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Tiere als Ersatzteillager?

Allgemein

Tiere als Ersatzteillager?
Auf der 120. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) in Berlin feierte bild der wissenschaft zwei Premieren. Ob und wie Menschen mit Tierorganen leben können, wurde auf dem bdw-Satellitensymposium heiß diskutiert. Die gläserne Online-Redaktion berichtete dazu live im Internet.

Ganz im Zeichen des Tagungsmottos, “Informationswelten – unsere Welten der Information”, trug die “gläserne OnlineRedaktion” von bild der wissenschaft dazu bei, möglichst viele Menschen über die vielfältigen Veranstaltungen auf der 120. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) in Berlin zu unterrichten: Unmittelbar nach den einzelnen Veranstaltungen stellte sie aktuelle Berichte über die Beiträge der Wissenschaftler zum Abruf im Internet bereit. Das breite Angebot packender Forschungsthemen reichte von der Gentechnik über künstliche Sinne für Roboter bis zum Wissenschaftler als Firmengründer.

Ein Höhepunkt der Tagung sorgte gleich am Eröffnungstag für Diskussionsstoff. bild der wissenschaft hatte erstmals zu einem Satellitensymposium geladen. Diese Einrichtung soll begleitend zu Veranstaltungen aktuelle Themen aus der Wissenschaft von möglichst vielen Seiten beleuchten. Bei der GDNÄ nutzte bild der wissenschaft die Gelegenheit, lange vor dem Einsatz eines neuen medizinischen Verfahrens, die Diskussion über Chancen und Risiken anzustoßen. “Forschung aktuell – Das neue Herz vom Schwein?” sollte die Frage klären, ob und wie Menschen in Zukunft mit tierischen Ersatzorganen leben können. Drei ausgewiesene Experten für die Transplantation von Tierorganen, die sogenannte Xenotransplantation, nahmen dazu Stellung.

In Deutschland herrscht Organmangel – vor allem aufgrund der Unwilligkeit zur Organspende. Aus medizinischer Sicht ist laut Prof. Gustav Steinhoff von der Klinik für Thorax, Herz- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover die Xenotransplantation eine Option, um diesen Organmangel zu beseitigen. Allerdings seien noch viele Hürden zu nehmen.

Derzeit ist eine schnellere Behandlung der etwa 13000 Patienten in Deutschland, die dringend auf ein Organ warten, nicht abzusehen. Sowohl die Abstoßung des artfremden Gewebes als auch die physiologische Funktion der übertragenen Organe läßt sich noch nicht beherrschen. Die Gentechnik bietet laut Steinhoff hoffnungsvolle Ansätze, die Oberfläche der Spenderorgane so zu verändern, daß sie von der körpereigenen Abwehr nicht als fremd erkannt werden. Doch selbst wenn sich dieses Problem lösen läßt, fehlt die klinische Infrastruktur für entsprechende Operationen, befürchtet Steinhoff. Sollten die langwierigen Forschungen erfolgversprechend verlaufen, dann können am ehesten Schweineherzen übertragen werden, da sie sich am besten in die Funktionen des menschlichen Körpers einpassen.

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Auf “blinde Passagiere” im Erbgut der Spendertiere wies Prof. Reinhard Kurth hin, Direktor des Robert Koch Instituts in Berlin. Sogenannte endogene Retroviren haben sich im Lauf der Evolution in die DNA bestimmter Arten integriert. Sie werden also auch an die nächste Generation vererbt. Während ihrer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte arrangierten sich Wirt und Virus, so daß für beide das Überleben gesichert ist. Werden die Viren aber auf andere Arten übertragen – zum Beispiel durch Xenotransplantation -, dann können die Mikroben tödlich werden.

Auch katastrophale Pandemien durch Ansteckung von Mensch zu Mensch sind denkbar, befürchtet Kurth. Der Aids-Erreger HIV ist das beste Beispiel für einen solchen gefährlichen Killer. Da bisher nur etwa vier Prozent aller Mikroben (Bakterien, Viren, Pilze) bekannt sind, ist es äußerst wahrscheinlich, daß man in Zukunft weitere gefährliche Krankheitserreger entdeckt. Die Viren aus dem Erbgut zu entfernen, ist fast unmöglich. Neben den biologischen Risiken nannte Kurth auch ethische und moralische Bedenken.

Der Beauftragte der Evangelischen Landeskirche Bayern für Naturwissenschaft und Technik, Dr. Roger Busch, wies auf das klassische Dilemma zwischen Körper und Geist hin. Er fragte: “Wiegt der physiologische Nutzen, mit einem tierischen Herzen weiterzuleben, die psychologischen Veränderungen im Selbstbild der Patienten auf? Wie wird die Gesellschaft jemanden betrachten, der zum Teil aus tierischem Gewebe besteht?” Die Möglichkeit, Organe beliebig nachzuzüchten und zu transplantieren, mache es den Menschen noch schwerer, die eigene Endlichkeit zu akzeptieren. Busch warnte auch vor einer Zwei-Klassen-Transplantationsmedizin. Wegen des Organmangels könne es soweit kommen, daß nur Patienten, die es sich leisten können, eines der raren menschlichen Organe erhalten. Wem die finanziellen Mittel fehlen, der muß sich vielleicht mit einem schlechteren tierischen Ersatz zufrieden- geben.

Alle Vortragenden waren sich einig, daß bis zu einem Einsatz der Xenotransplantation noch enorme Forschungsanstrengungen nötig sind. Aber sie forderten, daß sich die Gesellschaft schon jetzt mit den Wissenschaftlern über die möglichen Folgen auseinandersetzt. Das große Interesse sowohl der Tagungsbesucher als auch der Internetnutzer an diesem Thema läßt hoffen, daß die Debatte über Tiere als Organspender in der Öffentlichkeit weitergeht.

Xenotransplantation

pro Erhöhung der Lebensdauer und -qualität der Patienten Minderung des Organmangels Austrocknung des Schwarzmarktes für Organe Umgehung der rechtlichen und ethischen Bedenken bei Allotransplantation

contra Ansteckungsgefahr und in der Folge Pandemien Veränderung des Selbstbildes des Menschen tierschutzrechtliche Bedenken Verteilungsgerechtigkeit/mögliche Zwei-Klassen-Transplantationsmedizin

Transplantation menschlicher Organe

In Deutschland wurden seit 1963 etwa 50000 Organtransplantationen vorgenommen. Für 1998 liegt die Zahl bei etwa 4000. Dringend auf ein Ersatzorgan warten derzeit 13000 Patienten. Sebastian Jutzi

Sebastian Jutzi

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