Bedieninstrumente im Auto.“

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Fragen zum Thema Auto hatten auch Leser von bild der wissenschaft eingesandt, zum Beispiel Verena Vogt aus Coburg: „Überlegungen zu ergonomischen Verbesserungen gibt es immer nur fürs Auto, um es attraktiver zu machen. Ist eigentlich auch mal an die Fahrgäste in Bus, Straßenbahn und Eisenbahn gedacht?“ – „Da sollte man natürlich auch etwas tun“, antwortet Bubb, nachdem bdw-Redakteur Wolfram Knapp die Frage vorgelesen hat. Heike Rebholz befragt in München den Ergonomen Prof. Heinzpeter Rühmann (links) – Sohn des berühmten Schauspielers – zum Münchner Weltraum-Stuhl. Prof. Heiner Bubb (Mitte, rechts) im Gespräch mit bdw- Redakteur Wolfram Knapp: Warum sollen nur Autofahrer bequem sitzen, was ist mit Bahn- und Busreisenden? Der Computer zeichnet die von den Schülern im Museum entworfene Modell- dame (rechts). „Andererseits hat es der Fahrgast etwa im Zug ohnehin besser: Er kann während der Fahrt aufstehen und spazierengehen. Dazu kommt noch ein Argument: Die Automobilindustrie investiert viel Geld in diese Forschungen.“ Ein weiteres Forschungsobjekt: das Head-Up-Display. Bubb erklärt: „Beim Blick nach vorn sieht man von unten in die Windschutzscheibe eingespiegelte wichtige Informationen, zum Beispiel die Geschwindigkeit und einen grauen Balken auf der Straße an der Stelle, die man nach einer Schrecksekunde erreicht. Im Flugzeug ist es heute schon üblich, den künstlichen Horizont einzuspiegeln, den der Pilot so immer im Blick hat. Für das Auto testen wir diese Methode im Fahrsimulator.“ Das macht nun die Schülerin Olga in München. Ergonom Dr. Manfred Schweigert steht neben der durch die Landschaft rasenden Olga: „Mit den Abstandsbalken im Head-Up-Display wurde das Fahrverhalten deutlich verbessert.“ Nur nicht bei Olga, die mit 180 km/h durch die Ortschaften braust. Nächste Woche will sie ihre Führerscheinprüfung machen… Wolfgang setzt sich in den Fahrsimulator ohne Lenkrad, um mit der Steuerung per Knüppel zu fahren. „Das Ding reagiert viel schneller als mit dem Lenkrad.“ Woher weiß er das nur? Fahrstunden hatte er noch nicht. „Wahnsinn, wie schnell das Ding …“ den Rest des Satzes verschluckt ein Krachen. Den entgegenkommenden roten Wagen hatte er zu spät gemerkt – Frontalzusammenstoß bei Tempo 120. Lächelnd steigt Wolfgang aus dem Simulator.

Wolfram Knapp

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