Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Trend: Das Handy als Geldbörse

Allgemein

Trend: Das Handy als Geldbörse
Der mobile Handel boomt: Rechnungen werden künftig per Handy beglichen.

Das Taxi hält vor dem Frankfurter Hauptbahnhof, der Fahrer nennt seinem Kunden den Betrag. Der zückt sein Handy, und zwei Minuten später ist die Taxifahrt bezahlt. Kein Bargeld hat den Besitzer gewechselt, auch eine Kreditkarte wurde nicht gebraucht. Statt dessen hat der Fahrgast das Geld überwiesen, indem er ein paarmal auf der Tastatur seines Mobiltelefons tippte.

Bezahlen mit dem Handy ist keine Vision mehr. Seit dem 11. Mai bietet die Wiesbadener Firma paybox.net AG diesen Service in Deutschland an, einige hundert Frankfurter Taxis erproben ihn. Wer „paybox“ nutzen will, zahlt eine Jahresgebühr von etwa 10 Mark. „Unser System funktioniert mit allen Mobiltelefonen“, preist Eckhard Ortwein, Vorstand bei paybox.net, sein Produkt an. „Wir brauchen dazu kein WAP oder eine andere neue Technologie.“ Auch im Internet lassen sich mit dem Mobiltelefon Rechnungen begleichen. Mehr als hundert Web-Shops bieten paybox inzwischen als Zahlungsoption an.

Das britische Marktforschungsunternehmen Durlacher Research prophezeit dem mobilen Handel – kurz M-Commerce – in Europa einen Boom: Von knapp 650 Millionen Mark im Jahr 1998 würden die Umsätze bis 2003 auf rund 46 Milliarden Mark hochschnellen. Damit dürften Systeme für den mobilen Handel den reinen Internet-Zahlungsverfahren, insbesondere der Kreditkarte, gehörig das Wasser abgraben. „Viele Kunden haben Bedenken, ihre Kreditkarten-Nummer durch das Internet zu schicken“, sagt Marktforscher Falk Müller-Veerse von Durlacher Research. Normalerweise liegt die Mißbrauchsquote (das Verhältnis von Umsatz zu Schadenssumme) für alle Kreditkartentransaktionen bei 0,1 Prozent. Bei Internet-Geschäften soll sie dagegen zwischen drei und fünf Prozent groß sein, schätzen Online-Händler. Genaue Statistiken hüten die Kreditkarten-Unternehmen wie ein Staatsgeheimnis. Das Risiko für den Käufer ist auf jeden Fall gering: Sollten Betrüger mit seiner Kartennummer shoppen gehen, kann er die Abbuchungen reklamieren und bekommt in der Regel das Geld zurück. Für die Kreditkarten-Unternehmen ist das ein lästiger Verwaltungsaufwand.

Um das Einkaufen im Netz für alle Beteiligten sicherer zu machen, bieten die Banken und Sparkassen ausgeklügelte Zah- lungssysteme an, die auch für Pfennigbeträge praktikabel sein sollen. Manche Geldinstitute favorisieren die Cybercoins der Firma Cybercash (www.cybercash. de). Das sind Internet-Münzen, die der Kunde von seinem Girokonto in eine virtuelle Geldbörse auf dem Cybercash-Rechner überträgt. Bei einem Online-Geschäft wickeln Kunde und Shop die Bezahlung über den Cybercash-Rechner ab. Der Händler bekommt sein Geld, aber keine persönlichen Daten des Kunden.

Anzeige

Weder Kunden noch Händler konnten sich bisher mit dem komplexen Verfahren anfreunden. „Alle Banken arbeiten an einfacheren Systemen“, verrät Manfred Ehrhardt von der Landesbank Baden-Württemberg. Der Produktmanager für Internet-Bezahlsysteme räumt ein: „Natürlich denken wir auch über Bezahlmöglichkeiten per Mobiltelefon nach.“ Für viele Experten ist M-Commerce ohnehin die elegantere Variante, Online-Geschäfte abzuwickeln. „Im Internet besteht immer die Schwierigkeit, sein Gegenüber zu identifizieren“, erläutert Andreas Marra, Vice President Mobile Commerce beim Stuttgarter E-Commerce-Unternehmen Brokat. „Beim Handy authentifiziert man sich ohnehin, wenn man sich mit seiner Geheimzahl beim Netzbetreiber anmeldet.“ Die Mobilfunkbetreiber könnten dann auch gleich die Abrechnung vornehmen und das Geld mit der Telefonrechnung einziehen. In Finnland läuft ein Pilotprojekt der Mobilfunkgesellschaft Sonera. Wer sich am Flughafen von Helsinki eine Cola aus dem Automaten ziehen will, wählt mit seinem Handy einfach die Nummer auf dem Getränkefach.

