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Phoenix aus der Asche

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Phoenix aus der Asche
Viele Sterne verdanken ihr Leben einem Crash im All. Immer wieder stoßen Galaxien zusammen. Dabei werden Staubwolken durcheinandergewirbelt und verdichten sich – ein Chaos, in dem Millionen neuer Sterne entstehen.

Es gab eine große Überraschung, als die Astronomen mit dem Weltraumteleskop IRAS vor etwa 15 Jahren erstmals den gesamten Himmel im Infrarotbereich durchmusterten: Ungewöhnlich helle Galaxien kamen ans Licht – rund 250000 zuvor unbekannte Himmelskörper. Die “neuen” Galaxien strahlen allein im Infraroten bis zu tausendmal mehr Energie ab als normale Galaxien – zum Beispiel unsere eigene Galaxis, die Milchstraße – über das gesamte Spektrum.

Zwei Probleme verhinderten es jahrelang, die wahre Natur dieser Himmelskörper zu enträtseln. Zum einen waren die IRAS-Aufnahmen nicht scharf genug, um ausreichend kleine Strukturen erkennen zu können. Und auf detaillierten Bildern im sichtbaren Bereich verdeckten dichte Staubwolken den Blick auf die Strahlungsquellen. Sicher war nur, daß Staub die Infrarotstrahlung abgab. Offen blieb aber, was ihn zum Leuchten anregte.

Zahlreiche Astronomen meinten damals, daß es sich bei den Infrarotobjekten um Aktive Galaxien und Quasare handeln könnte. In den Zentren solcher Sternsysteme sitzen vermutlich gewaltige Schwarze Löcher. Wie in einem kosmischen Mahlstrom rasen Staub- und Gasmassen um diese Gebilde herum, heizen sich dabei auf und geben Infrarotstrahlung ab.

Allmählich setzte sich jedoch eine andere Erklärung durch, die jetzt der europäische IRAS-Nachfolger ISO (Infrared Satellite Observatory) weitgehend bestätigt hat: Bei der Mehrzahl der leuchtkräftigen Infrarotgalaxien soll es sich um kollidierende und verschmelzende Sternsysteme handeln.

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Was sich bei einem kosmischen Crash im Detail abspielt, können die Astronomen an dem Paradebeispiel, der 63 Millionen Lichtjahre entfernten Antennen-Galaxie im Sternbild Rabe, studieren. Hier durchdringen sich zwei Spiralgalaxien, die sich mit ihren gewaltigen Schwerkräften gegenseitig Gaswolken entreißen, die als riesige bogenförmige Brücken aus ihnen herausragen.

Den Sternen passiert bei solchen Kollisionen im allgemeinen nichts, denn sie sind in ihrer Galaxie äußerst dünn verteilt. Die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei Sternen ist einige zehnmillionenmal größer als ihr Durchmesser. Denkt man sich die Sterne auf die Größe von Tennisbällen verkleinert, so würden nur drei bis vier auf der Fläche Deutschlands Platz finden. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, daß beim gegenseitigen Durchdringen von Galaxien auch zwei Sterne zusammenstoßen, extrem gering.

Doch der Raum zwischen den Sternen ist nicht leer – interstellare Materie wird in der Kollisionszone zusammengedrängt und verdichtet. Überschreitet die Dichte in einer Region einen bestimmten Wert, so wird die Schwerkraft übermächtig und zieht die Wolke immer weiter zusammen. In einigen Gegenden wird die kollabierende Wolke instabil und löst sich in Einzelteile auf, aus denen schließlich neue Sterne entstehen. Es ist die Geburtsstunde hell strahlender Sternhaufen.

In der Antennen-Galaxie hat die Sternentstehung geradezu explosionsartig eingesetzt. In ihrer “Knautschzone” wirbeln riesige Staubwolken chaotisch umher, die sich an vielen Stellen bereits zu großen Sternnestern verdichtet haben. Über 1000 Sternhaufen sind auf Bildern des Weltraumteleskops Hubble zu sehen – die größten bestehen aus mehr als 100000 Sternen. Die massereichsten und leuchtkräftigsten unter ihnen beherrschen das Bild mit ihrer blauen Strahlung. Bei manchen färben Staubwolken einen Teil des Lichts von Sternen dahinter rot. Ein breites Staubband liegt zwischen den beiden Galaxienkernen – hier werden sich künftig weitere Sterne bilden.

