Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Sterne – Die Pioniere des Lichts

Allgemein

Sterne – Die Pioniere des Lichts
Das Dunkle Zeitalter endete früher als bislang gedacht: Schon 200 Millionen Jahre nach dem Urknall leuchteten die ersten Riesensterne im Universum auf.

„Der Himmel ist toll, sternenhagelvoll“, reimte der Dichter und Aphoristiker Erhard Horst Bellermann in seinem Buch „ Veilchen, so weit das Auge reicht“. Doch so toll und voll war der Himmel nicht immer. Denn nach dem Feuerball-Stadium des Urknalls wurde es stockfinster. Und so galt erst einmal das Wort des französischen Dichters Guillaume Apollinaire: „Es ist höchste Zeit, die Sterne anzuzünden.“ Wann und wie das geschah, gehört zu den großen Fragen der Kosmologie. Jetzt haben Astronomen zumindest den Schimmer einer Antwort gefunden: Sie entdeckten den Widerschein der ersten Sterne – und deren Asche.

Um das zu verstehen, muss man weit ausholen – fast bis zum Anfang der Zeit. Und auch hier trifft wieder das Wort eines Schriftstellers – nicht ins Schwarze, sondern ins gleißend Helle: „Allzu viel Licht hindert uns daran, die Sterne zu sehen“, schrieb Graham Henry Greene. Kosmologisch gewendet heißt dies, dass es zunächst nur Strahlung gab, aber keine Sterne. Die heiße, aus dem Urknall geborene und fast gleichförmig verteilte Materie, die mit der Strahlung anfangs ein undurchdringliches Gemisch bildete, kühlte sich mit der Ausdehnung des Weltraums ab. Als die Temperatur unter 3500 Kelvin fiel (Null Kelvin entspricht minus 273,15 Grad Celsius), konnten die Atomkerne die bis dahin freien Elektronen einfangen. So wurde das Universum durchsichtig: Das Licht hatte gleichsam freie Bahn. Dies geschah rund 380000 Jahre nach dem Urknall, dauerte gut 100000 Jahre und markierte die Entstehung der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Dieses Nachleuchten oder Restlicht des Feuerball-Stadiums – durch die Ausdehnung des Weltraums freilich in den für unsere Augen unsichtbaren Radiobereich verschoben – vermisst die Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe) zurzeit, und zwar mit unerreichter Genauigkeit am gesamten Himmel. Die ersten Ergebnisse sorgten kürzlich für einen enormen Erkenntnisschub in der Kosmologie, weil sie die grundlegenden Kenngrößen des Universums auf wenige Prozent genau erschließen ließen (bild der wissenschaft 8/2003, „Das erste Licht“).

Eines der überraschendsten und wichtigsten Resultate von WMAP betrifft nicht das ganz frühe Universum, sondern das Ende des von Astronomen so genannten Dunklen Zeitalters. Diese Epoche der Finsternis begann mit dem Erlöschen des Feuerballs 380000 Jahre nach dem Urknall, und sie endete mit dem Aufflammen der ersten Sterne.

Das kreative Potenzial der Schwerkraft brauchte Zeit, um aus den zufälligen Verdichtungen im Urgas die Gestirne zu formen. Erst sie brachten wieder Licht ins Dunkel des noch jungen Weltraums. Und zwar in so energiereicher Form – als Ultraviolett-Strahlung –, dass die meisten Atome im Urgas wieder ionisiert wurden, das heißt, die Elektronen abstreiften. WMAPs Messungen zeigten nun, dass diese Reionisierungsphase viel früher begann, als bislang gedacht: Der Nebel aus neutralem Wasserstoff und Helium muss sich bereits rund 200 Millionen Jahre nach dem Urknall gelichtet haben. „Vor WMAP glaubte fast jeder, dass die Reionisierung zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall stattfand“, sagt Joe Silk, Astrophysik-Professor an der University of Oxford. „Etwas muss in den Urgalaxien vor sich gegangen sein.“

