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So macht lernen Spaß

Allgemein

So macht lernen Spaß
Kreativitätstraining und neuartige Lernformen stehen heute hoch im Kurs. Was gute und schlechte Angebote unterscheidet, erforscht Prof. Reinhold S. Jäger.

bild der wissenschaft: Was halten Sie von Intelligenz- und Kreativitätstests, Herr Prof. Jäger?

Jäger: Ich halte sehr viel davon, daß es Methoden gibt, die helfen, eigene Stärken und Schwächen kennenzulernen und darauf aufbauend die Chance eröffnen, sich selbst zu fördern. Die Angebote helfen aber nur dann weiter, wenn sie bestimmte Gestaltungskriterien erfüllen. Weiterhin muß im voraus klargestellt sein, welche Informationen gewonnen werden können und welche nicht.

bild der wissenschaft: Wie läßt sich prüfen, ob solche Tests und Seminare taugen?

Jäger: Wenn sie lediglich darauf ausgerichtet sind, in unterschiedlichen Übungen immer wieder das gleiche zu wiederholen, kann man sich die Mühe und das Geld dafür sparen. Denn dadurch lassen sich die geistigen Strukturen eines Menschen nicht so verändern, daß er eine Sache besser und erfolgreicher angeht, ganz zu schweigen von einer geistigen Neuorientierung. Ich verlange einen Kontrollmechanismus, der darüber Auskunft gibt, was wirklich hinzugelernt worden ist.

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bild der wissenschaft: Sie und Ihr Team haben soeben einen Kreativitätstest entwickelt. Er ist in der bild der wissenschaft-special-Ausgabe über Kreativität erstmals veröffentlicht. Wodurch unterscheidet sich Ihr Test vom bisherigen?

Jäger: Am Zentrum für empirische pädago-gische Forschung haben wir einschlägige Erfahrung mit psychologischen und pädagogischen Tests – vom Schulreifetest bis hin zum Streßtest. Weiterhin arbeiten wir daran, wie man Lernen lernen kann, erforschen gewissermaßen die Möglichkeiten, das Verhalten eines Menschen so zu verändern, daß er sein Wissen neu organisieren kann. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit dem Alltagsgedächtnis und den Möglichkeiten, Alltagsaspekte – etwa die persönliche Identifikationsnummer einer Kreditkarte – so zu organisieren, daß man sie auch bis ins hohe Alter behalten kann. Schließlich untersuchen wir die Bedingungen, die kreatives Verhalten erzeugen, auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten. All diese Aspekte sind in unseren Kreativitätstest eingeflossen. Er gibt damit den Testteilnehmern die Chance, kreative Potentiale nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verbessern. Wie das trainiert werden kann, zeigen wir in bild der wissenschaft-special.

bild der wissenschaft: Sie haben Ihre Rezeptur bereits an Studierenden erprobt?

Jäger: Nicht nur erprobt, sondern auch optimiert.

bild der wissenschaft: Wagen Sie ein Urteil, wie stark sich damit die Kreativität steigern läßt?

Jäger: Bei Kreativität muß man drei Aspekte unterscheiden: Mengenleistung, Originalität und Vielfalt. Unsere Trainingseinheiten führten bei Studierenden zu einer rund 50prozentigen Steigerung bei der Zahl der Einfälle, also der Mengenleistung. Der Originalitätsaspekt konnte im Schnitt um 30 Prozent gesteigert werden. Und selbst die Vielfalt – das kreative Erweitern in eine andere Dimension – wurde ähnlich ausgeweitet. Dieses erstaunliche Ergebnis führe ich darauf zurück, daß sich bisher nur die wenigsten klargemacht haben, daß man auch Kreativität durch strategisches Vorgehen steigern kann. Unser Kreativitätstest bietet aber noch mehr. Sie erfahren, wo Sie besser als andere sind oder sein könnten, erkennen aber auch, wo Ihre Grenzen liegen.

bild der wissenschaft: Ihr Forschungszentrum beschäftigt sich auch mit der Unterrichtsform des Telelearning, des Lernens am Bildschirm. Werden die Telekollegs jetzt wieder ausgemottet?

Jäger: Viele Firmen haben Telelearning-Projekte begonnen, um die Fort- und Weiterbildung zu forcieren. Mit schlichtem Fernsehen hat Telelearning – auch wenn es über den Bildschirm flimmert – aber nicht viel gemein. Telelearning soll Wissen vermitteln, das nicht nur im Kopf abgespeichert, sondern auch in Handlungen umgesetzt werden kann. Doch darin liegt die Crux. Die Programmverantwortlichen denken nur selten daran, jene mediendidaktischen und lernpsychologischen Sachverhalte zu berücksichtigen, die Telelearning vom Fernsehen unterscheidet.

bild der wissenschaft: Die wären?

