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Supergau im Wohnzimmer

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Supergau im Wohnzimmer
Angstbewältigung und Kontrolle der Umwelt – aus diesen Motiven schalten immer mehr Fernsehzuschauer brutale Krimis an.

Gewaltdarstellungen im Fernsehen nehmen zu – auf der Hitliste des Publikums stehen sie ganz oben. Nach Ansicht der Vielseher kann das bestehende Angebot den wachsenden Durst nach eiskalten Szenen kaum löschen.

Zu diesem Ergebnis kommt Peter Vitouch, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für empirische Medienforschung in Wien. Zwei Aspekte im Zuschauerverhalten sind ihm bei seinen Studien besonders aufgefallen: Der Wunsch, die Umgebung zu kontrollieren. Die Suche nach Angst.

„Der Wunsch nach Kontrolle entspringt dem Wunsch nach Vorhersagbarkeit“, erklärt Peter Vitouch. Das Ziel sei, alles im Griff zu haben. Im Alltag – Arbeitsplatz, Familie – werden viele dagegen mit einem schmerzlichen Defizit an Kontrolle und Vorhersagbarkeit konfrontiert. Der exzessive Thrillerkonsum, so Vitouch, hat hier eine Ausgleichsfunktion. Stereotype und klischeehafte Unterhaltungen ersetzen scheinbar das, was im Leben vergeblich gesucht wird.

So gesehen biete die Flimmerkiste „Psychositzungen“ zu Dumpingpreisen. Immer dann, wenn die Realität verrückt spielt, wenn gar nichts gelingt, hat der verunsicherte Mensch sofort und anonym die Möglichkeit, sich stundenlang selbst zu therapieren. „Man muß allerdings eher von einer Scheintherapie sprechen“, meint der Wiener Spezialist, „denn die Drehbücher im Leben laufen nicht wie die im Film nach fixen Schemen ab.“

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Vitouch sieht noch einen Auslöser für telegenen Gewaltkonsum: Ängstliche Jugendliche nutzen Krimis und Horrorfilme als Trainingsfeld für Strategien zur Angstbewältigung. „Es ist eine bereits vorhandene Angst, die durch massiven Gewaltkonsum bewältigt werden soll“, sagt der Medienforscher. Das heißt: Angst kommt nicht vom Fernsehen, sondern die innere Angst verleitet zur TV-Stimulanz. Der Versuch, die eigene Angst in kontrollierte Bahnen zu lenken, wäre demnach die Ursache für die Sucht nach brutalen Krimis oder Actionfilmen.

Doch diese Selbstmedikation ist ebenfalls eine Pseudo-Therapie, auch hier passen TV-Welt und das eigene Leben nicht zusammen: Angstbewältigung kann damit ebenso wenig gelernt werden, wie man den Teufel mit Beelzebub austreiben kann. Die in ihren Auswirkungen nicht meßbare TV-Gewalt bleibt, so Vitouch, „psychische Umweltverschmutzung“.

Christine Pirker

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