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Verräterische Nagelkissen

Allgemein

Verräterische Nagelkissen
Luchse in Nordamerika lassen Haare für die Wissenschaft – und sichern damit vielleicht ihr Überleben.

Parfum, Nagelteppich und Gentechnik – damit spürt Dr. John Weaver aus Montana den nordamerikanischen Luchsen nach. So ist es erstmals gelungen, umfassende Aussagen über das Vorkommen und die Lebensbedingungen der seltenen Wildkatzen zu gewinnen. Seit zehn Jahren schon ist der Luchs Streitobjekt zwischen Umweltschützern und Behörden. Die Beamten zögern, ihn auf die Liste der bedrohten Arten zu setzen und nach dem Endangered Species Act zu schützen. Die Luchs-Lobby dagegen drängt darauf, Jägern und Pelzsammlern per Gesetz die Flinte zu stopfen. Weaver schickt Daten über den Bestand der Luchse an beide Parteien. Darauf basierend wird im Dezember ein endgültiges Urteil über die Zukunft von Lynx canadensis gefällt. Der Luchs lebt in den Mittelgebirgen Nordamerikas und in Kanada. Doch wo genau und in welcher Zahl war bis vor kurzem ungewiß. Der Grund: „Luchse sind schwer zu fassen“, sagt Weaver, „und wenn, dann nur auf rabiate Art.“ In Fallen gelockt, narkotisiert und mit Halsbandsender ausgestattet, wurden die Tiere bislang über Peilgeräte geortet. Doch das ist aufwendig, teuer und für die Tiere stressig. Vor drei Jahren kam Weaver auf eine sanftere Methode – als er wieder einmal sah, wie „Churp“, ein gezähmtes Luchsweibchen, ihren Kopf an Baumstämmen rieb. Luchse haben an Stirn und Wangen Drüsen, die auf Druck einen Duftstoff absondern. Durch das Reiben markieren die Katzen ihr Revier – und lassen Haare dabei. Nun mußte Weaver noch einen Weg finden, Luchse kontrolliert zur Haarspende zu bewegen.

Er entwickelte eine Art Katzenparfum, das er Eau de Feline taufte, und beträufelte damit handflächengroße Teppichstücke. Die spickte Weaver außerdem mit kleinen, abgerundeten Nägeln und hämmerte sie an Bäume. Churp wurde davon wie magnetisch angezogen und versuchte durch heftiges Kopfreiben den fremden Geruch zu überdecken. Die Haare, die sie dabei ließ, schickte der Biologe an Genetiker in den Labors der Wildlife Conservation Society in New York. Sie untersuchten die Luchs-DNA auf charakteristische Gene. Als Referenz hatten sie Proben von 50 Tieren, je 25 von Luchsen der Art Lynx canadensis und von dem verwandten Rotluchs (Lynx rufus). Ergebnis: Aus einem einzigen Haar lassen sich Aussagen treffen über die Art, das Geschlecht, individuelle Merkmale des Tieres und seinen Verwandtschaftsgrad zu anderen Luchsen. Seit zwei Jahren verteilen Forstangestellte nun parfümierte Nagelkissen in Gebieten, wo sie Luchse vermuten. Alle 14 Tage überprüfen sie die Stationen auf Haare. Oft mit Erfolg: So galt zum Beispiel im Bundesstaat Washington der Luchs offiziell als ausgestorben. Haarproben beweisen aber, daß dort mindestens sieben Tiere leben, vor allem in den Cascade Mountains. In ganz USA gibt es etwa 200 bis 1000 Luchse, hauptsächlich in den nördlichen Bundesstaaten Washington, Idaho, Montana und Oregon. Inzwischen nutzt Weaver seine Technik auch für das Aufspüren von Schneeleopard, Ozelot und Jaguar. In Arbeit ist eine Duftkombination für Grizzly-Bären. Bären sind biologisch die nächsten Verwandten der Katzen. Sie haben ähnliche Duftdrüsen, die den Biologen einiges über Wanderungen und Familienverhältnisse der großen Braunen verraten können.

Endangered Species Act

Das 1973 von der US-Regierung erlassene Gesetz soll vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten schützen. Der Luchs ist (noch) nicht darunter. Er ist lediglich als besonders schützenswert „empfohlen“.

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Luchse

Die „Pinselohren“ sind die einzigen Raubkatzen, die sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt leben. In Europa ist der Luchs (Lynx lynx) zwar geschützt, gegen Pläne zur regionalen Wiederansiedlung sträuben sich aber besonders die Schafzüchter. In Nordamerika jagen die raren Katzen (Lynx canadensis und Lynx rufus) vor allem Schneeschuhhasen.

Eau de Feline

Das Parfum für Luchsnasen besteht aus einer Kombination von Pheromonen und Gewürzen, darunter ein Extrakt von „Echter Katzenminze“, die auch Hauskatzen unwiderstehlich finden. Das Parfum appelliert an die Territorial- und Sexualinstinkte der Tiere. Für Puma, Jaguar, Tiger und Ozelot gibt es jeweils spezielle Varianten. Luchse im Internet http://lynx.uio.no/jon/lynx/lynxhome.htm

Désirée Karge

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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