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Als die Galaxien geboren wurden

Astronomie|Physik

Als die Galaxien geboren wurden
Vorstoß in die Jugendzeit des Universums. Astronomen dringen mit immer empfindlicheren Teleskopen in immer entlegenere Fernen des Weltalls vor. Kurz vor seinem „Rand” hoffen sie das Dunkel lichten zu können, das die Zeit kurz nach dem Urknall umhüllt.

Kurz nach dem Urknall war die Materie – heißes Urgas aus Wasserstoff und Helium – fast vollkommen gleichmäßig verteilt. Im Verlauf von mindestens 100 Millionen bis 2 Milliarden Jahren – Genaues weiß man nicht – haben sich unter dem Einfluß der Schwerkraft erste Materieklumpen gebildet – die „Urgalaxien”.
Manche Entdeckungen sind reine Glückstreffer. So untersuchten kürzlich amerikanische Astronomen mit dem 3,5 Meter Spiegelteleskop auf Hawaii routinemäßig rund 2500 Galaxien – und stießen plötzlich auf eine Galaxie, deren Licht aus einer Zeit stammt, in der das Universum nur etwa 20 Prozent des heutigen Alters hatte.
Die Sterneninsel ist also mehrere Milliarden Lichtjahre entfernt. Das Auffallende an dieser Galaxie: Sie ist viel heller, als sie aus so riesiger Distanz erscheinen müßte. Man vermutet deshalb, daß ihre Sterne erst seit wenigen Jahrmillionen aufgeflammt sind. Pro Jahr dürften sich rund 1000 neue Sonnen entzündet haben. Mit systematischen Suchprogrammen kann man noch tiefer ins All blicken. Das ist die Strategie von Charles C. Steidel vom California Institute of Technology und seinen Mitarbeitern. Mit dem zehn Meter großen Spiegel des Keck-Teleskops auf Hawaii ist es ihnen gelungen, 23 bläuliche Galaxien zu fotografieren, deren Sternbildung ebenfalls gerade erst begonnen hat. Ihre Rotverschiebung liegt größtenteils zwischen 3 und 3,5 (siehe Kasten „Rotverschiebung und Entfernung”). Unlängst haben Steidel und seine Kollegen 120 weitere Galaxien aufgespürt, deren z-Werte noch nicht bekannt sind. Doch ihre Farbverteilung im Spektrum, insbesondere die Abschwächung im ultravioletten Bereich, legt eine gewaltige Distanz nahe. Die 120 Galaxien werden als Vorläufer der elliptischen und spiralförmigen Galaxien interpretiert, die mittlerweile das Weltall beherrschen.

An die Grenzen des technisch zur Zeit Möglichen ist das Hubble Weltraumteleskop gedrungen. Es hat vor wenigen Monaten unter der Federführung des Leiters vom Space Telescope Science Institute, Robert Williams in Baltimore, zwei Wochen lang fast ununterbrochen ein winziges Himmelsareal im Sternbild Großer Bär (über der Deichsel des Großen Wagens) ins Visier genommen. Dabei entstanden 343 Aufnahmen.

Noch ist die Auswertung des drei Gigabyte großen Datenbergs nicht abgeschlossen. Doch ein internationales Astronomen-Team hat in dem für große irdische Teleskope fast leeren Raumbereich bereits 500 bis 2000 Galaxien aufgespürt. 150000 dürften in diesem Ausschnitt des Alls vorhanden sein. Eine Hochrechnung daraus ergab, daß das sichtbare Universum mindestens 50 Milliarden Galaxien enthält.

Die feinsten Objekte sind nur 30 Größenklassen hell – also rund ein Zehnmilliardstel so hell wie ein mit bloßem Auge gerade noch sichtbarer Stern. Zum Vergleich: Ungefähr diesen Helligkeitswert würde eine glühende Zigarette auf dem Mond von der Erde aus betrachtet haben. Nie zuvor wurden so lichtschwache Objekte im All fotografiert.

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Die Galaxien auf der Hubble-Aufnahme zeigen eine verwirrende Vielfalt von Formen. Andere gleichen kompakten Bällen. Solche Strukturen hatte man aus Modellrechnungen bereits als Vorstadien der elliptischen Galaxien und der Kernregionen von Spiralgalaxien vermutet. Die Bilder von Hubble sind ein Beleg dafür, daß das Weltall in der Vergangenheit eine Entwicklung durchgemacht hat, wie es das Modell vom Urknall nahelegt.

