Was soll man von der Quantentheorie nur halten? Ihr mathematischer Formalismus ist über jeden Zweifel erhaben. Wer aber danach fragt, welches Bild von der Wirklichkeit sie zeichnet, gerät in Teufels Küche.
Bereits in den zwanziger Jahren haben sich kluge Köpfe wie Albert Einstein oder Erwin Schrödinger einen Spaß daraus gemacht, Experimente auszudenken, die die gängige Interpretation der Quantentheorie ad absurdum führen sollten. Berühmt geworden ist Schrödingers Katze, die so lange in einem Zustand zwischen Leben und Tod schwebt, bis jemand nachsieht, was mit ihr los ist. Dann ist sie tot oder lebendig – was niemand vorher wissen kann.
Dieser Katze und anderen Kuriositäten der Quantentheorie widmet sich John Gribbin. Der Wissenschaftsautor verspricht, „eine Vision der Wirklichkeit vorzustellen, die tatsächlich den Schleier von allen Quantengeheimnissen lüftet“. Dieses Versprechen löst er am Ende des Buches auch ein. Mehr noch: Er präsentiert gleich mehrere Deutungen der Quantentheorie. Da sie alle die gleichen Aussagen über den Ausgang von Experimenten machen, ist eine so „richtig“ wie die andere. Und doch sind nicht alle Deutungen gleich plausibel.
Gribbin macht keinen Hehl daraus, daß sein Herz für die sogenannte Transaktions-Interpretation schlägt: Wenn man Quantenwellen akzeptiert, die sich rückwärts in der Zeit ausbreiten, verlieren die Quantenrätsel tatsächlich all ihre Mystik. Es versteht sich von selbst, daß nicht jeder Physiker bereit ist, dieser drastischen Annahme zu folgen. Deshalb wird die Debatte um Schrödinger halblebendiges Kätzchen auch in den nächsten Jahren nicht verstummen.
John Gribbin SCHRÖDINGERS KÄTZCHEN UND DIE SUCHE NACH DER WIRKLICHKEIT S. Fischer Verlag Frankfurt a. M. 1996 367 S., DM 39,80
Christian Speicher