Anzeige

WMAP konnte dieses erste Sternenlicht nicht direkt aufspüren, sondern fand einen subtilen Nebeneffekt der Reionisierung: die geringfügige Polarisation der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Zu ihr kommt es, wenn Mikrowellen an freien Elektronen gestreut werden. Diese Elektronen müssen zuvor von den Wasserstoff-Atomen freigesetzt worden sein – durch die Einwirkung der UV-Strahlung. Diese zweite Epoche der Polarisation darf nicht mit der ersten Epoche verwechselt werden, die schon am Beginn der Kosmischen Hintergrundstrahlung steht und bereits vor WMAP erstmals mit dem DASI-Teleskop gemessen wurde (siehe Kasten auf S. 64, „ Polarisation am Pol“). Doch im Unterschied zur ersten Epoche gibt es die späteren Zusammenhänge zwischen Polarisation und Temperatur der Hintergrundstrahlung nur auf größeren Skalen. Bei kleineren Abständen ist die Polarisation verschmiert, weil die Mikrowellen von nahen Punkten am Himmel sich auf dem Weg zu uns überlappen. Erst ab einer Distanz von damals rund 200 Millionen Lichtjahren fand WMAP ein deutliches Polarisationssignal. Die Mikrowellen von so weit entfernten Punkten hatten also nicht mehr die Zeit, um sich zu überlagern, wenn sie gestreut wurden. Und da sie sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiteten, kann das Universum nur etwa 200 Millionen Jahre alt gewesen sein, als diese Polarisation entstand. (Die Unsicherheit der Daten beträgt zwischen 100 und 400 Millionen Jahren.) Die Ursache der Polarisation ist die UV-Strahlung der ersten Generation von Riesensternen. Massereiche Schwarze Löcher, die Gas einsaugen und teilweise in Strahlung umwandeln, kommen als weitere Reionisierungsquelle in Frage – doch es ist unklar, ob sie damals schon existierten.

Überhaupt wirft die frühe Reionisierung zahlreiche Probleme auf. Die Sternentstehung muss zu jener Zeit radikal anders gewesen sein als heute, glaubt Zoltán Haiman von der Columbia University. Wahrscheinlich haben die ersten Sterne mehr UV-Strahlung emittiert, überlegt Martin Rees, Großbritanniens „ Royal Astronomer“ und Professor an der Cambridge University. „ Vielleicht hatten sie eine viel größere Masse. Sie könnten 100 Sonnenmassen und mehr besessen haben und waren dann extrem heiß.“ Sie hätten somit auch viele Millionen Mal heller geleuchtet als unser Tagesgestirn. Lam Hui vom Fermilab in Batavia, Illinois, geht dagegen von zwei Stern-Generationen aus, denn das Gas sei noch zu heiß gewesen, um auf einen Schlag reionisiert worden zu sein.

Gut mit den WMAP-Daten verträglich ist das Szenario der stellaren Urgeschichte, das inzwischen zahlreiche Astrophysiker aus aller Welt mithilfe aufwendiger Computer-Simulationen (re)konstruiert haben:

100 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden aus zufälligen Verdichtungen im Urgas die ersten Protogalaxien. Sie besaßen 100000 bis 1 Million Sonnenmassen und waren 30 bis 100 Lichtjahre groß.

In ihnen zogen sich Urgaswolken unter dem Einfluss ihrer Schwerkraft zusammen und erhitzten sich auf über 1000 Kelvin. Der Druck des heißen Gases bot dann einer weiteren Kontraktion Paroli.

In den dichten Wolken bildete sich molekularer Wasserstoff (H2). Er vermochte die innersten Zonen auf 200 bis 300 Kelvin abzukühlen, indem er nach der Kollision mit einzelnen Wasserstoff-Atomen Infrarotstrahlung abgab.

Durch diesen Kühlvorgang fiel der Gasdruck, und die Gravitation konnte das Gas noch weiter zusammenklumpen: Die ersten Sterne mit 100 bis 1000 Sonnenmassen entstanden.

