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Wie man(n) sich überflüssig macht

Allgemein

Wie man(n) sich überflüssig macht
Zuerst erfand der Mann die Waschmanschine, dann die Zeugung im Reagenzglas. Die Frau schaut zu und wartet ab. Eine Polemik.

In der Krise konzentriert sich die Natur auf das Wesentliche. Und das ist weiblich. Wenn die Lebensumstände lausig sind, wenn etwa die Temperaturen sinken, zeugt ein Schmetterlingspaar der Gattung Talaeporia mehr Töchter. Ähnlich funktioniert die Geschlechtsbestimmung bei amerikanischen Alligatoren: Herrschen mollige 33 Grad Celsius im Nest, werden die Nachkommen männlich. Sinkt die Temperatur, brütet Frau Alligator Töchter aus. Steht aufgrund widriger Umstände nur wenig Zeit für die Reproduktion zur Verfügung, verzichten andere Spezies, bestimmte Krebsarten etwa, völlig auf die Bemühungen des männlichen Geschlechts. Der aufwendige Zirkus der Partnersuche und Partnerwahl entfällt. Jungfernzeugung – Parthenogenese – geht schneller.

Da ist es nicht verwunderlich, daß Vertreterinnen der Spezies Homo sapiens der Auffassung sind, auch in der menschlichen Gesellschaft wäre das Heil und der Weg aus diversen Krisen (Umwelt-, Partnerschafts-, Familien-, Gesellschafts-, Standort-, und Wirtschaftskrisen) in einer stärkeren Feminisierung zu suchen.

Die Männer reagierten mit der Quotenfrau und der Schulung männlicher Manager in weiblichen Führungsstrategien. Damit, so hofften die “Herren der Schöpfung”, wäre dem Anspruch der Frauen auf gesellschaftliche Macht und Einfluß Genüge getan. Diese Naivlinge! Sie haben ihre Rechnung ohne die Weitsicht der Frauen gemacht. Denn diese haben schon längst weitergehende Vorstellungen entwickelt, wie die Spezies aus den allseits wuchernden Krisen herauszuführen ist – nämlich am besten ohne Männer.

Die Verschwörung der Frauen zur Abschaffung des männlichen Geschlechts kommt auf Samtpfoten daher. Unterschwellige Signale zu erkennen, ist noch nie Sache der Männer gewesen. Diese Dickfelligkeit und fehlende Sensibilität droht ihnen nun zum Verhängnis zu werden. Kaum einer der Millionen ahnungslosen Ingenieure, Wissenschaftler oder Ärzte vermag sich offensichtlich vorzustellen, daß seine harte Arbeit in absehbarer Zeit auf das Schrecklichste mißbraucht werden könnte. Nur so ist zu erklären, daß die Männer in den vergangenen Jahrzehnten dem scheinbar harmlosen Drängen der Frauen nach technischen Neuerungen und Fortschritten nachgaben – ohne zu merken, daß sie damit an jenem Ast sägen, auf dem sie selbst sitzen. Wüßten die Vertreter des männlichen Geschlechts um ihre existentielle Bedrohung, hätten sie sich schon längst selbst auf die “Rote Liste” der bedrohten Arten gesetzt.

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Denn technischer Fortschritt macht sie auf immer mehr Gebieten überflüssig. Bei den meisten schweren Arbeiten ersetzen Maschinen Muskelkraft. Früher halfen männliche Beifahrer den Frauen am Steuer, sich in der komplizierten Geographie besser zurechtzufinden: Im Kartenlesen sind Männer eindeutig überlegen. Doch seit kurzem geleiten computergestützte Navigationssysteme die Fahrerin zum Ziel. Wozu braucht sie da noch einen Mann, der auf dem Beifahrersitz quengelt und mäkelt?

Männer waren es, die zu Beginn des Jahrhunderts die Waschmaschine entwickelten. Und es waren Männer, die auf die vorgeschobenen Klagen der Frauen über die schlechte Waschmittelqualität mit der Produktion immer besserer Waschmittel reagierten – und damit ihrem eigenen Untergang den Weg bereiteten. Denn diese modernen Pülverchen und Kügelchen enthalten Substanzen, die nicht nur grau raus und weiß reinzwingen, sondern die darüber hinaus auch im Verdacht stehen, hormonell zu wirken: Mit dem letzten Spülgang sollen Substanzen in die Umwelt gelangen, die den Östrogenen verwandt sind.

Gleiches gilt für bestimmte Pestizide, die Männer nur entwickelt haben, weil Frauen sich über Raupen in ihrem Gemüsegarten und Silberfischchen im Badezimmer beklagten. Bei zahlreichen Fisch- und Reptilienarten hat dieser Eintrag hormonähnlicher Stoffe in die Umwelt schon dazu geführt, daß männlicher Nachwuchs zeugungsunfähig geworden ist. Darum kann die moderne Frau weiterhin lächelnd die Hemden ihres Gatten waschen – und abwarten. Weiß sie doch, daß diese Tätigkeit langfristig seine Zeugungskraft und seinen Trieb schrumpfen läßt. Wer braucht bei solchen Lösungsmöglichkeiten noch so radikale Methoden wie die Amerikanerin Leona Bobbit? Die hatte vor einigen Jahren die Männlichkeit ihres Partners mit der Schere gekappt.

