Auf der Suche nach den Ursachen für Magenkrebs konzentrierten sich die Forscher bisher vor allem auf das Bakterium Heliobacter pylori und dessen Wechselwirkungen mit seinem Wirt. Nun haben Wissenschaftler des National Cancer Institute in Maryland festgestellt, daß auch die genetische Ausstattung des infizierten Menschen Einfluß auf das Krebsrisiko haben kann. Emad M. El-Omar und seine Mitarbeiter fanden bei Magenkrebs-Patienten und deren direkten Verwandten, bestimmte Varianten des Gens Interleukin-1. Aufgrund einer geringfügig abweichenden Zusammensetzung im Vergleich zum Interleukin-1-Gen eines Gesunden, erhöht sich das Risiko für den Träger, an Magenkrebs zu erkranken, um das Vier- bis Sechsfache. Interleukin-Gene tragen die Information zur Synthese von Proteinen, die die Antwort des Immunsystems auf Infektionen steuern. Bei Menschen mit der Gen-Variante kommt es nach der Infektion mit Heliobacter pylori zur Synthese einer ungewöhnlich großen Menge von Interleukin-1. Dies verstärkt den Entzündungsprozeß, zusätzlich wird die Sekretion der Magensäure gehemmt. Die Wissenschaftler vermuten, daß durch den so verringerten Säurefluß, der Abtransport der zellschädigenden Substanzen, die von den Bakterien produziert werden, erschwert ist – ein weiterer Schritt in Richtung Krebs. Über die Hälfte der Weltbevölkerung infiziert sich meist schon im Kindesalter mit Heliobacter pylori. Die spiralförmigen Bakterien werden über verunreinigte Speisen aufgenommen. Trickreich überwinden sie die Säurebarriere des Magens und setzen sich an der Magenschleimhaut ab. Nur durch spezielle Labortests kann die Infektion nachgewiesen werden. Der Bakterienbefall löst eine Entzündung der Schleimhaut (Gastritis) aus, deren weiterer Verlauf von zahlreichen Faktoren abhängt. Breitet sich die Entzündung im oberen Teil des Magens aus und erreicht ein chronisches Stadium, so geht nach und nach immer mehr Gewebe zugrunde, und es kommt zu einer Untersäuerung des Magens. In der Gewebezerstörung und der verminderten Säureproduktion sehen die Wissenschaftler wesentliche physiologische Grundlagen für eine mögliche Entwicklung von Magenkrebs. Mit Hilfe moderner Methoden ist es jetzt möglich, nicht nur die Heliobacter-Infektion, sondern auch das genetische Risiko eines Patienten früh zu erkennen. Eine rechtzeitig eingeleitete Antibiotika-Therapie könnte dem Magenkrebsrisiko eines genetisch vorbelasteten Patienten eine wesentliche Grundlage entziehen.
Christine Starostzik