Weil ohne schwere Elemente die Kernfusionsprozesse weniger effizient ablaufen – nach dem Urknall gab es nur Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium –, waren die ersten Sterne kompakter und somit auch heißer: rund 100000 Grad – fast das Zwanzigfache der Oberflächentemperatur unserer Sonne.

Deshalb gaben sie einen großen Teil ihrer Energie in Form von UV-Strahlung ab. Diese heizte das neutrale Wasserstoff- und Helium-Gas in ihrer Umgebung auf und ionisierte es. Es reichte schon aus, dass sich ein Hunderttausendstel der Masse des Urgases zu Sternen verdichtet hatte, um fast alles übrige Gas seiner Elektronen zu berauben.

Dieses reionisierte Universum streute rund 15 Prozent der Photonen der Kosmischen Hintergrundstrahlung, was WMAPs Polarimeter nun gemessen haben.

Die ersten Sterne hatten aufgrund ihrer gigantischen Masse nur eine Lebensdauer von wenigen Millionen Jahren. Dann explodierten sie als Supernovae und gaben einen Großteil ihrer Materie in den kosmischen Kreislauf zurück – angereichert mit den schwereren Elementen, die sie in ihrem Inneren durch Kernfusion erbrütet hatten.

Diese Elemente – etwa Sauerstoff und Kohlenstoff – sind ein viel effektiveres „Kühlmittel“ als H2 und können kollabierende Gaswolken heute auf nur 10 Kelvin abkühlen. (Eine Milliarde Jahre nach dem Urknall war der Weltraum allerdings noch 19 Kelvin warm.) Durch diese Kühlung wurde die Bildung kleinerer Sterne möglich. Die Sternentstehungsrate stieg rapide an, und entsprechend erhöhte sich die Zahl der Supernovae.

Relikte solcher Sternexplosionen sind Schwarze Löcher. Sie wurden immer größer, weil sie sich Materie aus ihrer Umgebung einverleibten. Dabei setzten sie riesige Energiemengen frei. So entstanden spätestens eine Milliarde Jahre nach dem Urknall die Quasare: die ultrahellen Zentren der Urgalaxien. Noch heute schlummert im Zentrum fast aller großen Galaxien ein supermassereiches Schwarzes Loch (bild der wissenschaft 9/2002, „ Gefräßige Geburtshelfer“).

In einigen Jahren werden neue Instrumente wie das inzwischen in James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) umbenannte Next Generation Space Telescope der NASA – Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops – und das orbitale Riesen-Röntgenobservatorium XEUS (X-Ray Evolving Universe Spectrometer) der ESA mehr Licht ins Dunkle Zeitalter des Universums bringen und die ersten Galaxien und massereichen Schwarzen Löcher direkt ins Visier nehmen. Die gegenwärtigen Geräte sind dafür nicht empfindlich genug. Bis XEUS und JWST gebaut sind und arbeiten, müssen sich Astrophysiker mit den Quasaren als Botschafter vom frühen Universum begnügen. Ihr Licht sammelt auf dem Weg zur Erde gleichsam Informationen über die Dichte der Wasserstoffwolken, die es durchläuft, sowie über deren Größe, Ort, Alter, Zusammensetzung, Bewegung und Entwicklungsgeschichte. Das Keck-Teleskop auf Hawaii und das 2,5-Meter-Teleskop auf dem Apache Point in den Sacramento Mountains von New Mexico, das gegenwärtig den Himmel im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) durchmustert, haben inzwischen einige Tausend Quasare gefunden. Aufgrund der riesigen Entfernung dieser Objekte – viele Milliarden Lichtjahre – ist die Spurensuche in der Urzeit ausgesprochen schwierig. Aber in den letzten Monaten gelangen bemerkenswerte Fortschritte.