Jäger: Wissen ist nicht gleich Wissen. Wir Fachleute unterscheiden mehrere Arten: Das Sachwissen: „Namen, Fakten, Zusammenhänge“, das Handlungswissen: „gewußt wie“ und das Kontrollwissen, etwa ob eine bestimmte Handlung auch Sinn macht. Dieser differenzierten Wissensvermittlung wird das Fernsehen meist nicht gerecht. Man produziert dort häufig etwas, das ich als Eunuchenwissen bezeichnen möchte: Die Zuschauer bekommen zwar über einen Sachverhalt Bescheid, können dieses Wissen deshalb aber noch lange nicht in eigenes Handeln umsetzen.

bild der wissenschaft: Was ist die Ursache?

Jäger: Oft scheitern solche Projekte, weil sich die Telelearning-Strategen keine Gedanken darüber gemacht haben, wie man Mitarbeiter weiterbildet, die seit Jahrzehnten keine Schulbank mehr gedrückt haben. Weiterhin ist zu fragen, ob den Mitarbeitern der entsprechenden Unternehmen – meist Banken oder Produktionsbetriebe – überhaupt vermittelt wurde, was das Ziel der Übung ist. Ehe das Management beschließt, Mitarbeiter über Telelearning weiterzubilden, sollte es sich selber weiterbilden und schlau machen, welche Voraussetzungen da- sein müssen, damit sich über Telelearning auch der erhoffte Erfolg einstellt. Mit einem Drehbuch allein ist es hier nicht getan. Um aus einer Fernsehsendung eine Telelearning-Einheit zu machen, sind pädagogisch und psychologisch versierte Fachleute erforderlich.

bild der wissenschaft: Geht das konkreter?

Jäger: Beim Telelearning setzt man gelegentlich auf Talkrunden, wie man sie vom Fernsehen bestens kennt. Dabei werden Fragen diskutiert. Die Antworten sollen dem Zuschauer konkretes Wissen vermitteln. Eine solche Veranstaltung hat aber nur dann pädago-gischen Wert, wenn die Personen glaubwürdig wirken, die Fragen nicht gestelzt klingen, die Talkrunde nicht an den Haaren herbeigezogen zu sein scheint. Doch genau dies ist häufig der Fall. Die Folge: Der Zuschauer wird überhaupt nicht erreicht. Das gleiche gilt für die Filmschnitte. Wer hier psychologisch-pädagogische Gesichtspunkte vernachlässigt, läßt dem Zuschauer womöglich keine Chance, sich mit dem Dargebotenen zu beschäftigen.

bild der wissenschaft: Wie lange dauert es, bis ein Unternehmen weiß, ob seine Telelearning-Programme erfolgreich sind oder nicht?

Jäger: Sie brauchen zwei Jahre, ehe ein gutes System technisch installiert ist. Es dauert dann mindestens ein weiteres Jahr, um den Nachweis zu erbringen, ob das Projekt dem Unternehmen nützt oder nicht. Angesichts dieses Zeit- und Investitionsvolumens ist es für mich unverständlich, daß bei vielen Projekten das Geld für die Expertise, nach welchen Gesichtspunkten Fernsehleute Telelearning-Einheiten produzieren müssen, offenbar nicht da sein soll. Überdies ist man mit dem heutigen medienpädagogischen Instrumentarium in der Lage, nachzuweisen, wie das Medium Telelearning im Vergleich zu herkömmlichen Weiterbildungsmethoden abschneidet.

bild der wissenschaft: Welchen Anteil an dieser Entwicklung hat Ihr Institut ?

Jäger: Es gibt eine Vielzahl von Grundlagenarbeiten, die nahelegen, in welche Richtung man gehen muß. Wir haben aber erstmals ein Raster geschaffen, das Sie über jede beliebige Telelearning-Einheit legen können. Dabei zerpflücken wir jede einzelne Lerneinheit in Teilelemente, bewerten die Arbeit des Moderators ebenso standardisiert, wie den Ablauf des Lernprozesses oder die eingesetzte Medientechnik. Dadurch können wir eindeutig belegen, an welchen Stellen Defizite existieren und was getan werden kann, um sie zu beseitigen.

bild der wissenschaft: Und die Folgen?

Jäger: Wir haben die für eine Bank produzierten Sendungen analysiert und Vorschläge für eine Überarbeitung gemacht. Das wird dazu führen, daß die Drehbücher geändert werden. Den Nutzen haben nicht nur die Telelearner. Auch das Unternehmen profitiert, weil es seine finanziellen Ressourcen effizienter einsetzt – schlicht gesagt: Geld spart.

Reinhold S. Jäger (Jahrgang 1946) ist promovierter Psychologe und seit 1988 Professor für Psychologie an der Universität Koblenz-Landau. Zuvor leitete er die Testforschung/Testkonstruktion im Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung in Frankfurt. Jäger ist der geschäftsführende Leiter des Zentrums für empirische pädagogische Forschung (ZEPF) in Landau, das hinsichtlich Größe, Aufgabenpalette und Interdisziplinarität in Deutschland einzigartig ist. Das ZEPF erforscht Grundlagen, ist aber auch in der angewandten Forschung stark engagiert. Der Anteil der über Auftragsforschung eingeworbenen Finanzmittel liegt bei 90 Prozent des Gesamtetats. 20 der insgesamt 27 Stellen werden über Drittmittel finanziert.

Wolfgang Hess / Reinhold S. Jäger

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