Beim klassischen Verfahren werden Radiosignale von der Erde zu den Satelliten geschickt. Die Genauigkeit dieser Methode wird durch atmosphärische Störungen begrenzt. Die daraus resultierenden Laufzeitunterschiede zwischen den Uhren sind zwar winzig, begrenzen aber prinzipiell die Genauigkeit des GPS-Systems. Einige Forscher denken nun darüber nach, die Uhren zweier Satelliten mithilfe verschränkter Photonen zu synchronisieren. Die „spukhafte Fernwirkung“ zwischen den beiden Lichtteilchen könnte die Gleichzeitigkeit herstellen. Eine Messung an dem Photon auf Satellit A würde simultan den Zustand des Photons auf Satellit B bestimmen und könnte zum gleichzeitigen Start beider Uhren genutzt werden. Der Denkfehler dabei: Auch die verschränkten Photonen müssen zunächst zu den Satelliten geschickt werden und unterliegen dabei Störungen, die die Verschränkung zwischen ihnen beeinträchtigen.
Der „Spuk-Erhaltungssatz“, den Christoph Adami und Robert Gingrich vom Jet Propulsion Laboratory der NASA im kalifornischen Pasadena jetzt gefunden haben, könnte diesem Problem neue Denkimpulse geben. Die Forscher haben gezeigt, dass zwar die Gesamtverschränkung zwischen zwei Teilchen für einen ruhenden und einen sich sehr schnell bewegenden Beobachter die gleiche ist. Aber eine Verschränkung des Spins (des Drehimpulses) der beiden Teilchen kann in eine Verschränkung ihres Impulses (des Produkts aus Masse und Geschwindigkeit) umgewandelt werden und umgekehrt.Gingrich drückt es salopper aus: „Anscheinend kann man Verschränkung aus dem Nichts erzeugen, indem man sich nur schnell bewegt.“ Tatsächlich sind die physikalischen Verfahren zur Verschränkung des Spins beziehungsweise des Impulses sehr verschieden voneinander, sodass die Umwandlung dieser beiden Verschränkungsarten ineinander in speziellen Fällen von Vorteil sein könnte. Wie ihr „Spuk-Erhaltungssatz“ bei der Synchronisation der Satellitenuhren konkret helfen könnte, weiß Adami aber noch nicht: „Vielleicht findet jemand einen Trick. Es gibt keinen prinzipiellen Grund, warum das nicht funktionieren sollte.“
Vielleicht geht es aber doch ganz ohne Spuk-Erhaltung: Dem Wiener Team um Anton Zeilinger ist es vor kurzem gelungen, verschränkte Photonen-Paare durch die Luft zu schicken. Eines der beiden Photonen hatte dabei 500 Meter – über die Donau –zu überwinden, das andere legte eine Strecke von 150 Metern zurück. Die Entfernung der beiden Empfängerstationen betrug 600 Meter. Die Übertragung gelang trotz einiger widriger Bedingungen: einer Windstärke von 50 Stundenkilometern, einer Temperatur um den Gefrierpunkt, vorbeifahrenden Zügen und Lastkraftwagen sowie Schiffen auf dem Fluss.
Zwar beträgt die Entfernung zu Satelliten einiges mehr als einen halben Kilometer – die GPS-Satelliten kreisen beispielsweise in einer Höhe von etwa 20000 Kilometern. Kritisch für die verschränkten Photonen ist jedoch nur die untere dichte Atmosphärenschicht. Ab einigen Dutzend Kilometern ist die Luft so dünn, dass die Photonen sie nahezu ungehindert durchdringen können.
Axel Tillemans