Eine Entdeckung, die mit dem Hubble-Weltraumteleskop glückte, passt besonders gut zu den WMAP-Ergebnissen: Wolfram Freudling von der Space Telescope – European Coordinating Facility am European Southern Observatory und zwei amerikanische Kollegen fanden Asche der ersten Sterne. Mit dem Instrument NICMOS (Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrograph) beobachteten die Wissenschaftler drei der fernsten bekannten Quasare mit den sperrigen Namen SDSS J083643.85+005453.3, SDSS J103027.10+052455.0 und SDSS J104433.04-012502.2. Ihr Spektrum enthält bei 1,6 Mikrometer Wellenlänge eine Eisen-Absorptionslinie.

„Eisen ist ein guter Indikator für den Entwicklungszustand eines Quasars“, sagt Freundling. „Das Element entstand nicht beim Urknall, sondern erst später in Sternen. Sie müssen sich zunächst bilden, dann ihren Brennstoff verbrauchen und schließlich explodieren, bevor das Eisen beobachtet werden kann. Dieser Prozess braucht Zeit – bis zu 500 oder 800 Millionen Jahre.“ Das ist auch der Grund, warum die Forscher glauben, hier eine Signatur der frühesten Sterne entdeckt zu haben. Ohne das Weltraumteleskop wäre dies nicht möglich gewesen, denn die Erdatmosphäre verschluckt die Infrarot-Strahlung.

„Die Anwesenheit von Eisen und folglich auch von allen anderen schweren Elementen zeigt, dass die Grundbausteine für Planeten und Leben schon früh im Universum vorhanden waren, zumindest an manchen Stellen – viel früher als zur Zeit der Erdentstehung vor 4,6 Milliarden Jahren“, ergänzt Freundlings Team-Kollege Michael Corbin vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, Maryland.

Das Resultat passt auch zu neuen Radio-Beobachtungen ferner Quasare. Bei etwa jedem dritten registrierten Astronomen um Frank Bertoldi vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn im Millimeter- und Zentimeterbereich thermische Strahlung – ein Indiz für Staub. Das gilt auch für SDSS J1148+5251, den mit 12,8 Milliarden Lichtjahren Distanz momentan fernsten bekannten Quasar, der ein Schwarzes Loch mit rund drei Milliarden Sonnenmassen beherbergt, und SDSS J1048+4637, der ebenfalls im Sternbild Großer Wagen steht und 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernt ist. In SDSS J1148+5251 fand ein internationales Astronomen-Team vor wenigen Wochen außerdem Kohlenmonoxid – ein weiterer Hinweis für die Existenz zahlreicher Sterne zu jener Zeit. Auch technisch sind diese Beobachtungen eine äußerst eindrucksvolle Leistung. Sie gelangen mit dem 30-Meter-Teleskop auf dem 2850 Meter hohen Pico Veleta bei Granada in Spanien und dem Interferometer – bestehend aus sechs zusammengeschalteten 15-Meter-Teleskopen – auf dem 2550 Meter hohen französischen Plateau de Bure. Die Instrumente werden vom französisch-spanisch-deutschen Institut de Radio Astronomie Millimétrique (IRAM) betrieben.

KOHLENMONOXID DEUTET AUF große Massen von dichtem Gas hin. Es zeigt an, dass hier viele Sterne entstehen, die das Gas und den Staub aufheizen. Rund 20 Milliarden Sonnenmassen an Kohlenmonoxid in einer einige Tausend Lichtjahre großen Raumregion um das Schwarze Loch in SDSS J1148+5251 haben die Forscher aufgespürt. „ Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach dem Urknall in den ersten für uns sichtbaren Galaxien existierten, hätte vor zehn Jahren noch niemand vermutet“ , sagt Team-Leiter Frank Bertoldi. „Die schweren Elemente im Staub und Kohlenmonoxid-Gas wurden durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen erzeugt. Nun besteht kein Zweifel mehr, dass die ersten massereichen Sterne am Ende ihres kurzen kosmischen Lebens mit gewaltigen Explosionen oder starken Winden viele schwere Elemente in das umliegende Gas gefegt haben. Dort gab es also bereits nach wenigen Hundert Millionen Jahren ähnliche Anreicherungen von Kohlenmonoxid und Staub, wie wir sie noch heute – 13 Milliarden Jahre später – im interstellaren Gas benachbarter Galaxien vorfinden.“

