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Duftender Fisch und stinkendes Marzipan

Allgemein

Duftender Fisch und stinkendes Marzipan
Den typisch europäischen Geruch von Bier und Käse lieben Japanerinnen mehr als deutsche Frauen. Das ist das überraschende Ergebnis eines kulturellen Vergleichs.

Noriko rümpft die Nase: „Desinfektionsmittel – erinnert mich an Krankenhaus“, sagt sie. Die 22jährige Studentin sitzt in einem Versuchsraum des japanischen Instituts für Humantechnologie in Tsukuba und schnüffelt an einer von 18 undurchsichtigen Plastikflaschen. In einen Fragebogen trägt sie „-1“ unter „angenehm“ ein. Würde sie etwas essen, das so riecht? Natürlich „nein“, was für eine Frage!

Ute, 30 Jahre, schnüffelt etwa zur gleichen Zeit im Institut für Medizinische Psychologie in München an einer Flasche mit identischem Inhalt: „Anis – griechischer Ouzo – Urlaub in Griechenland“ fällt ihr dazu ein. Klar, daß hier der Maximalwert „+5“ angebracht ist.

Szenen eines interkulturellen Versuchs, in dem es darum ging, wie Menschen Gerüche wahrnehmen und welche Rolle dabei Erfahrung und Lernen spielt. Jede der insgesamt 84 teilnehmenden Frauen – japanische und deutsche – roch an 18 Fläschchen, beispielsweise gefüllt mit Marzipan oder Salami, getrockneten Fischflocken oder japanischer Kalligraphie-Tinte sowie mit Schokolade, Bier, Wick Vaporup oder Parfüm. Die Forscher um die Psychologin und Studienleiterin Saho Ayabe hatten nur Frauen als Versuchspersonen zugelassen, weil diese sich bereits in früheren Experimenten als ausgeprägte Nasenmenschen erwiesen hatten – im Gegensatz zu Männern.

Nach Überzeugung der Wissenschaftler von der Universität Tsukuba zeigt der Versuch, daß die Bewertung von Gerüchen größtenteils erst im Laufe des Lebens erlernt wird. Obwohl die Bewertungen auch innerhalb einer nationalen Gruppe vereinzelt voneinander abwichen, sind die Unterschiede zwischen den Gruppen noch viel ausgeprägter: So konnten die Japanerinnen etwa den Düften von Marzipan, Pernod und süßlichem Parfüm wenig abgewinnen. Die aber gerade waren bei den deutschen Frauen am beliebtesten. Umgekehrt reagierten viele Deutsche mit Abscheu auf den Geruch von fermentierten Sojabohnen, geröstetem grünen Tee oder getrocknetem Fisch.

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Faustdicke Überraschung: Die beiden typisch europäischen Gerüche von Käse und Bier bewerteten die Japanerinnen als angenehmer als die Deutschen. Saho Ayabe vermutet: „Japanerinnen und Deutsche nehmen womöglich andere Komponenten eines Duftes wahr.“ Schließlich beschrieben die Japanerinnen den Geruch von Blauschimmelkäse – kaum nachvollziehbar für deutsche Versuchspersonen – zum Teil als süß im Sinne von Sahne oder Butter.

Denkbar wäre, daß Deutsche, die viel öfter Käse essen und Bier trinken als Japaner, eine genauere Vorstellung von diesen Produkten haben, meint Ayabe. Für die Deutschen rochen Bierproben schon nach kurzer Zeit abgestanden. „Die Japanerinnen haben dies vielleicht nicht erkannt, weil sie weniger Erfahrung mit Bier haben“, vermutet die Psychologin.

Überhaupt haben Ernährungsgewohnheiten großen Einfluß auf die Bewertung eines Duftes, wie die japanisch-deutsche Untersuchung zeigt: Die Versuchspersonen vermuteten bei angenehmen Gerüchen eher als bei unangenehmen, daß die zugehörige Substanz eßbar sei. Die einzige Ausnahme: das Parfüm-Aroma.

Ina Schicker

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