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Rotverschiebung und Entfernung
Ein fundamentales Problem der Astronomie ist die Entfernungsmessung. Die auf der Erde benutzten Methoden, etwa das trigonometrische Anpeilen eines entfernten Punktes aus verschiedenen Richtungen, ist nur bei nahen Objekten möglich. Als Basis benutzt man dabei die verschiedenen Positionen der Erde bei ihrem Jahreslauf um die Sonne: Nähere Sterne erscheinen vor dem fernen Hintergrund etwas verschoben. Diese Parallaxe wird aber schon nach rund 100 Lichtjahren Entfernung unmeßbar klein.

Edwin Hubble verließ sich 1929 darauf, daß die Helligkeit eines Sternennebels, einer Galaxie, in der Regel ein Maß für seine Entfernung liefert, denn bei einer so riesigen Ansammlung von Sternen bildet sich eine Art Mittelwert über alle Lichtstärken der Einzelsterne in ihnen.

Bei den schwächsten Galaxien waren die Linien in ihrem Spektrum zugleich auch am stärksten nach Rot verschoben. Für diese Rotverschiebung wurden verschiedene Erklärungen vorgeschlagen. Fast alle Astronomen akzeptieren heute die Deutung, daß die „kosmologische Rotverschiebung” eine Auswirkung der Veränderung des Raumes an sich ist, also eine Folge der Expansion. Die Wellen des Lichtes von Objekten, die sich dadurch von uns wegbewegen, werden gedehnt: Das Licht erscheint röter. Edwin Hubble deutete die Rotverschiebung anfänglich durch den Doppler-Effekt, analog zu der bekannten Erscheinung der Frequenz-Änderung bei bewegten Schallquellen. Hubble machte bei den damals bekannten relativ nahen Objekten keinen Fehler. So fand er die Beziehung zwischen Geschwindigkeit v und Entfernung E: v = Ho · E.

Im Laufe der Zeit wurde immer wieder versucht, die Hubble-Konstante Ho, den Eich-Faktor in dieser Beziehung, zu bestimmen. Dazu braucht man verläßliche Werte für die Fluchtgeschwindigkeit und für die Entfernung. Die Geschwindigkeit läßt sich aus der gemessenen Rotverschiebung errechnen; für die Entfernung gibt es verschiedene, allerdings weniger verläßliche Methoden.

Von sehr entfernten Objekten kennen die Astronomen nur die Rotverschiebung, mit z bezeichnet, sehr genau. z ist definiert als das Verhältnis der Verschiebung einer Wellenlänge _l zu der unverschobenen: z = dl / l. Für relativ nahe Galaxien, deren z höchstens etwa 0,1 ist, kann man noch als „Näherung” die einfache Formel des Doppler-Effekts verwenden. Nach ihm gibt z das Verhältnis der Geschwindigkeit v zur Lichtgeschwindigkeit c an, also z = v/c. Allerdings gilt das nur für sehr kleine Geschwindigkeiten und Entfernungen.

Will man jedoch die Entfernung von Objekten mit noch größerer Rotverschiebung ermitteln, muß man wissen, auf welche Weise das Universum zu den verschiedenen Zeiten seiner Entwicklung expandierte, wie groß also die jeweilige Hubble-Konstante ist. Deshalb begnügen sich die Astronomen meist mit der Angabe der Rotverschiebung z und behandeln sie wie eine Entfernungsangabe. W. K.

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Quasare bieten eine einzigartige Chance, den Raum zwischen ihnen und uns auszuloten: Materie, die das Quasarlicht auf dem Weg bis zu uns durcheilt, hinterläßt Spuren im Spektrum des Lichtes: Absorptionslinien. Anhand solcher „Fingerabdrücke” können die Astronomen nach den Urgalaxien fahnden. Eine Gruppe europäischer Astronomen am 3,5-Meter-New-Technology-Teleskop (NTT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf La Silla in den chilenischen Anden stieß in einem hochaufgelösten Spektrum des Quasars 1202-07 – mit z = 4,70 eines der fernsten bekannten Objekte im Universum – auf Absorptionslinien von Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Silizium, Eisen und Aluminium bei z = 4,38. Eine später gewonnene Aufnahme mit dem NTT der ESO enthüllte dann einen feinen Lichtschimmer, der von einer ziemlich leuchtkräftigen Spiralgalaxie stammen dürfte. Sie enthält nur wenige Millionen Jahre alte Sterne.
In enger Nachbarschaft desselben Quasars wurden französische Astronomen wenig später nochmals fündig. Mit dem 3,6-Meter-Teleskop auf dem Mauna Kea, Hawaii, entdeckten die Forscher große Mengen von Gas, das von dem Quasar zum Leuchten angeregt wird. Diese Galaxie mit einer Rotverschiebung von 4,7 ist die bislang fernste bekannte Galaxie überhaupt – ein eindrucksvoller Beweis, daß sich schon im sehr frühen Kosmos Strukturen gebildet haben.

===Rüdiger Vaas
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