Bertoldi schätzt, dass in den Quasaren mit nachweisbarer Wärmestrahlung jedes Jahr einige Tausend neue Sterne zum Licht der Welt beitragen – eine enorme Zahl verglichen mit der nur ein Tausendstel so großen Sternentstehungsrate in normalen Galaxien wie unserer Milchstraße. So weist der hohe Staub- und Kohlenmonoxid-Anteil an der Gesamtmasse von SDSS J1148+5251 darauf hin, dass dort schwere Elemente sehr schnell und effizient gebildet wurden – und im kosmischen Kreislauf weiterverwertet werden, denn in der Galaxie flammte durchschnittlich alle fünf Stunden ein neuer Stern auf. Diese Fruchtbarkeit konnte freilich nur von kurzer Dauer sein, denn bei dieser Geschwindigkeit neuer Sterngeburten wäre das Gas nach zehn Millionen Jahren vollständig umgesetzt worden.

Da die Winkelauflösung der Radioteleskope nicht ausreicht, um die Größe der Emissionsregionen zu messen, konnte freilich bislang nicht ausgeschlossen werden, ob die Strahlung der Schwarzen Löcher für die Aufheizung des Gases verantwortlich ist – und somit zwar staubige Molekülwolken existieren, aber nicht notwendigerweise Sterne entstehen. Doch auch diese Lücke in der Beweisführung konnten die Forscher inzwischen schließen. Dabei kam ihnen der Zufall zu Hilfe – in Gestalt eines kosmischen Vergrößerungsglases: Das Licht des Quasars PSS J2322+1944 im Sternbild Pegasus, 12,1 Milliarden Lichtjahre entfernt, wird durch die Schwerkraft einer Vordergrund-Galaxie so aufgefächert, dass der Quasar von der Erde aus als Ring erscheint. Solche Gravitationslinsen-Effekte – eine Art kosmische Fata Morgana – sind optische Täuschungen, die Albert Einstein schon 1936 beschrieben hatte. PSS J2322+1944 ist nicht nur der fernste bekannte Einstein-Ring, sondern auch der erste mit Radiostrahlung von Molekülen.

Bertoldi: „Dieser Glücksfall eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars hat unsere Vermutung untermauert, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare in großer Zahl neue Sterne entstehen. Denn die Strahlungsintensität der Wolken ist so stark, dass sie bei einem so großen Abstand zum Schwarzen Loch nicht durch dieses selbst verursacht werden kann.“

Befände sich das Gas sehr nahe am Schwarzen Loch, wäre die beobachtete Strahlung des warmen Staubs und der Kohlenmonoxid-Moleküle ähnlich verteilt wie das sichtbare Licht des Quasars: als zwei punktförmige Objekte in einem Abstand von zirka zwei Bogensekunden (das entspricht einem Tausendstel des scheinbaren Monddurchmessers). Tatsächlich verteilt sich die Wärmestrahlung durch die Ablenkung im Gravitationsfeld der Vordergrund-Galaxie aber auf einen runden Ring. Aus der Größe und relativen Position des Rings und der optischen Abbildung des Quasars konnten die Wissenschaftler ableiten, dass Staub und Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von etwa 12000 Lichtjahren verteilt sind. Das Schwarze Loch mit seinem umgebenden, heiß leuchtenden Gas nimmt hingegen eine Region von nur wenigen Lichttagen ein. Der Einstein-Ring zeigt somit, dass das Schwarze Loch für die Staub- und Molekülemission größtenteils nicht verantwortlich sein kann.

„Alle unsere Beobachtungen zusammengenommen belegen eindrücklich, dass in Quasaren neben den supermassereichen Schwarzen Löchern auch ungeheure Mengen an Sternen entstanden sind, und das schon zu einer Zeit, als das Universum erst sechs Prozent seines heutigen Alters hatte“, sagt Bertoldi. Die Silikate im Staub stammen von den Explosionen kurzlebiger Riesensterne mit über 40 Sonnenmassen, der Kohlenstoff vermutlich von kleineren Sternen von vielleicht nur 2 bis 5 Sonnenmassen, die sich schon sehr früh im Universum gebildet haben müssten.

