Was hatte nur zum Verlust des tierischen Promis geführt? Nach Knuts Tod gingen Experten dieser Frage durch eine Autopsie nach. Die Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) kamen damals zu dem Ergebnis: Eine Hirnentzündung hatte die epileptischen Anfälle ausgelöst. Sie könnte durch eine Infektion verursacht worden sein, vermuteten damals die Experten – doch die genaue Ursache der Erkrankung blieb rätselhaft.
Neurowissenschaftler wurden aufmerksam
Als Harald Prüß vom Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) von diesem Befund erfuhr, entdeckte er im Autopsiebericht Parallelen zu eigenen Studienergebnissen bei menschlichen Hirnerkrankungen, die durch Autoimmunreaktionen hervorgerufen werden. Er und sein Team setzten sich deshalb mit den Experten des IZW in Verbindung, um dieser Spur gemeinsam nachzugehen. Bei ihren Untersuchungen konnten die Forscher auf archivierte Proben vom Gehirn des Eisbären zurückgreifen.
Die Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis: Knut war an „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ erkrankt. „Diese Autoimmunerkrankung war bislang nur von Menschen bekannt. Das Abwehrsystem des Körpers schießt dabei gewissermaßen über das Ziel hinaus: Es werden Antikörper freigesetzt, die die eigenen Nervenzellen schädigen, statt Krankheitserreger zu bekämpfen“, erklärt Prüß. „Zu den möglichen Symptomen zählen epileptische Anfälle, Halluzinationen und Demenz.“
IZW-Forscher Alex Greenwood kommentiert das Ergebnis: „Wir sind erleichtert, das Rätsel um Knuts Erkrankung endlich gelöst zu haben. Zumal diese Erkenntnisse praktische Bedeutung haben könnten. Denn beim Menschen ist diese Erkrankung therapierbar. Wenn es gelingt, diese Therapien zu übertragen, könnten wir bei Zootieren möglicherweise Hirnentzündungen erfolgreich behandeln und Todesfälle vermeiden“, so Greenwood.
Fingerzeig für die Situation beim Menschen
Den Forschern zufolge betont das Ergebnis allerdings auch die Bedeutung von Autoimmunerkrankungen des Nervensystems beim Menschen: „Möglicherweise sind sie bei Säugetieren weiter verbreitet als bisher angenommen. Daher halte ich es für sinnvoll, nun auch Patienten auf entsprechende Antikörper verstärkt zu testen, insbesondere dann, wenn die Ursache einer Demenz unklar ist“, so Greenwood.
Prüß zufolge gibt es bei den neurologischen Autoimmunerkrankungen auch noch einigen Forschungsbedarf: „Neben der Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis gibt es weitere Hirnerkrankungen, für die fehlgeleitete Antikörper ebenfalls von Bedeutung sind“, betont der Neurowissenschaftler.
Originalveröffentlichung: SCIENTIFIC REPORTS, doi: 10.1038/srep12805