Das Schicksal kollidierender Galaxien hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von ihrer Größe und von der relativen Geschwindigkeit. Es kommt häufig vor, daß sich zwei Sternsysteme auf einer immer enger werdenden Spiralbahn umkreisen und schließlich zu einer größeren Galaxie verschmelzen. Besonders gefräßige Exemplare können so auf Kosten von kleineren auf die hundertfache Größe der Milchstraße anwachsen. Diese “Kannibalen” sitzen häufig im Zentrum eines Galaxienhaufens. Immer mehr Beobachtungen sprechen dafür, daß sehr viele – vielleicht sogar alle – elliptischen Galaxien aus verschmelzenden Spiralgalaxien hervorgegangen sind.

Der Vereinigungsprozeß selbst läßt sich freilich nicht direkt beobachten, da er sich über viele hundert Millionen Jahre hinzieht. Immerhin hat man schon ausgewachsene Kannibalen-Systeme beobachtet. So kennen die Astronomen einige Beispiele, in denen sich zwei oder gar drei Kerngebiete von ehemals eigenständigen Systemen im Innern einer neuen großen Galaxie ausmachen lassen.

In mehreren anderen Galaxien fanden sie im Zentralbereich eine aus Sternen und Gas bestehende Spirale, die in entgegengesetzter Richtung zum Rest der Galaxie rotiert – auch dies ein Zeichen für galaktischen Kannibalismus.

Die Antennen-Galaxie zeigt: Intergalaktische Zusammenstöße lösen eine Welle der Sternentstehung aus, wobei die jungen, heißen Sterne die ansonsten sehr kühlen Staubwolken aufheizen und zum Infrarotleuchten anregen. Das war es, was einige Astrophysiker auf die Idee brachte, bei den von IRAS entdeckten extrem hellen Infrarotquellen könne es sich nicht um Aktive Galaxien und Quasare handeln, sondern um Sternentstehungsgalaxien.

Das europäische Infrarot-Observatorium ISO, das von Ende 1995 bis April 1998 arbeitete, machte es möglich, zwischen den beiden Hypothesen zu unterscheiden. Denn ISO hatte zwei Spektrographen an Bord, mit denen sich das Licht der Galaxien in seine Spektralanteile zerlegen ließ. In den Spektren verraten sich die beiden Galaxientypen auf ganz charakteristische Weise, wie die Arbeitsgruppe um Reinhard Genzel und Dieter Lutz vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching herausfand.

Der Zusammenstoß von Giganten erzeugt Babys – und Kannibalen So treten in den Aktiven Galaxien sehr dominant die Elemente Neon und Sauerstoff auf. Sie sind ionisiert, das heißt, sie befinden sich in sehr heißen Gebieten, so daß ihnen einige Elektronen aus der Atomhülle entrissen wurden. In den Sternentstehungsgalaxien hingegen geht es nicht ganz so heiß her wie in der Nähe eines Schwarzen Loches. Deswegen werden die genannten Elemente hier nicht ionisiert. Statt dessen bilden sich komplizierte Moleküle, zum Beispiel polizyklische aromatische Kohlenwasserstoffe.

Die bisherigen Untersuchungen mit ISO deuten darauf hin, daß die überwiegende Zahl der Infrarotgalaxien ihre Strahlung nicht Schwarzen Löchern, sondern Sternen verdanken, die nach einem kosmischen Zusammenstoß zu Millionen neu entstanden sind. Da solche Kollisionen im frühen, kleineren Universum, in dem die Galaxien näher beisammen waren, häufiger vorkamen als heute, dürften sie die Entwicklung dieser Sternsysteme wesentlich beeinflußt haben. Was die Astronomen lange Zeit für eine Ausnahme im Leben einer Galaxie gehalten haben, scheint tatsächlich die Regel zu sein.

Thomas Bührke

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