Seit etwa 50 Jahren weiss man, dass bei Stoffwechselprozessen aggressive Zwischenstufen entstehen, so genannte reaktive Sauerstoff-Spezies oder Radikale. Diese Substanzen können die Erbinformation und die Zellmembranen beschädigen – und damit sogar ganze Organe. Das brachte manche Ärzte auf die Idee, die Radikale mit ihren chemischen Gegenspielern zu bekämpfen: den Antioxidantien. Das sind Wirkstoffe, die sich aufopfern, um den Radikalen ihre aggressive Wirkung zu nehmen. Ärzte empfahlen Pillen mit antioxidativen Vitaminen, vor allem die Kombination der Vitamine C und E mit Provitamin A.
Diese Hypothese wurde durch die Beobachtung unterstützt, dass Obst und Gemüse vor manchen Krankheiten – darunter Herzkreislauf-Erkrankungen und einigen Krebsarten – zu schützen scheinen und so das Leben verlängern. Obst und Gemüse sind randvoll mit Vitaminen und Antioxidantien. „Inzwischen wurde die Antioxidantien-These aber nuanciert”, schreibt Toren Finkel, Herz-Kreislaufspezialist am US-Gesundheitsforschungszentrum NIH in einem Kommentar des Fachblatts „nature”. Forscher haben entdeckt, dass Körperzellen die Radikale aus eigener Kraft kontrollieren und sie sogar zum Ein- oder Ausschalten von Zellaktivitäten benutzen. Die Zellen scheinen also gut ohne pharmakologische Hilfe klar zu kommen.
Möglicherweise schadet es sogar, diese komplizierten Prozesse beeinflussen zu wollen (bild der wissenschaft 12/2004, „ Fragwürdige Zusätze”). In der Praxis sind A,C und E ebenfalls durchgefallen. Wie mehrere große klinische Studien in den letzten Jahren gezeigt haben, schützen Vitaminpillen nicht vor Krebs und Herzkreislauf-Erkrankungen. Nach einigen Untersuchungen ist das Krankheitsrisiko sogar leicht erhöht.