„Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen! / Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit. / Ein Schauplatz aller Angst und Widerwärtigkeit, / ein bald verschmelzter Schnee, ein abgebrannt Kerzen“, dichtete Andreas Gryphius 1637. Dem stehen Myriaden von Sinnversprechungen, -suchern und -sehnsüchten entgegen. Doch was heißt überhaupt „ Sinn des Lebens“, und wie läßt sich diese Frage sinnvoll diskutieren?
Drei Philosophen der Universität Leipzig geben einen exzellenten Überblick und viele Denkanstöße mit rund 70 hervorragend ausgewählten und erläuterten Texten – von alter, aber nicht veralteter Dichtung wie der des Gryphius bis hin zu scharfsinnigen Argumentationen zeitgenössischer analytischer Philosophen. Auch Poesie, Bilder und Credos von totalitären Ideologien bis zum Nihilismus und von Erbaulichem bis zum Absurden illustrieren die Lebensfrage in vielen kontrastreichen Facetten.
Die Suche nach dem „Sinn des Lebens“ ist wohl so alt wie das Nachdenken über das Ich und die Welt. Der Ausdruck selbst kam aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode – als der Sinn nämlich fraglich wurde. Inzwischen wird im unübersichtlichen Supermarkt der Postmoderne alles mögliche als Sinn feilgeboten: Ruhm, Macht, selbstbestimmtes Handeln, Fortpflanzung, Spaß, Liebe, Arbeit, Erkenntnis, Weiterentwicklung, Kunst, gesellschaftliches Wohl, ewiges Leben mit Gott und vieles mehr. Doch vielleicht ist es ja bloß eine Illusion, daß das Leben überhaupt einen Sinn hat.
Christoph Fehige, Georg Meggle, Ulla Wessels (Hrsg.)DER SINN DES LEBENSdtv, München 2000, 570 S., DM 48,–
Rüdiger Vaas