„Die beste Lösung wäre eine digitale Signatur, die auf der SIM-Karte des Handys gespeichert wird“, sagt Stefan Engel-Flechsig, Chef der deutschen Niederlassung von Sonera SmartTrust in Sankt Augustin bei Bonn (www. smarttrust.com). Das Unternehmen bietet diese Technologie auf der Basis der sogenannten Public Key Infrastructure (PKI) bereits an. Jeder Nutzer bekommt zwei digitale Schlüssel – einen öffentlichen und einen privaten. Mit einem solchen Schlüsselpaar könnten sich nicht nur Händler und Kunde gegenseitig identifizieren. Die digitale Signatur könnte künftig auch als Personalausweis dienen. Zumindest in Finnland, wo bereits zwei Drittel aller Bürger ein Mobiltelefon besitzen, soll diese Vision Wirklichkeit werden. Dort entwickelt Sonera SmartTrust zusammen mit dem Einwohnermeldeamt einen digitalen Ausweis, der auf der SIM-Karte des Handys gespeichert werden soll.

Interview „Neue Systeme müssen das Leben Einfacher machen“ bdw:In einer Studie sagen Sie voraus, daß das Bezahlen per Handy in den kommenden drei Jahren boomen wird. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Müller-Veerse:Der erste Grund dafür ist die weite Verbreitung der Geräte. In wenigen Jahren wird fast jeder ein Handy besitzen und auch praktisch immer dabei haben. Zweitens lassen sich in Mobiltelefonen ohne Probleme zusätzliche Daten, etwa Euroscheck- oder Kreditkarte und eine digitale Signatur speichern. Das Handy ist wie geschaffen zum Multifunktionsterminal.

bdw:Und damit lassen sich dann auch Zahlungen im Internet abwickeln?

Müller-Veerse:Auf jeden Fall.

Das ist viel sicherer, als die Kreditkartennummer übers Netz zu schicken. Mit Hilfe der digitalen Signatur im Handy werden sich Händler und Kunde eindeutig identifizieren können.

bdw:Mit digitalem Geld wie beispielsweise dem Cybercoin geht das doch jetzt schon.

Müller-Veerse:Richtig. Aber wir glauben, daß sich Technologien, bei denen man vorher Geld in ein digitales Portemonnaie einzahlen muß, nicht durchsetzen werden. Neue Bezahlverfahren sollen das Leben einfacher, nicht komplexer machen. Und deshalb müssen sie eine logische Weiterentwicklung jetziger Systeme sein.

bdw:Wie würde ein solches einfaches Bezahlsystem beim Handy aussehen?

Müller-Veerse:Folgendes Szenario wäre denkbar und technisch machbar: Die Euroscheckkarte wird ins Handy integriert. Beim Bezahlen im Supermarkt nimmt die Kasse automatisch Kontakt mit dem Mobiltelefon auf und funkt den Zahlbetrag aufs Display. Der Kunde muß nur noch seine Geheimzahl eintippen und bestätigen.

Wie „Paybox“ Funktioniert Der Kunde muß sich mit seiner Handy-Nummer bei paybox.net anmelden und dem Unternehmen eine Einzugsermächtigung erteilen. Per Post bekommt er dann eine vierstellige Geheimzahl (PIN) zugesandt. Auch der Shop-Betreiber muß sich bei paybox.net registrieren. Von jeder Einnahme erhält paybox.net drei Prozent. Ein typischer Internet-Einkauf mit paybox (Demo im Internet: www.paybox.de): Der Kunde klickt die Zahlungsoption „paybox“ an und gibt seine Mobilfunk-Nummer ein. Der Händler schickt die Nummer zusammen mit dem Rechnungsbetrag über eine verschlüsselte Internet-Verbindung sofort an den paybox-Computer. Wenige Sekunden später ruft der paybox-Rechner bei der eingegebenen Handy-Nummer an und teilt per Sprachcomputer den zu zahlenden Betrag mit. Als Bestätigung gibt der Kunde seine paybox-PIN ein. Der paybox-Rechner teilt dem Händler über das Internet mit, daß der Käufer die Rechnung beglichen hat. paybox.net zieht den Betrag vom Kundenkonto ein und überweist ihn dem Händler. Privatleute können sich auch Geldbeträge von Handy zu Handy schicken. Genauso ist die Bezahlung von mobilen Dienstleistern wie Taxifahrern möglich.

Frank Fleschner

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ku|gel|la|ger  〈n. 13; Tech.〉 Lager von Wellen u. Achsen auf einem Kranz von Kugeln; Ggs Gleitlager ( … mehr

Me|di|an|ebe|ne  〈f. 19〉 = Mediane

Gold|ha|se  〈m. 17; Zool.〉 zu den Agutis gehörendes Nagetier mit zitronengelbem Fell: Dasyprocta aguti

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige