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Mondschein über Jupiter

Allgemein

Mondschein über Jupiter
Landschaftsbilder einer fernen Trabantenwelt. Die von der Raumsonde Galileo zur Erde gefunkten Fotos von Jupiter und seinen vier großen Monden zeigen bizarre Oberflächen mit Eiswüsten und exotischen Formen von Vulkanismus.

In dem Schauspiel “Die Erkundung der Jupitermonde” läuft zur Zeit der dritte Akt. Der erste begann im Januar 1610, als Galileo Galilei als erster Forscher ein Fernrohr zum Himmel richtete und dabei vier Pünktchen neben dem Jupiter entdeckte: Es war also kein Privileg der Erde, einen Mond zu haben, auch um andere Planeten kreisen Monde. Das war für Galilei ein “ausgezeichnetes und durchschlagendes Argument” für das Kopernikanische Weltsystem.

Nach 370 Jahren Pause folgte 1979 der zweite Akt: Die Voyager-Sonden flogen am Jupiter vorbei und übermittelten die ersten Nahaufnahmen von den vier Galileischen Monden. Wo die Astronomen vorher nur unscheinbare Lichtpunkte gesehen hatten, entfalteten sich nun bizarre Landschaften.

Der letzte Akt ließ nicht lange auf sich warten: Am 7. Dezember 1995 erreichte die Raumsonde Galileo nach sechsjähriger Reise durch unser Planetensystem ihr Ziel, den Gasriesen Jupiter. Jetzt kreuzt sie durch das Mondsystem und erforscht diese fremdartigen Welten. Galileos Umlaufbahn wird dabei mehrfach geändert, so daß die Sonde bis Ende dieses Jahres mehrere Male dicht an den Monden in unterschiedlichen Abständen vorbeifliegt.

Galileo wurde von der NASA entworfen und gebaut. 18 Meßgeräte stammen jedoch aus deutschen Instituten, an weiteren Meßgeräten sind deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt. Insbesondere wirkt das Institut für Planetenerkundung der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt, DLR, als einzige Institution außerhalb der USA an der Auswertung der Bilder mit.

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Offiziell soll die Mission im November dieses Jahres beendet sein. Da jedoch alle Systeme an Bord unerwartet gut arbeiten, stehen die Chancen für eine Verlängerung um weitere zwei Jahre gut. Die Planetenforscher hoffen darauf, vor allem, weil sie erst in dieser Verlängerungsphase den Mond Io aus der Nähe beobachten könnten, von dem es bisher nur Bilder aus Entfernungen von 250000 Kilometern und mehr gibt. Sollte Galileo bis Ende 1999 arbeiten, erwarten die Forscher insgesamt rund 3000 Bilder von Jupiter und seinen Monden.

Io ist der kleinste unter den vier großen Monden, die Galilei entdeckt hatte – mit einem Durchmesser von 3640 Kilometern etwas größer als der Erdmond. Er ist zugleich der vulkanisch aktivste Körper im ganzen Sonnensystem. Von den anderen Monden unterscheidet er sich durch seine gelblich-rote Oberfläche, auf der sich kein einziger Meteoritenkrater findet.

Das ist nur möglich, wenn sich seine Oberfläche ständig “erneuert”, wodurch jegliche Spur von Einschlägen eingeebnet wird. Auf der Erde “heilen” vor allem Verwitterung und Vegetation solche kosmischen Narben. Auf Io ist es der Vulkanismus.

Bereits die Voyager-Sonden konnten zwei große vulkanische Zentren ausmachen, die “Loki” und “Pele” genannt wurden. Bei gewaltigen Vulkanausbrüchen steigen Aschewolken bis in eine Höhe von 300 Kilometern, die Asche regnet in einem Umkreis von 700 Kilometern um den Vulkan herab. Auch dunkle Lavazungen wurden entdeckt, die sich mehrere hundert Kilometer weit ergossen.

Im Juni vergangenen Jahres hatten die Galileo-Wissenschaftler besonderes Glück: Am Rand des Mondes erschien die Ausbruchswolke des Vulkans Ra Patera. Bei Vergleichen der alten Voyager-Bilder mit den neuen von Galileo konnten die Forscher einige Veränderungen auf der Oberfläche ausmachen. Außerdem nahm die Infrarotkamera rund ein halbes Dutzend heller Flecken auf, als Io sich in Jupiters Schatten befand: 300 bis 400 Grad Celsius heiße Eruptionsgebiete, die im Dunkeln leuchten.

Bei dem schwarzen und roten Material auf den Aufnahmen von Io handelt es sich wahrscheinlich um reinen Schwefel aus relativ frischen Vulkanergüssen. Weiß erscheint hingegen Eis oder Schnee aus Schwefeldioxid. Ios Oberfläche ist demnach vollständig von einem Gemisch aus Schwefel und seinen Verbindungen überzogen.

Die Experten schätzen, daß die Oberfläche innerhalb von einigen Dutzend Millionen Jahren durch ständige Vulkaneruptionen vollständig erneuert wird. Das könnte auch erklären, warum es keine Meteoritenkrater gibt.

Als magmatisches Reservoir vermuten die Planetologen verschiedene Schichten aus festem und flüssigem Schwefel und Schwefelverbindungen. Dieses Material erhitzt sich und dringt durch Risse nach oben. Schließlich tritt es als zähflüssige Lava aus oder schießt als Gas explosionsartig hervor.

Interessant ist die Wärmequelle, die den Vulkanismus antreibt. Io unterliegt auf seiner Bahn den Einflüssen der Schwerefelder von Jupiter und den Nachbarmonden Europa und Ganymed. Diese zerren an Io in unterschiedlichen Richtungen. Das Innere des Mondes wird dadurch wie ein Teig geknetet und erwärmt sich – ähnlich wie ein Metalldraht, den man hin und her biegt. Der hierbei entstehende Wärmefluß ist an der Oberfläche mit ein bis zwei Watt pro Quadratmeter über zehnmal größer als bei der Erde – und speist den wohl ungewöhnlichsten Vulkanismus im Sonnensystem.

Ganz anders als Io präsentiert sich Europa. Auf ihm entdeckte 1995 das Hubble-Weltraumteleskop überraschend eine äußerst dünne sauerstoffhaltige Atmosphäre. Der Druck beträgt an der Oberfläche zwar nur eine hundertmilliardstel Atmosphäre. Interessant ist jedoch ihre vermutliche Entstehung: Der energiereiche UV-Anteil des Sonnenlichts spaltet an der Oberfläche Wassermoleküle (H2O). Während sich der leichte Wasserstoff (H) in den Weltraum verflüchtigt, bleibt der Sauerstoff (O) zurück und sammelt sich in der Atmosphäre an.

Jüngst gelang auch der Nachweis einer ähnlich dünnen Sauerstoff-Atmosphäre auf dem Nachbarmond Ganymed. An Leben ist indes auf diesen beiden Himmelskörpern kaum zu denken – dafür ist die Atmosphäre zu dünn und die Temperatur um minus 130 Grad Celsius zu frostig.

Einige verwegene Forscher haben jedoch die Hoffnung nicht aufgegeben und spekulieren – seit den Nahaufnahmen von Voyager – über die Möglichkeit von Leben im Untergrund. Europa besteht nämlich zu einem Großteil aus Wasser. Vermutlich ist der Mond von einer kilometerdicken Eisschicht bedeckt, unter der sich ein matschartiges Schnee-Stein-Gemisch und ein mächtiger Wasserozean ausdehnen.

Unterstützt wird dieses Mondmodell nun von den Galileo-Bildern. Sie zeigen eine von langen Gräben und Brüchen durchzogene Eiswüste, wobei ältere Bruchlinien von jüngeren durchkreuzt werden – ähnlich wie bei Schispuren auf der Piste: Aus der Unversehrtheit der Spuren an den Kreuzungspunkten kann man leicht entschlüsseln, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Fahrer den Hang hinabfuhren. Da Europa nicht viele Einschlagskrater besitzt, muß der Mond bis in die jüngste Zeit Eisverschiebungen durchgemacht haben. Einige Forscher haben manche seiner Oberflächengebilde mit Packeis verglichen.

Auf den Galileo-Aufnahmen erkennt man 10 bis 20 Kilometer breite Gräben, die aussehen wie Autobahnen. Im Mittelteil verläuft eine dunkle Linie und parallel dazu links und rechts jeweils ein heller Streifen. Die Forscher nennen diese Gräben “Triple Bands”, Dreifachbänder. Diese Bänder haben vermutlich eine tektonische Ursache: Durch Verschiebung des Eises bricht eine Spalte auf, aus der Wassermatsch hervorquillt oder ein Gemisch aus Gas, Gestein und Eis herausschießt. Vielleicht – so eine Hypothese – wird im Laufe einer solchen Eruption immer reineres Eis gefördert, das sich links und rechts der Spalte als weiße Schicht ablagert. Dies könnte die dunklen und hellen Streifen der Triple Bands erklären.

Die Energie für die Eistektonik muß aus dem Mondinnern kommen, wie bei Io. Auch hier – so die Vermutung – erzeugen Jupiter und die Nachbarmonde die Wärme durch Gezeitenreibung. Im Laufe des Jahres wird Galileo Europa noch dreimal überfliegen. Vielleicht bringen die neuen Daten Gewißheit über diese exotischen Vorgänge.

Der dritte Galilei-Mond, Ganymed, ist der größte im ganzen Planetensystem. Er übertrifft mit einem Durchmesser von 5270 Kilometern sogar noch die Planeten Merkur und Pluto.

Ganymed besitzt wie Europa einen dicken Eispanzer, unter dem ein flüssiges Gemisch aus Wasser und Eis schwimmt. Doch die Planetologen schätzen, daß er – anders als Io und Europa – seit etwa drei Milliarden Jahren nicht mehr aktiv ist. Dafür spricht seine stark mit Meteoritenkratern übersäte Oberfläche.

In seiner Jugend muß Ganymed starke Verschiebungen der Eiskruste erlebt haben. Die Aufnahmen zeigen lange Gräben, die zu verschiedenen Zeiten entstanden sind. Wie auf Europa kann man auch auf Ganymed ältere von jüngeren Gräben unterscheiden.

Das Bild eines inaktiven Ganymed geriet allerdings kürzlich ins Wanken, als Galileo ein Magnetfeld um Ganymed entdeckte, das an der Oberfläche des Mondes immerhin etwa ein Zehntel der Stärke des Erdfeldes hat. Die Fachleute vermuten, daß Ganymeds innerer Aufbau dem der Erde ähnelt. Vermutlich besitzt auch der Jupitermond im Zentrum einen festen Eisenkern. Und auch dieser könnte von einem flüssigen Eisenkern umgeben sein, in dem die Materie in ständiger Bewegung ist. Hier soll das Magnetfeld entstehen – so lautet jedenfalls die Theorie.

Schwierigkeiten macht bei diesem Modell jedoch, daß der feste zentrale Kern Wärme produzieren muß, um das darüber befindliche flüssige Eisen in Bewegung zu halten. Das ist vergleichbar mit einer heißen Herdplatte, die Wasser in einem Kessel in Bewegung setzt. Doch woher kommt bei Ganymed diese Wärme?

Die heutige Umlaufbahn um Jupiter schließt eine Gezeitenreibung wie bei Io und Europa vermutlich aus. Restwärme aus der Entstehungsphase oder Wärme aus dem Zerfall radioaktiver Elemente kommt auch nicht in Frage, da Ganymed dafür zu klein ist.

Zwei amerikanische Theoretiker haben jedoch kürzlich herausgefunden, daß Ganymed möglicherweise nicht immer auf der heutigen Bahn den Planeten umkreist hat. Die Schwerkraft der Nachbarmonde könnte bewirkt haben, daß Ganymed vor rund einer Milliarde Jahren zeitweilig auf eine elliptische Bahn geriet, auf der er starken Gezeitenkräften ausgesetzt war, die ihn aufheizten. Dann hätte sich in dieser Phase sein innerer Kern so stark erwärmen können, daß er bis heute nachglüht und den Magnetfeld-Dynamo in Gang hält.

Der äußerste der vier Galileischen Monde, Kallisto, ist seit langem gänzlich inaktiv und deshalb mit Kratern übersät. Das größte Einschlagsgebiet, Walhalla, hat einen Durchmesser von 2000 Kilometern. Es gibt keine größeren Erhebungen auf Kallisto, was darauf hindeutet, daß die äußere Eiskruste bei der Entstehung des Mondes schon dicht unter der Oberfläche flüssig war. Allerdings haben die Forscher bislang keinerlei Anzeichen dafür gefunden, daß irgendwann einmal Wasser oder Eismatsch an die Oberfläche gequollen ist.

Zahlreiche Kraterhänge wirken auf den Galileo-Aufnahmen ungewöhnlich hell. Man vermutet, daß es sich hierbei um reines Eis handelt, das an den Hängen herabgerutscht ist und kleine Krater zugeschüttet hat.

Bislang scheint Kallisto weniger aufregend zu sein als Ganymed, Europa oder gar Io. In diesem Jahr wird Galileo Kallisto noch dreimal besuchen – im Juni und September so nah, wie die Space Shuttles über die Erde fliegen. Vielleicht erleben wir dann noch ein paar Überraschungen.

Thomas Bührke

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