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Neuer Schub für schwache Herzen

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Neuer Schub für schwache Herzen
Ärzte entwickeln Alternativen zur Herztransplantation. Synchronisierte Stromstöße, ein Plastiknetz oder ein künstliches Organ helfen, wenn der Pumpmuskel ständig an Kraft verliert.

Nach vier Jahren Laufzeit brachen die Ärzte eine europaweite klinische Studie über chronische Herzschwäche vorzeitig ab. Denn es stand schon fest, daß eine von ihnen erprobte neue Elektrotherapie das Leben von Menschen mit schwerer Herzmuskelschwäche deutlich verlängern kann. Die Kardiologen hatten die Leistung des schwächer werdenden Pumpmuskels bei ihren Patienten mit minimalen Stromstößen aus einer eingepflanzten Batterie um durchschnittlich mehr als 20 Prozent gesteigert. „Viele Patienten standen bereits auf einer Warteliste für die Herztransplantation“, sagt Angelo Auricchio vom Universitätsklinikum Magdeburg, leitender Koordinator der Untersuchungen. Bei Herzmuskelschwäche – im Fachjargon Herzinsuffizienz – läßt die Pumpleistung beständig nach und das Herz kann bis auf Fußballgröße ausleiern. Die Krankheit hat eine extrem schlechte Prognose: Arzneimittel, meist eine Mischung aus Digitalis, sogenannten ACE-Hemmern und entwässernden Mitteln, verlängern das Leben oft nur um Monate. Zwei von drei Patienten sterben innerhalb von zwei Jahren. In Deutschland leiden nach Expertenschätzungen rund 1,4 Millionen Menschen an fortschreitender Herzinsuffizienz. Die Beschwerden treten meist nach einem Herzinfarkt oder bei Verkalkung der Herzkranzgefäße auf. Das geschwächte Organ gerät in einen tödlichen Kreislauf: Es reagiert auf die Schwächung mit Größenwachstum, was seine Kraft schließlich vollends verbraucht. Der aufgeblähte Herzmuskel kann das Blut nicht mehr richtig durch den Körper pumpen.

Wenn Medikamente die Erkrankung nicht lindern können, sind die Ärzte häufig hilflos. Denn für die Transplantationen gibt es nicht genügend Spenderherzen. Zwar wurden in Deutschland 1998 über 500 Fremdherzen verpflanzt. Doch 12000 bis 15000 potentielle Empfänger warten vergebens auf ein Ersatzorgan. Für viele Herzkranke kommt das einem Todesurteil gleich. Mit der Magdeburger Methode kann Patienten geholfen werden, bei denen die beiden Hauptkammern nicht mehr synchron schlagen. Kardiologe Auricchio schätzt, daß dazu immerhin 30 bis 40 Prozent aller Menschen gehören, die an Herzschwäche leiden. Durch eine punktgenaue Plazierung und präzise Programmierung der stimulierenden Elektroden des Resynchronisations-Geräts, einer Kombination zweier herkömmlicher Schrittmacher, werden beide Hauptkammern fortwährend angeregt, sich gleichzeitig zusammenzuziehen. „Die Folge sind Leistungssteigerungen, eine bessere Lebensqualität sowie weniger Krankenhausaufenthalte“, sagt Auricchio. Von den 42 beobachteten Patienten starben in den letzten vier Jahren nur zwei. An der Berliner Charité setzt Wolfgang Konertz, Direktor der Herzklinik, auf eine andere Methode, um Patienten mit Herzschwäche zu helfen. Er legt das krankhaft vergrößerte Herz in einer mehrstündigen Operation in ein Netz aus Polyester, um ein weiteres Aufblähen zu verhindern. „Dabei wird das Kunststoffgeflecht jedem Herzen individuell angepaßt – beispielsweise durch Abnäher“, sagt der Berliner Chirurg. Konertz heftet das Herz-Korsett mit einer Naht ans Herz, wo es mit dem Muskel verwächst und ein Leben lang verbleibt. Das Geflecht kostet rund 6000 Mark und ist damit vergleichsweise billig – eine Herztransplantation kommt auf 100000 Mark. Inzwischen hat Konertz auf diese Weise acht Patienten operiert. Menschen mit besonders schwerer Herzschwäche behandelt Konertz anders: Er schneidet einen Teil der Herzwand aus der besonders betroffenen, übergroßen linken Herzkammer weg. Bis zu 120 Gramm schwere Muskelstücke werden entfernt und die Wundränder anschließend vernäht. Als erster setzte diese Technik vor einigen Jahren der südamerikanische Herzspezialist José Batista Randos ein. Herzchirurg Konertz hat das Verfahren verfeinert. „Wir wählen das Segment, das wir herausschneiden, so, daß die Geometrie des Herzens – das Verhältnis von Länge zu Breite – weitgehend wiederhergestellt wird und, wo immer möglich, die eigene Herzklappe samt Halteapparat erhalten bleibt“, sagt er.

Denn die Muskelfäden der Klappenhalterung, die verhindern, daß die Klappensegel in den Vorhof umschlagen, geben dem Herzen seine typische Form. Ohne die Muskelhalterung wird das Herz auf Dauer zu einer Kugel und kann seine Aufgabe nicht mehr erfüllen. Mit der verbesserten Batista-Technik hat Konertz inzwischen 75 Herzkranke behandelt, bei einem der Patienten hat er sie mit seiner Netz-Methode kombiniert. Von den Operierten überlebten 42 die Zweijahresfrist. 30 von ihnen standen bereits auf der Warteliste für ein Austauschherz. Zu einer anderen Therapie greift Herzchirurg Norbert Guldner von der Medizinischen Universität Lübeck: Er möchte die angegriffenen Herzen in Urlaub schicken. Guldner konstruierte ein biomechanisches Organ, das der geschwächten Pumpe Arbeit abnehmen soll. Es besteht aus einem doppelwandigen Plastikbeutel, der mit Metallfedern versteift ist. Der Chirurg will einen Teil des Rückenmuskels um die künstliche Pumpkammer wickeln und diese mit einem zweiten, zusätzlichen Blutkreislauf aus Kunststoffschläuchen verschalten, der vom Aortenbogen abzweigt.

An afrikanischen Buren-Ziegen, die einen besonders breiten Brustkorb und einen starken Rückenmuskel haben, hat der Herzmediziner seine Konstruktion bereits erfolgreich erprobt. Nach der Operation trainierte er das Kunstorgan, das von einem Muskelschrittmacher stimuliert wurde. Dabei verabreichte er den Tieren Clenbuterol, das direkt auf die Nervenrezeptoren des Rückenmuskels wirkt und seine Kontraktionskraft stärkt. Innerhalb von zwei Monaten bauten sich die Muskelfasern um. Aus den schnellen, aber wenig ausdauernden Fasern des Rückenmuskels wurden sich unermüdlich kontrahierende Fasern, wie sie sich sonst nur im Herzmuskel finden. Mit rund zwei Liter Pumpleistung pro Minute entlastete das biomechanische Herz das natürliche. Die nächste Generation von biomechanischen Herzen soll bei Menschen eingepflanzt werden. Dazu müssen sie ein Pumpvolumen von zwei bis drei Litern bewältigen. Zusammen mit dem geschädigten Herzen ließe sich so die Normalleistung erreichen: Das gesunde Herz preßt alle 60 Sekunden die fünf bis sechs Liter Blut des Körpers einmal durch den gesamten Kreislauf. Als Langzeit-Prothese, die nach getaner Arbeit entfernt wird, verschafft sie dem geplagten Herzen Zeit zur Regeneration.

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