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Prof. Dr. Harald zur Hausen

Allgemein

Prof. Dr. Harald zur Hausen
ist einer der profiliertesten Forschungsmanager Deutschlands. Von 1983 bis soeben leitete der Virologe (Jahrgang 1936) das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. In den frühen achtziger Jahren belegte er die von ihm fünf Jahre zuvor aufgestellte Hypothese, dass Warzenviren Gebärmutterhalskrebs mitverursachen können. Nach wissenschaftlichen Stationen in Düsseldorf, Philadelphia, Erlangen und Freiburg wurde der gebürtige Gelsenkirchener zum Vorsitzenden und Wissenschaftlichen Mitglied des Stiftungsvorstandes des DKFZ berufen. Das damals im Qualitätsurteil höchst umstrittene Forschungszentrum gewann unter zur Hausens Führung rasch an Ansehen und ist jetzt ein führendes Krebsforschungszentrum in Europa. „Die Schweizer machen das besser“ Um die Qualität der Forschung in Deutschland sorgt sich Prof. Harald zur Hausen, der langjährige Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums.

bild der wissenschaft: Sie sind der Auffassung, dass die vielen Begutachtungen deutscher Forschungsorganisationen in den letzten Jahren nicht zu modernen Strukturen geführt haben. Was gibt Ihnen Anlass zu dieser Kritik, Herr Professor zur Hausen?

zur Hausen: Die Gutachten haben in erster Linie die bestehenden Strukturen bestätigt. Ja es gab mitunter sogar nicht einmal inhaltliche Stellungnahmen zu den Forschungsarbeiten, die begutachtet werden sollten. Dabei bin ich ein Freund solcher Evaluationen. Wir haben sie hier am Deutschen Krebsforschungszentrum mit großem Nachdruck durchgeführt. Meine Kritik an der Evaluation der deutschen Forschung ist, dass sie zu sehr innerhalb einzelner Organisationen durchgeführt wurde. Uns fehlte es an internationalen Gutachtern. Die Gutachter überlegten sich in vielen Fällen beispielsweise nicht, ob eine Einrichtung leistungsfähiger wäre, wenn man ihr eine andere Struktur geben würde. Die Gesundheitsforschung in Deutschland hätte man völlig neu aufstellen können.

bdw: Warum ist das nötig?

zur Hausen: Es ist sinnvoll, die Gesundheitsforschung der Helmholtz Gemeinschaft und Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz so zu vernetzen, dass sie sich inhaltlich fokussieren, Berufungen abstimmen und Evaluationen standardisieren. Dazu wäre eine zentrale Leitung wünschenswert. Damals habe ich „Deutsche Institute für Gesundheitsforschung“ vorgeschlagen, die Ähnlichkeiten mit den „National Institutes of Health“ der USA aufweisen. Ein solcher Zusammenschluss wäre ungleich fruchtbarer als unser gegenwärtiger Flickenteppich. Solange wir nicht einmal einheitliche Berufungskriterien haben und uns an den gleichen Evaluationskriterien orientieren, spielen Zufälligkeiten eine zu große Rolle. Durch Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung würden wir die Qualität steigern.

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bdw: Und Doppelforschung vermeiden?

zur Hausen: Ich bin skeptisch, ob man Doppelforschung wirklich vermeiden sollte. In den biologisch-medizinischen Fächern ist es sogar wünschenswert, dass mehrere Arbeitsgruppen auf ähnlichem Sektor arbeiten. Soviel werden wir hier nicht einsparen. Einsparen könnten wir bei dem von mir vorgeschlagenen Modell bei zentralen Service-Einrichtungen.

bdw: Wie gut ist die medizinische Spitzenforschung in Deutschland denn überhaupt? Seit 1992 gab es mit Christiane Nüsslein-Volhard nur eine Nobelpreisträgerin in dieser Disziplin. Im Gegensatz dazu fielen 16 Nobelpreise für Medizin oder Physiologie an die USA und immerhin noch 5 an Großbritannien. Dabei ist Großbritannien kleiner als die Bundesrepublik.

zur Hausen: In Großbritannien hat man ein engeres Zusammenwirken der medizinischen Forschung – so wie es mir vorschwebt – frühzeitig geschaffen. Hinzu kommt, dass dort eine sehr große Stiftung, die Wellcome-Stiftung – ihre segensreiche Wirkung hinsichtlich der Medizin entwickelt und in großem Umfang Spitzenforschung fördert. Punktuell gibt es auch in Deutschland herausragende Ergebnisse, die keinen internationalen Vergleich zu scheuen brauchen. Doch insgesamt sind wir nicht optimal gerüstet.

bdw: Forscher reden gerne von Centers of Excellence, wenn sie qualitativ gute Wissenschaft meinen. Was hat man sich darunter vorzustellen?

