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Wassergeburt einer neuen Insel

Allgemein

Wassergeburt einer neuen Insel
Die turbulente Entstehung der Insel Loihi. Südlich von Hawaii wächst eine neue Vulkaninsel im Meer, begeleitet von Erdbeben. Geologen warnen vor möglichen Flutwellen, die Touristenorte bedrohen könnten.

Wir beobachten eine heranwachsende Insel im Bauch des Ozeans“, schwärmt Dr. Alexander Malahoff. Was den Chef der Undersea Research Station an der University of Hawaii so in Aufregung versetzt, ist der UnterwasserBerg Loihi – von Malahoff liebevoll „Baby“ genannt -, dessen Geburtswehen im Juli vergangenen Jahres den Meeresboden südlich der Inselkette Hawaii erschütterten. Während drei Wochen registrierten Seismologen mehr als 5000 Beben, von denen eines die Magnitude 5 auf der Richterskala erreichte.

Malahoff und seine Kollegen machten ihr Forschungsschiff startklar, um bei der Geburt der neuen Insel hautnah dabeizusein. Ihre Meßergebnisse präsentierten sie vor kurzem auf einer Tagung der Geophysikalischen Vereinigung in San Francisco.

Loihi – „die Lange“ – wurde erstmals in den sechziger Jahren bei Messungen mit dem Echolot 35 Kilometer südöstlich der großen Insel Hawaii entdeckt. Verglichen mit den vulkanischen Aktivitäten der alten Inseln und deren Wachstumsgeschwindigkeit muß das neue Unterwasser-Bergmassiv seit etwa 100000 Jahren aus dem Meeresboden gewachsen sein. Bisher hat es eine Höhe von 4000 Metern erreicht – und dennoch liegt sein Gipfel immer noch 1000 Meter unter dem Meeresspiegel.

Wenn Loihi in diesem Tempo weiterwächst, müßte sie in etwa 50000 Jahren das Licht der Welt erblicken, schätzt Malahoff. Dann wird sie das jüngste Glied in der Kette der Hawaii-Inseln sein. Ihr Schöpfer ist ein „Hot spot“ tief im Erdinneren, der ähnlich wie ein Schweißbrenner Löcher in die sich langsam über ihn schiebende Pazifische Platte brennt. Aus den Löchern dringt Magma an die Oberfläche, das neue Inseln wachsen läßt.

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Als Malahoff und seine Kollegen mit ihrem Forschungsschiff vor Loihi eintrafen, fanden sie eine diffuse Wolke aus warmem Wasser. Das Forscherteam tastete die Unterwasser-Insel mit Ultraschall ab, um das Wachstum des Berges zu bestimmen. Der Vergleich mit älteren Bildern brachte Überraschendes ans Licht: Loihi war nicht gewachsen, sondern um 300 Meter geschrumpft. Wo vorher der nach der Vulkangöttin „Pele“ benannte Gipfel emporragte, gähnte nun ein kilometerweiter Krater, den die Meeresforscher „Pele’s Pit“ tauften. „Der Krater sah aus wie ein altes Wrack“, beschreibt Malahoff seinen ersten Eindruck.

Der Einsturz muß sich über einen Zeitraum von etwa fünf Tagen erstreckt haben – das schlossen die Forscher aus dem Verlauf der Erdbeben-Serie. Eine andere Frage blieb zunächst unbeantwortet: Wo waren die fehlenden 75 Millionen Kubikmeter Lavagestein, die nach ersten Berechnungen aus dem Unterwasser-Berg geflossen sind und von denen der große Krater zeugt? Unmittelbar nach der Ankunft der Meeresgeologen war das Wasser noch zu turbulent, um das Tauchboot „Pisces“ einzusetzen. Erst bei zwei weiteren Expeditionen im September und Oktober konnten sich die Forscher auf die Suche nach dem verschwundenen Gestein machen.

Vorsichtig manövrierte Pisces am südlichen Bergkamm in Peles neuen Krater hinein. Während die Kraterflanke von rostroten Mikroorganismen überzogen war, flatterten an den schroffen Innenwänden weiße Mikroben-Matten wie Fahnen im Wirbel aufsteigender Heißwasserströme. Das heiße Wasser schwemmte Mineralien aus dem porösen Lavagestein und braute so eine nährstoffreiche Suppe für die Mikroorganismen, darunter vor allem die urtümlichen Archae-Bakterien.

Der Abstieg in Peles Schlund war faszinierend – und gefährlich: „An manchen Stellen war es 77 Grad Celsius heiß, und die Kunststoffscheiben unserer Luken wurden weich“, berichtete Malahoff später. Die Forscher wurden für ihren Wagemut nicht belohnt: Sie fanden keine Spur der vermißten Lava. Enttäuscht machten sie sich auf den Heimweg.

Unterwegs – in etwa 50 Kilometer Entfernung von Loihi – entnahm das Team Wasserproben. Was nur zur Kontrolle gedacht war, entpuppte sich als Glücksgriff: In einer Probe aus 2000 Meter Tiefe fand John Lupton vom NOAA-Labor in Newport, Oregon, eine besonders hohe Konzentration des Isotops Helium-3 – dreimal mehr als bei Unterwasser-Vulkanen üblich. Bisher wurde eine solche Anreicherung von Helium-3 nur direkt über Loihis Krater in etwa 1000 Meter Tiefe gemessen.

„Daß wir so weit unten Helium-3 fanden, deutet darauf hin, daß es einen Lavaausbruch am unteren südlichen Bergkamm gab. Das würde mit den seismischen Messungen übereinstimmen“, erklärt Lupton. „Aber das Edelgas könnte auch einen anderen Ursprung haben, den wir noch nicht kennen.“ Die Wissenschaftler wollen bei der nächsten Expedition im Spätsommer am südlichen Bergkamm von Loihi weiter nach der verschwundenen Lava suchen.

Die Vulkan-Experten hoffen, dabei auch die Gefahr eines Tsunami – einer Flutwelle, die bis zu 30 Meter hoch werden kann – besser abschätzen zu können. Ein starkes Seebeben oder rutschende Gesteinsmassen bei der Geburt eines Unterwasser-Vulkans können eine solche verheerende Flutwelle auslösen.

Ein ähnlicher Auf- und Umbau geschieht auch heute noch auf dem zweitjüngsten Glied der Inselkette, auf Hawaii. „Ich bin froh, auf einer der älteren Inseln zu wohnen“, sagt Malahoff über Oahu, die zweitälteste Insel im Norden. Aber auch dort wäre der populäre Touristenstrand Waikiki durch die Geburtswehen im Süden bedroht. Malahoff und seine Kollegen hoffen, rechtzeitig vor einem Tsunami warnen zu können. Der jüngste Kratereinsturz löste zwar keine Flutwelle aus, da er sich über mehrere Tage hinzog. Doch die nächste Geburtswehe könnte kürzer und stärker sein.

Um Loihis Puls kontinuierlich zu überwachen, wollen die Geowissenschaftler nun Temperaturmesser und Wasserproben-Sammler über dem Krater installieren und per Glasfaserkabel mit ihrem Labor verbinden.

Infos im Internet Informationen zu Loihi: http://www.soest.hawaii.edu/GG/HCV/loihi.html

Bruni Kobbe

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