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Profit vom Baum der Erkenntnis

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Profit vom Baum der Erkenntnis
Nathan Myhrvold verrät, wie der amerikanische Software-Riese Microsoft durch Grundlagenforschung die Gewinne steigern und die Computertechnik vorantreiben will.

bild der wissenschaft:Dr. Myhrvold, Sie bauen für Microsoft ein Software-Forschungszentrum auf. Verdient die Firma zuviel Geld und braucht deshalb Investitionen, um Steuern zu sparen, oder was versprechen Sie sich davon?

Myhrvold:Ich glaube, wir stehen vor einer Wende in der Computerentwicklung. Für die Personal Computer galt bisher, daß sie all das können sollten, was die großen Computer schon leisteten. Das Grundproblem war, zehn Kilo Maschine in eine Fünf-Kilo-Tüte zu packen. Bald werden sich drei Dinge grundlegend ändern: Erstens haben wir die Leistung der großen Computer mit dem PC erreicht. Zweitens schlägt die Entwicklung der Personal Computer eine andere Richtung ein als die der Großcomputer. Und drittens werden unsere kleinen Computer bald sehr groß werden, was ihre Leistung betrifft. Denn nach der Mooreschen Regel, benannt nach dem Gründer der Firma Intel, verdoppelt sich die Leistung der Mikroprozessoren alle 18 Monate. Das heißt: Mikroprozessoren werden schon bald die leistungsfähigsten Maschinen der Welt sein. Daher genügt es nicht mehr, sich auf die Ideen aus anderen Geschäftsfeldern zu verlassen, wir müssen umschalten und selbst die neuen Ideen haben.

bild der wissenschaft:Ist das nicht eine reichlich späte Erkenntnis? Bill Gates verkündet das doch schon seit Jahren.

Myhrvold:Natürlich könnten wir dieses Umschalten auch den Forschern an den Universitäten überlassen oder denen in Forschungszentren wie Bell Laboratories oder Xerox Parc. Aber dann wäre es keineswegs sicher, daß wir Zugang zu den Ergebnissen haben. Wir glauben, daß wir schneller zu Ergebnissen kommen, wenn wir selbst forschen, denn wir haben eine Vorstellung davon, in welche Richtung sich die PC-Technologie bewegen wird.

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bild der wissenschaft:Könnten Sie nicht einfach enger mit Universitäten und Forschungsinstituten zusammenarbeiten?

Myhrvold:Wir wollen mit unserem Forschungsinstitut nicht mit Universitäten konkurrieren. Aber: Die Universitäten haben nie genug Geld, sie haben deshalb Probleme, größere interdisziplinäre Projekte anzupacken. Als wir begannen, Geld in eigene Grundlagenforschung zu stecken, ging es uns vor allem darum, schneller die Ergebnisse zu bekommen. Forschung ist schließlich ein wichtiges Wettbewerbsinstrument. Wir bei Microsoft haben die Computerforschung von Anfang an als wirtschaftliches Handeln verstanden. Wir wollten spannende Ergebnisse haben, aber wir wollten auch einen Erlös für unsere Aktionäre erzielen. Wir wollten unbedingt Profit für unser Unternehmen erwirtschaften.

bild der wissenschaft:Wie haben Sie das geschafft ?

Myhrvold:Zunächst einmal sind wir ein Software-Unternehmen mit einem Software-Forschungszentrum. Bislang wurde die Software-Forschung weitgehend von Hardware-Unternehmen getragen. Die Bell Labs von AT&T etwa hatten schon eine ausgezeichnete Computerforschung, als AT&T noch gar kein Computergeschäft besaß. Xerox verkaufte keine Computer, als sie die grafikorientierte Benutzeroberfläche entwickelten. Das ist etwa so, wie wenn Microsoft anfangen würde, Krebsforschung zu betreiben: Es würde uns wenig nützen, selbst wenn wir das große Heilmittel gegen Krebs fänden.

bild der wissenschaft:Sie sind Grundlagenforscher, und Sie forschen, um Geld zu verdienen?

Myhrvold:Ja, und wir waren bisher damit recht erfolgreich. Vor sechs Jahren, als wir die Microsoft Research Group gründen wollten, war das ein radikaler Vorschlag. Heute gibt es kein wichtiges Microsoft-Produkt, das nicht ganz wesentlich durch Ergebnisse unserer Forschungsgruppe geprägt ist. Wir wollen dieses Team in den nächsten Jahren verdreifachen – von 200 Mitarbeitern 1997 auf über 600 Mitarbeiter im Jahre 1999.

bild der wissenschaft:Wie verträgt sich das Ziel wirtschaftlicher Ergebnisse mit dem Anspruch, Grundlagenforschung zu betreiben?

Myhrvold:Ich bin von Hause aus Physiker und habe physikalische Grundlagenforschung betrieben. Das kann man natürlich nicht direkt vergleichen. Aber an Software arbeiten wir so grundlegend wie alle anderen Grundlagenforscher auch. Gerade aus der fundamentalen Beschäftigung mit Software-Techniken ziehen wir viele kommerziellen Vorteile. Nehmen wir als Beispiel die Verarbeitung natürlicher Sprache. Wir haben daran fünf Jahre lang gearbeitet, ohne daß etwas in irgendein Produkt eingeflossen wäre. Dann haben wir ein Grammatik-Prüfprogramm entwickelt, das – während Sie Texte schreiben – prüft, ob diese grammatikalisch korrekt sind. Dieser Grammatik-Checker ist schon Bestandteil der englischen Version von Office 97 und mit Abstand der beste, den es derzeit auf dem Markt gibt.Vor allem aber ist die Grammatikprüfung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Office 97, mit dem wir jährlich Milliardenumsätze machen. Es hat sich also für uns gelohnt.

bild der wissenschaft:Wie stellen Sie diesen Transfer der Forschungsergebnisse in die Produkte sicher?