zur Hausen: Dieser Begriff wird leider oft missbraucht. Fast jedes medizinische Forschungszentrum bezeichnet sich als ein solches. Dabei gibt es durchaus Bewertungskriterien, mit denen man sehr gute Forschungszentren von anderen unterscheiden kann – nicht zuletzt durch Publikationen. Wer sich genauer anschaut, wo die Arbeiten veröffentlicht wurden, weiß sofort, ob die Wissenschaftler eines Zentrums in der Lage sind, ihre Forschungsaufsätze in strikt begutachteten internationalen Journalen unterzubringen oder nicht. Darüber hinaus ist die Einwerbung von externen Fördermitteln, so genannten Drittmitteln, ein Grad für die Güte der Forschung. Auch der Abschluss von Patenten oder die Verleihung von wissenschaftlichen Preisen sind hier interessant. Vor kurzem hat das Leiden Institute of Bioinformatics die deutsche Forschungslandschaft für die Biomedizin durchgemustert. Dabei zeigte sich, dass in Deutschland sehr deutliche quantitative Unterschiede zwischen verschiedenen Forschungseinrichtungen und Universitäten bestehen.

bdw: Die Max-Planck-Gesellschaft rühmt sich, nahezu jeden zweiten Direktor aus dem Ausland berufen zu können. Kommen Mediziner genauso gerne zu ihnen nach Heidelberg – oder wollen Sie gar nicht so viele ausländische Medizinforscher am Deutschen Krebsforschungszentrum?

zur Hausen: Natürlich wollen wir die international Besten an Land ziehen und haben auch schöne Erfolge. Im Vergleich zur Max-Planck-Gesellschaft sind wir nicht so erfolgreich, weil wir bei den Gehältern bisher stärker limitiert sind. Ob sich das durch die neue Hochschulbesoldungsordnung ändern wird, kann ich noch nicht absehen. Soeben ist bei uns die Berufung eines hervorragenden europäischen Wissenschaftlers, der in den USA forscht, an der Gehaltsfrage gescheitert. Ganz trivial gesagt: Wer Top- Wissenschaftler haben will, muss ihre Qualifikation angemessen vergüten. Doch nicht nur das: Im US-Krebsforschungszentrum NCI erhält ein Krebsforscher im Schnitt viermal mehr Fördermittel als am DKFZ. Auch deshalb haben wir Schwierigkeiten, international angesehene Wissenschaftler nach Deutschland zu bekommen.

bdw: Sind die Wissenschaftler geldgieriger geworden?

zur Hausen: Auch in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts war Geld für Wissenschaftler durchaus von Bedeutung. Denken wir nur an den Nobelpreisträger Carl Bosch, der sich hier in Heidelberg sehr gut eingerichtet hatte. Ich glaube allerdings auch, dass die stark zunehmende Internationalisierung der Wissenschaft in den letzten zwei Jahrzehnten nochmals einen Schub gebracht hat. Die Besten gehen dorthin auf der Welt, wo die beste Forschung stattfindet und die besten Gehälter bezahlt werden.

bdw: Nun bietet der Forschungsstandort Deutschland auch Vorteile. Wer eine C4-Professur hat, ist auf Lebenszeit versorgt. Und man muss sich bei einer solchen Absicherung nicht mehr jeden Tag neu ins Zeug legen, um seinen Posten zu verteidigen.

zur Hausen: Die Schweizer machen das besser. Dort werden die Lehrstuhlinhaber für fünf oder sechs Jahre bestellt. Verlängert wird ihr Vertrag nur dann, wenn sie positiv begutachtet werden – was in der Regel der Fall ist. Allein das Bewusstsein, dass sich der Vertrag nicht automatisch verlängert, erhöht die Leistung. Auch in anderen Ländern zeigt sich, dass die Forschung aufblüht, wenn die Strukturen flexibel sind. Neben der Schweiz gehören hierzu die Niederlande und Finnland. In Deutschland beginnen jetzt wenigstens einige Bundesländer, die Strukturen aufzubrechen, indem Einsteiger zunächst eine befristete Professur erhalten. So weit wie in der Schweiz will bei uns aber niemand gehen. Irgendwann haben gute Leute dann doch ihre lebenslange Anstellung garantiert.

bdw: Hier in Raum Heidelberg, wo Sie lange gearbeitet haben, hat sich ein Kristallisationspunkt für Gesundheit, Biomedizin und Gentechnologie herausgebildet. Welchen Platz in der Weltliga nimmt dieser Forschungsstandort Ihrer Meinung nach ein?

zur Hausen: Ich halte von solchen Kategorisierungen nichts. Zweifellos haben wir hier eine Reihe von exzellenten Forschungsgruppen und Instituten, die in Einzelbereichen keinen internationalen Vergleich zu scheuen brauchen. Eine Kategorisierung, wie Sie sie sich wünschen, läuft immer Gefahr, dass einzelne Punkte überbetont und andere vernachlässigt werden. Wir sollten vielmehr daran arbeiten, unseren Standard so hoch wie möglich zu halten und unsere Leistungskriterien so hoch zu schrauben, wie es irgend geht.

Wolfgang Hess

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