Tiere sind in einem ständigen evolutionären Wettkampf miteinander, um das eigene Erbgut so gut wie möglich in Form von Nachwuchs zu vermehren. Die auffällige Folge dieses Kampfes sind die Formen des Penis von Insekten und Spinnentieren. Er ist nicht nur Spermaüberträger, sondern auch Stößel, Wischmopp und Messer. Die Form der Geschlechtsorgane ist so markant und artspezifisch, dass Biologen sie benutzen, um Insektenarten zu unterscheiden, die sich ansonsten extrem ähneln und mit den klassischen Methoden nicht zu bestimmen wären.
Bis vor einigen Jahrzehnten war unter Entomologen sogar die Schloss-Schlüssel-Hypothese verbreitet. Sie besagte, dass Insekten ihre Geschlechtsorgane als anatomische Visitenkarte benutzen. Doch Christopher O’Toole, Entomologe am Oxford University Museum, erscheint diese Idee angesichts dessen, was Biologen inzwischen über das Verhalten von Insekten wissen, ein wenig naiv: „Sie bedeutet im Grunde, dass Insektenmännchen aufs Geratewohl herumfliegen, um ihre Geschlechtsorgane in jedes augenscheinlich passende Weibchen zu stecken. Und wenn sein ,Schlüssel‘ zu ihrem ,Schloss‘ passt, paaren sie sich. Doch das tun sie ganz sicher nicht.”
Dieses Verfahren wäre natürlich völlig ineffizient, weil viel zu zeitaufwendig und gefährlich, da kein Männchen weiß, auf wen es es beim Annäherungsversuch trifft – am Ende auf einen Fressfeind? Insekten und Spinnen haben darum ein ausgeklügeltes Paarungsverhalten entwickelt: Der gesuchte Partner muss passend aussehen – und vor allem riechen –, und er muss das artspezifische Balzverhalten zeigen – also richtig tanzen, zirpen oder dergleichen. Erst dann geht es los.