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Das Rätsel um die spiegelglatten Titan-Seen

Astronomie|Physik

Das Rätsel um die spiegelglatten Titan-Seen
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Titan. Credit: NASA/JPL/University of Arizona
Es regnet aus Wolken, Flüsse bilden sich, münden in Seen und Meere: Die Oberfläche des Saturnmondes Titan ähneln in spektakulärer Weise den Landschaften der Erde. Doch eine charakteristische Eigenschaft der irdischen Gewässer scheint den extrem kalten Pendants aus flüssigen Kohlenwasserstoffen zu fehlen: Keine Wellen zeichnen sich auf ihren Oberflächen ab, obwohl man davon ausgeht, dass auf Titan Winde wehen. Neue Forschungsergebnisse lassen nun eine der dafür vorgeschlagenen Erklärungen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, denn: Bei den bisherigen Beobachtungen wehte schlicht kaum Wind. Doch der kommende Sommer auf der Nordhalbkugel Titans könnte das ändern.

Dass Titan eine „nasse“ Welt ist, die von fremdartigen Gewässern geprägt wird, geht aus den Beobachtungen der Raumsonden Cassini und Huygens hervor. Cassini hat seit 2004 Titan mehr als 90 Mal überflogen und dabei seine Oberfläche mit Radar hochauflösend abgetastet. So entstanden detaillierte Karten von den Seen und Meeren des faszinierenden Mondes. Im Jahr 2005 landete dann die Sonde Huygens auf der Oberfläche des Titan: Sie durchquerte dabei feuchte Wolken und setzte schließlich auf nassem Untergrund auf. Bei der Flüssigkeit handelt es sich allerdings nicht um Wasser, denn das wäre längst zu Eis erstarrt: Die Temperatur auf Titans Oberfläche beträgt im Mittel minus 179 Grad Celsius. Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht die Flüssigkeit stattdessen aus einer Mischung von Methan, Ethan und anderen Kohlenwasserstoffen.

 

„Doch eins ist seltsam“, sagt Alex Hayes, Wissenschaftler des Cassini-Radar-Teams an der Cornell University: „Wenn Titan wirklich so nass ist, wo sind dann die Wellen?“ Auf der Erde sind Gewässer selten still, denn Luftbewegungen verursachen Wellen. Doch den Radardaten Cassinis zufolge sind die Oberflächen der Seen und Meere Titans spiegelglatt. „Wir wissen aber, dass es auf Titan Wind gibt – das zeigen die Eigenschaften seiner Sanddünen“, sagt Hayes. Hinzu kommt die geringe Schwerkraft auf Titan, die nur ein Siebtel der Anziehungskraft der Erde beträgt. Das müsste die Bildung von Wellen eigentlich begünstigen, sagt der Planetenforscher.

 

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Der Winter lässt die Winde ruhen

 

Eine mögliche Erklärung wäre, dass die „Gewässer“ von einer dünnen Eisschicht bedeckt sind. Doch Hayes hält das für unwahrscheinlich, da alle bisherigen Daten darauf hinweisen, dass die Temperaturen der Seen nicht unter den Gefrierpunkt der Kohlenwasserstoffe sinken. Eine weitere mögliche Erklärung sei, dass die Oberflächen von einer bisher unbekannten zähen Schicht bedeckt sind, die Wellenbildung stoppt. Doch vielleicht ist auch einfach die simpelste Erklärung die richtige: es fehlt an ausreichendem Wind. Für diese Ursache sprechen nun jüngste Ergebnisse der Forscher.

 

Sie haben berechnet, wie stark Wind auf Titan wehen müsste, um Wellen in flüssigen Kohlenwasserstoffen zu verursachen. Bei diesen Modellrechnungen berücksichtigten die Forscher die Schwerkraft auf Titan, die Eigenschaften von flüssigen Kohlenwasserstoffen, die Dichte der Titan-Atmosphäre und andere Faktoren. Ergebnis: Bereits bei einer Brise von zwei bis drei Kilometern pro Stunde sollten sich Wellen bilden. Doch diese Windgeschwindigkeiten könnten bei den bisherigen Beobachtungen möglicherweise schlicht nicht geherrscht haben, sagen Hayes und seine Kollegen.

 

Cassini erreichte im Jahr 2004 Titans Nordhalbkugel, wo sich die meisten der Seen befinden. Hier herrschte die Kälte des langen Winters, denn das Klima auf Nord- und Südhalbkugel wird wie auf der Erde von vier Jahreszeiten geprägt – sie dauern allerdings jeweils 7,5 Erdjahre. Die kalte schwere Luft rührt sich auf der Nordhalbkugel momentan kaum und schlägt deshalb auch keine Wellen, erklären die Forscher. Doch das soll sich bald ändern: Der Sommer kommt nun langsam in den Norden Titans und bringt Licht, Wärme und Wind in die Seenlandschaft. „Den Klimamodellen zufolge wird es im Jahr 2017 windig genug sein für Wellen“, ist Hayes überzeugt. Wenn sie auftreten, sollte Cassini in der Lage sein, sie zu erkennen. Die Radardaten der Wellen könnten dann auch Informationen über die Viskosität der Flüssigkeit und damit über ihre chemische Zusammensetzung liefern. Die Wellengeschwindigkeiten würden außerdem die Windgeschwindigkeiten widerspiegeln. So lassen sich die bisherigen Klimamodelle überprüfen, sagen die Forscher. „Wir wollen die Ozeanographie zu einer anderen Welt bringen“, sagt Hayes.

 

Mitteilung der NASA

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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