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Wissenschaft für Spieler-Naturen

Allgemein

Wissenschaft für Spieler-Naturen

Seit der Mensch Mensch ist, träumt er davon, die Zukunft zu kennen. Zusammen mit dem Bewußtsein entwickelte sich wohl auch die Sorge um das Morgen. In den ersten Jahrtausenden der Menschheit gab es deshalb Weissager und Orakel, die mit Hilfe übernatürlicher Kräfte das Unerforschbare erkunden sollten. Seit der Aufklärung haben mehr und mehr die Wissenschaftler diese Rolle übernommen.

Ob Wettervorhersage oder Klimaaufheizung, ob Gen-Analyse oder Erdbeben-Prognose – ein großer Teil der modernen Naturwissenschaften beschäftigt sich damit, dem Blick in die Zukunft eine exakt definierte Wahrscheinlichkeit zu geben.

Doch je exakter die wissenschaftlichen Prognosen werden, um so größere Schwierigkeiten haben wir Menschen offensichtlich, mit dem Blick in die Zukunft fertig zu werden. Das Beispiel der kleinen Karibikinsel Montserrat hat uns das in den letzten Wochen eindringlich gezeigt. Seit zwei Jahren sind die Vorzeichen eindeutig: Ein neuer, verheerender Ausbruch steht bevor. Dichte schwarze Aschewolken und ein heißer Ascheregen, der bereits die Hauptstadt in Brand gesetzt hat, unterstreichen die Warnungen der Wissenschaftler. Doch als die britische Marine nun die letzten Einwohner evakuieren wollte, meldeten sich gerade 17 der 5000 Verbliebenen.

Die anderen vertrauten darauf, daß die Unwahrscheinlichkeit der Prognose siegt. Handeln wir selbst anders? Im Grunde schlägt jeder Lotto-Spieler, der auf einen Hauptgewinn hofft, die exakten Prognosen der Mathematiker in den Wind, die ihm eigentlich keine Chance geben. Oder wir lassen den Regenschirm zu Hause, auch wenn die Meteorologen “rege Schauertätigkeit” ange- kündigt haben. Wir setzen auf die Unwahrscheinlichkeit. Aber das sind Marginalien, nichts anderes als Irrationalitäten, die ebenso zur menschlichen Natur gehören wie der Wunsch, die Zukunft zu kennen.

Wie aber, wenn es um existentielle Dinge geht – für den einzelnen oder für die Gesellschaft? Wollen die Bewohner es wirklich wissen, wenn ein schweres Erdbeben eine Stadt zu vernichten droht? Beispiel Los Angeles. Ist es verantwortlich, solche Prognosen zu veröffentlichen? Ist es verantwortbar, sie zu verschweigen? Sind die Schäden durch Angst und Panik nicht ebenso ins Kalkül zu ziehen?

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Die gleichen Fragen stellen sich etwa bei medizinischen Vorsorge-Untersuchungen oder wenn der genetische Code für eine schwere Krankheit erkannt wird. Kann dem Patienten wirklich damit geholfen werden? Oder verlängert das vorzeitige Wissen um die kommende Krankheit nicht unnötig sein Leiden?

Demnächst aber haben wir noch viel mehr Zukunftsprognosen von der Forschung zu erwarten. Computersimulationen und Gen-Analysen können dabei nicht nur warnen, sondern auch positive Prognosen stellen – etwa in welchen Regionen der Treibhauseffekt Klimavorteile bringt, oder welche Menschen für bestimmte Krankheiten und Umweltrisiken weniger anfällig sind. Wer darf solche Dinge wissen? Und wann? Sind wir wirklich bereit, die Hypothek des Wissens zu tragen? Haben wir uns überhaupt darauf vorbereitet, darüber nachgedacht?

Die entscheidende Frage aber lautet: Wollen wir wirklich die Zukunft kennen? Vielleicht sind wir im Grunde ja nur Spieler, die darauf setzen, daß alles schon irgendwie gut ausgehen wird – selbst wenn die Fakten dagegen sprechen.

Reiner Korbmann

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

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Wissenschaftslexikon

Kok|zi|di|o|se  〈f. 19; Vet.〉 Erkrankung junger Haustiere an Kokzidien

Woll|maus  〈f. 7u; Zool.〉 fast ausgerottetes Nagetier aus der Familie der Hasenmäuse mit wertvollem Pelz: Chinchilla lanigeo

Zahn|höh|le  〈f. 19; Anat.〉 die Pulpa einschließender Hohlraum im Zahn

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