Den wohl entscheidenden Beitrag zum Untergang des Mannes liefern die Reproduktionsmediziner. Heftig bemüht, kinderlosen Paaren doch noch zu Nachwuchs zu verhelfen, entwickelten sie in den vergangenen Jahren immer ausgeklügeltere Methoden. Im Eifer übersahen diese Ärzte und Wissenschaftler, daß auch solche Verfahren langfristig dazu mißbraucht werden könnten, den Anteil des Mannes an der menschlichen Fortpflanzung zu verringern.

Die Entwicklung der Anti-Baby-Pille durch den Physiologen Gregory Pincus aus Boston war nur der erste Schritt: Sie ermöglichte den Frauen erstmals die Entscheidung für oder gegen Nachwuchs. Inzwischen treten die Vorzeichen der weiblichen Weltverschwörung immer deutlicher zutage: Der Mann wird durch die selbsterzeugten Fortschritte der Reproduktionsmedizin zur Erhaltung der Art entbehrlich.

Allein in amerikanischen Samenbanken lagern Spermaproben in einer Zahl, die die menschliche Reproduktion auf Generationen hinaus sicherstellen kann. Kataloge informieren heute schon US-Bürgerinnen, die zwar Kinder haben wollen, einen Gatten jedoch eher lästig finden, über Aussehen, Größe, Sozialstatus und Gesundheitszustand der Samenspender. Eine Frau, die nach Höherem strebt, kann ihre Bestellung bei der Germinal Choice Repository aufgeben. In dieser Samenbank haben Nobelpreisträger (Intelligenz!), Politiker (Macht!) und Schauspieler (Schönheit!) ihre Ejakulate deponiert – Zeugungsstoff für Millionen kluger, mächtiger und schöner Menschen, wenn Frauen dies wünschen.

1993 machte Prof. Jerry Hall im Zentrum für künstliche Befruchtung des Washingtoner Universitätsklinikums nach, was für seine Kollegen von der Zunft der Veterinäre bei preisgekröntem Rindvieh schon seit Jahren Alltag ist: Er klonierte Embryonen – dieses Mal menschliche.

Wissenschaftlich war das keine große Leistung – Hall hatte nur bewiesen, daß auch menschliche Embryonen künstlich teilbar sind, woran kaum ein Forscher gezweifelt hatte. Nur gemacht hatte es zuvor keiner.

Ein kleiner Schritt für Hall, doch ein großer Sprung für die Frauen: Schließlich macht sie diese Möglichkeit sogar vom männlichen Sperma-Nachschub unabhängig. Einmal im Reagenzglas aus Ei- und Samenzelle gezeugt, lassen sich Embryonen immer wieder teilen. Die Frauen können sich den Zeitpunkt aussuchen, wann sie sich den Embryo zum Austragen einpflanzen lassen wollen. Eine Hormonbehandlung macht dies selbst in höherem Alter möglich.

Nur bei der Parthenogenese hapert es noch etwas: In der Natur kommt diese Entwicklung eines Lebewesens aus einer unbefruchteten Eizelle nur bei einfacheren Organismen vor. Bei Mäusen etwa verhindert ein Blockade-Gen im Erbgut die Jungfernzeugung. Allerdings machten Roslyn Angell und ihre Mitarbeiter am Zentrum für Reproduktionsbiologie der Universität Edinburgh schon Anfang der achtziger Jahre eine aufregende Entdeckung: eine unbefruchtete menschliche Eizelle entwikkelte sich zu einem mehrzelligen Embryo. Nach Überzeugung von Robert Edwards, dem Pionier der Reagenzglas-Befruchtung, lieferte die Entdeckung Nährstoff für die Vermutung, “daß die frühe Entwicklung des Menschen auch ohne Zeugung beginnen kann”.

Durch Experimente mit Kaninchen und Mäusen wissen die Forscher inzwischen, daß bestimmte Manipulationen an Eizellen in der Tat auch bei Säugetieren die ersten Schritte der Embryonalentwicklung auslösen können. Implantiert in Ammenmütter, entwickeln sich diese Embryonen auch zu Feten weiter. Allerdings sterben sie etwa in der Hälfte der Schwangerschaft ab. Der letzte Schritt fehlt also noch.

Diesen versuchen Veterinäre durch eine Übertragung embryonaler Zellkerne auf Eizellen zu liefern: Die Zellkerne enthalten jenen männlichen Anteil an Erbsubstanz, der für eine Entwicklung des Feten bis zur Geburt unumgänglich zu sein scheint. Eingepflanzt in Eizellen, die zunächst “entkernt” und danach “parthenogenetisch aktiviert” wurden, steuern die Zellkerne die Entwicklung der so klonierten Rinder bis zur Geburt. Für die Tierproduktion ist diese Methode so bedeutsam, daß US-Forscher sich schon patentieren ließen, wie man die Reifung von Eizellen im Reagenzglas stimuliert.

All das erforschen die Veterinäre natürlich nur für die männerlose Züchtung von Kühen und Schafen. Aber wie alle ihre Wissenschaftlerkollegen vorher werden auch sie ihre Rechnung ohne die Frauen gemacht haben…

Barbara Ritzert

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Free|sie  〈[–zj] f. 19; Bot.〉 Angehörige einer südafrikan. Gattung der Schwertliliengewächse, beliebte Zierpflanze mit weißen, gelben, lila, rosa od. roten, etwas gekrümmten Blüten: Freesia [nach dem Arzt H. Th. Frees … mehr

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