Myhrvold:Das Wichtigste ist wohl, daß wir die Forschungsprojekte in die Strategie des Unternehmens integrieren, die Bill Gates mit mir als Verantwortlichem für die Software-Technologie gemeinsam entwickelt. Daher kennen wir die Richtung, in die sich das Unternehmen bewegen wird, andererseits wissen wir, was sich in der Forschung tut. Das hilft uns, beides zu integrieren. Ein zweiter Punkt, der uns sehr erfolgreich macht, ist das Denken unserer Forscher: Sie wollen ganz gezielt mit ihrer Arbeit unsere Produkte beeinflussen. Für viele war das sogar das entscheidende Argument, zu uns zu kommen. Zum Beispiel für Rick Rashid, der vorher zwölf Jahre als sehr erfolgreicher und renommierter Professor für Software-Technologie an der Carnegie Mellon University gearbeitet hat. Das ist wie bei einem Journalisten, der auch nicht gut arbeiten kann, wenn er weiß, daß er nur für die Schublade schreibt.

bild der wissenschaft:Was sind für Microsoft die wichtigsten Felder der Software-Forschung?

Myhrvold:Viele haben mit der Benutzeroberfläche des Computers zu tun. Deshalb stehen im Vordergrund Bereiche wie Spracherkennung, Verarbeitung natürlicher Sprache, Computer-Sehen, Grafik und Entscheidungstheorie. Letzteres vor allem, wenn es um automatisches Lernen geht, wodurch Computer fähig werden, sich eigenständig an den Nutzer oder an ihre Umgebung anzupassen. Da sind die Leistungen des Computers bis heute eher ärmlich. Ein zweiter Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Technologie der Computer: Betriebssysteme, Architektur, Programmiertechniken. Viele Projekte beschäftigen sich mit der Frage, wie wir effizienter programmieren können. Denn jeder Gewinn, den wir dabei erzielen, hat enorme Auswirkungen auf unser Geschäft, aber gleichzeitig auch auf die ganze Computer- und Software-Industrie. Und natürlich beschäftigen wir uns mit theoretischen Grundlagen der Software, mit Datenbank-Technologie und Datensicherheit. Wir haben sogar eine Gruppe, die am papierlosen Büro arbeitet. Das ist kein Witz, denn tatsächlich wird Papier mehr und mehr zu einem Hindernis unserer Arbeit.

bild der wissenschaft:Wenn Sie einmal Revue passieren lassen, was Sie über die Zukunft des Personal Computers wissen: Wie wird er im Jahr 2005 aussehen?

Myhrvold:Vor allem wird er sehr viel leichter zu bedienen und sehr viel kostengünstiger zu verwalten sein. Und er wird voll in Netzwerke eingebunden sein. Computer entwickeln sich von reinen Datenverarbeitungs-Maschinen zu Werkzeugen, mit denen man kommunizieren kann. Im Jahr 2005 wird Sprache im Umgang mit dem Computer in jeder Hinsicht verfügbar sein, die Verarbeitung von natürlicher Sprache ist dann selbstverständlich. Die heutigen Textverarbeitungs-Programme sind doch in Wirklichkeit nur Buchstabenverarbeitungs-Programme. Sie verstehen die Struktur der Texte, der verwendeten Sprache, nicht. Aber genau das wollen wir erreichen: Sie sollen dem Nutzer helfen, besser und effizienter zu schreiben. Ein erster Anfang wurde mit dem Grammatik-Checker gemacht. Im Jahr 2005 wird ein Manuskript-Editor eingebaut sein, der Hinweise zum Redigieren von Texten gibt, wenn Dinge kürzer und treffender gesagt werden können. Ich sehe keine Anzeichen dafür, daß die Entwicklung der Computertechnik langsamer wird. Einige Auguren fürchten, daß die Mooresche Regel heute nicht mehr gilt. Doch jeder Indikator, den ich beobachte, sagt mir, daß wir mindestens noch 20 Jahre von dieser Leistungsexplosion, von den unglaublich schnellen Innovationszyklen profitieren werden. Um ehrlich zu sein: Mich können Computer bis heute zum Staunen bringen.

Nathan Myhrvold ist als Chief Technology Officer verantwortlich für die strategische Ausrichtung von Microsoft. Gleichzeitig kümmert er sich mit der Microsoft Research Group um die Software-Grundlagenforschung. Er gilt als kongeniales Pendant zu Microsoft-Chef Bill Gates, der ihn 1986 zu dem Software-Giganten holte, indem er seine Firma aufkaufte. Myhrvold ist promovierter Physiker und arbeitete in Cambridge/ Großbritannien mit Stephen Hawking zu Fragen der Kosmologie und der Gravitation. Privat engagiert er sich als Rennfahrer und Koch in Nobel- Restaurants, aber auch als Physik-Beirat der Princeton University. Und er gilt als weltweit führend in der Computersimulation von Dinosauriern.

Nathan Myhrvold

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