Selbst wenn die ersten Sterne im Universum tatsächlich alle massereiche Riesen waren, sind sie längst explodiert und bestehen nur noch in der Materie fort, die in Form von Gas und Staub, anderen Sternen, Planeten und sogar Menschen vorkommt. Aber vielleicht gab es auch sehr früh schon massearme Sterne, die heute noch leuchten. Sie zu finden, ist nicht leicht.

Der vor wenigen monaten entdeckte Stern HE0107-5240 im Sternbild Phönix ist der bislang aussichtsreichste Kandidat. Norbert Christlieb von der Hamburger Sternwarte und seinen Kollegen ist das 36000 Lichtjahre entfernte Objekt mit 0,8 Sonnenmassen nach einer großen Durchmusterung mit dem 1-Meter-Schmidt-Teleskop der Europäischen Südsternwarte in Chile aufgefallen, weil er chemisch betrachtet extrem primitiv ist: Es besitzt kaum schwere Elemente, weist beispielsweise nur ein Zweihunderttausendstel der solaren Eisen-Häufigkeit auf. Auch sind nur 9 schwerere Elemente nachgewiesen – andere eisenarme Sterne (mit einem Tausendstel der solaren Häufigkeit) haben 40 bis 60 davon. HE0107-5240 könnte also ein kosmischer Methusalem sein – einer der ersten Sterne überhaupt. Seine schweren Elemente hätte er dann entweder selbst erbrütet und durch innere Mischungsprozesse an die Oberfläche befördert oder von benachbarten Sternexplosionen aufgenommen. Das Problem dabei ist, dass die Entstehung so massearmer Sterne in den geläufigen Theorien der Sternbildung nicht vorgesehen sind. Doch vielleicht ist HE0107-5240 auch schon ein Stern der zweiten Generation und spiegelt in seiner Zusammensetzung die Element-Verteilung in extremen Vorgänger-Sternen wieder.

Die Astronomen sind jedenfalls zuversichtlich, bald mehr Licht ins Ende des Dunklen Zeitalters zu bringen – was hier paradoxerweise heißt, mehr Licht davon zu empfangen. Auch dazu passt ein Dichterwort – aus dem „Inferno“ von Dantes „Göttlicher Komödie“: „Dann traten wir hinaus und sahen die Sterne.“

KOMPAKT

Die Polarisation der Kosmischen Hintergrundstrahlung – ein Relikt aus der Zeit, als das Universum durchsichtig wurde – verrät, wann sich die ersten Sterne bildeten.

Staub, Kohlenmonoxid und Eisen bei den fernsten Quasaren lassen auf heftige Geburtswehen im jungen Kosmos schließen.

Die Riesensterne der ersten Generation schufen den Rohstoff für das Leben: die schweren Elemente.

Stellare Altersbestimmung

Da es kein kosmisches Einwohnermeldeamt gibt, bei dem Astronomen die Geburtsdaten des Universums und der ersten Sterne erfragen könnten, sind sie auf kompliziertere Methoden der Altersbestimmmung angewiesen. Erfreulicherweise haben die verschiedenen unabhängigen Verfahren in den letzten Monaten gut übereinstimmende Ergebnisse erbracht:

Die ältesten heute gut studierten Sterne befinden sich in Kugelsternhaufen. Und diese sind mit ziemlicher Sicherheit 12 plus/minus 1 Milliarde Jahre alt. Das ergab eine detaillierte Studie von Lawrence Krauss (Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio) und Brian Chaboyer (Dartmouth College in Hanover, New Hampshire).

Aus der Temperatur der kühlsten Weißen Zwerge – uralte Leichen ausgebrannter massearmer Sterne – ergibt sich ihr Mindestalter von 12,7 plus/minus 0,7 Milliarden Jahre.

