Elektronenmikroskope haben den Forschern in den letzten Jahrzehnten den Blick auf viele Teile des Mikrokosmos eröffnet, die ihnen zuvor verborgen waren. Doch bislang war es immer noch äußerst schwierig, Phänomene direkt zu beobachten, die in einer Flüssigkeit ablaufen. Denn Wasser oder Zellplasma vertragen sich nicht mit den Bedingungen im Inneren eines Transmissions-Elektronenmikroskops: Dort herrscht ein extremes Vakuum, das nötig ist, um die Elektronen durch eine elektrische Hochspannung zu beschleunigen. Mit anderen Arten von Mikroskopen, beispielsweise mit einem Rasterkraftmikroskop, lassen sich zwar Vorgänge in Flüssigkeiten abbilden – um Videofilme aus der Mikrowelt zu drehen, arbeiten diese Geräte jedoch zu langsam.
Abhilfe verspricht nun eine neuartige Technik, die Forscher von IBM entwickelt haben. Indem sie eine dünne Flüssigkeitsschicht zwischen zwei extrem feinen, für Elektronen durchlässigen Plättchen einschlossen, gelang es ihnen, ein herkömmliches Elektronenmikroskop für das Filmen von Reaktionen in der Lösung fit zu machen: Der Elektronenstrahl durchdringt das „Fenster“ und die Flüssigkeit, bevor er sich ein Bild von der darin enthaltenen Substanz macht. Auf diese Weise lassen sich pro Sekunde rund 30 Abbildungen mit einer Auflösung von etwa fünf Nanometern (Millionstel Millimetern) erzeugen.
Die Einsatztauglichkeit der neuen Technik belegten die IBM-Forscher mit der Untersuchung von winzigen Kupfer-Nanopartikeln, die sich in einer galvanischen Lösung auf mikroelektronischen Schaltkreisen niederschlagen. Ein detailliertes Verständnis dieser Prozesse soll es erlauben, künftig noch kleinere elektronische Strukturen als bisher herzustellen. Die Methode eignet sich aber auch für andere Untersuchungen: beispielsweise für die Beobachtung der Lade- und Entladevorgänge in einem Akku oder für die Analyse der Korrosion von Stahl unter Wasser.
Hans Groth