Die Altersbestimmung von Sternen mithilfe ihrer „radioaktiven Uhren“ schwankt zwischen 11 und 20 Milliarden Jahren. Eine relativ exakte Datierung gelang einem internationalen Astronomen-Team um Roger Cayrel vom Observatoire de Paris-Meudon beim Stern CS31082-001. Dessen Gehalt an Uran-238 lässt auf ein Alter von 12,5 plus/minus 3 Milliarden Jahren schließen.

Die bislang beste Datierung stammt von der Raumsonde WMAP. Ihren Messungen zufolge fand der Urknall vor 13,7 plus/minus 0,2 Milliarden Jahren statt. Die ersten Sterne bildeten sich 100 bis 400 Millionen Jahre später.

Polarisation am Pol

Wie im Leben kommen auch in der Wissenschaft die Kleinen mitunter vor den Großen ans Ziel. 1968, schon wenige Jahre nach der Entdeckung der Kosmischen Hintergrundstrahlung, sagte Martin Rees, Astrophysik-Professor an der Cambridge University, voraus, dass dieses Nachleuchten des Feuerballstadiums polarisiert ist: Die Strahlung sollte an unterschiedlichen Orten eine bevorzugte Schwingungsebene besitzen. Deshalb war es ein Ziel der Raumsonde WMAP, diese Polarisation zu messen. Das glückte auch – doch keine zwei Monate, bevor das WMAP-Team seine Ergebnisse bekannt gab, beschrieb im Fachjournal Nature ein 25-seitiger Doppelartikel, dass die Kosmische Hintergrundstrahlung tatsächlich polarisiert ist – eine glänzende Bestätigung der Voraussage vom Standardmodell der Kosmologie.

Dieses Kunststück gelang DASI, dem Degree Angular Scale Interferometer. Es besteht aus 13 zusammengeschalteten 20-Zentimeter-Radioteleskopen im Abstand von 0,25 bis 1,21 Metern. Errichtet wurde es 1999 in der Antarktis bei der US Amundsen-Scott South Pole Station, wo kein Wasserdampf den Blick auf die Kosmische Hintergrundstrahlung trübt. Diese hatte DASI im Jahr 2000 bereits an 32 Stellen am Himmel kartiert. Doch die neuen Messungen im Südwinter 2001 und 2002 waren zehnmal so empfindlich: DASI hatte insgesamt fast 5500 Stunden lang zwei 3,4 Grad breite Himmelsregionen im Visier. Zehn 1 Gigahertz breite Bänder im Bereich von 26 bis 36 Gigahertz wurden von den hoch empfindlichen Detektoren wieder und wieder abgetastet.

„Die Polarisation wurde durch Elektronen verursacht, die auf den Energiewellen im frühen Universum surften“, sagt John Carlstrom von der University of Chicago, der Leiter des DASI-Projekts. Unpolarisiertes Licht wird polarisiert, wenn es reflektiert oder gestreut wird – das heißt, es schwingt dann nur noch in einer Ebene. Das ist auf der Erde beispielsweise der Fall, wenn Sonnenlicht auf eine Wasseroberfläche trifft. Die Polarisation der Hintergrundstrahlung entstand durch die Lichtstreuung an Elektronen im Urgas. Je schneller diese waren, desto stärker ist heute die Polarisierung. Daher kann Carlstrom ohne Übertreibung sagen: „Die Polarisierung verrät direkt die Dynamik im Universum.“ Sie liefert nicht nur ein eingefrorenes Bild, sondern zeigt an, wie sich die Materie damals bewegte.

Rüdiger Vaas

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

des  I 〈n.; –, –; Mus.〉 = Des (I) II 〈ohne Artikel; Mus.; Abk. für〉 des–Moll (Tonartbezeichnung) … mehr

Ei|dos  〈n.; –; unz.; Philos.〉 1 Aussehen, Gestalt 2 Begriff, Idee … mehr

Na|tur|spiel  〈n. 11〉 1 auffallende, an andersartige Gegenstände erinnernde Bildung, z. B. Eisblumen 2 abnorme Bildung, Missbildung … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige