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DAS WUNDER DER GLEICHDICKS

Astronomie|Physik

DAS WUNDER DER GLEICHDICKS

Am 28. Januar 1986 zerbrach die Challenger-Raumkapsel 73 Sekunden nach dem Start in rund 15 Kilometer Höhe. Es war der bis dahin schwerste Unfall in der Raumfahrtgeschichte der USA. Alle sieben Astronauten starben. Als Hauptgrund wurde später der Ausfall von Dichtungsringen genannt.

Doch die Untersuchung brachte zahlreiche Schlampereien und Schwachstellen ans Licht. Der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman, das prominenteste Mitglied der Untersuchungskommission, deckte zahlreiche Fehleinschätzungen auf. Eine ist aus mathematischer Sicht besonders interessant.

Dazu muss man wissen: Startraketen werden wiederverwendet. Sie schlagen nach dem Start mit hoher Geschwindigkeit auf dem Meer auf und werden dann geborgen. Für die Wiederverwendung ist entscheidend, ob die Raketen ihren kreisförmigen Querschnitt behalten haben. Um das zu prüfen, misst man die Dicke der Rakete in drei Positionen. Wenn sich dabei jeweils der gleiche Wert ergibt, nimmt man an, dass es sich um einen kreisförmigen Querschnitt handelt. Davon war man auch bei der Challenger ausgegangen. Feynman vermutete, dass es sich dabei um einen Trugschluss gehandelt hatte. Denn es gibt Querschnittskurven, die in allen Lagen den gleichen Durchmesser haben, aber alles andere als Kreise sind.

Am einfachsten kann man sich ein solches „Gleichdick“ so vorstellen: Man zeichnet ein gleichseitiges Dreieck mit den Ecken A, B und C. Dann zieht man einen Kreisbogen von B nach C mit A als Mittelpunkt. Anschließend zeichnet man einen Kreisbogen von C nach A mit B als Mittelpunkt und komplettiert die Figur durch einen Kreisbogen mit dem Mittelpunkt C, der von A nach B führt. Diese Figur ist überall gleich dick.

Egal, wie man ein solches Teil zwischen zwei parallele Linien einspannt: Es liegt immer an der einen Linie eine Ecke des Dreiecks an, und die andere Linie wird von einem Kreisbogen berührt. Der Abstand der beiden Linien entspricht der Seitenlänge des Dreiecks. Die Figur heißt auch Reuleaux-Dreieck nach dem deutschen Ingenieur Franz Reuleaux (1829 bis 1905).

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Eine entsprechende Konstruktion gelingt auch mit Fünfecken, Siebenecken oder Neunecken. Allerdings werden diese Gleichdicks immer kreisähnlicher. Alle Gleichdicks mit dem Durchmesser d haben den gleichen Umfang: Er beträgt wie beim Kreis genau d mal Pi. Aber verschiedene Gleichdicks mit demselben Durchmesser können unterschiedliche Flächeninhalte haben. Das Reuleaux-Dreieck hat den kleinsten.

Für Gleichdicks gibt es zahlreiche Anwendungen. So sind die britischen 20- und 50-Pence-Münzen Gleichdicks, die auf der Basis eines Siebenecks konstruiert wurden. Sie haben gleich zwei Vorteile: Zum einen gibt es mit ihnen an Automaten kein Problem bei der Bestimmung des Durchmessers, zum anderen braucht man für die eckigen Münzen weniger Material als für die entsprechenden runden Münzen.

Eine interessante Eigenschaft des Reuleaux-Dreiecks ist, dass man es als Bohrer für quadratische Löcher verwenden kann. Natürlich geht das nur mit einem Trick: Denn wie immer ein Bohrer geformt ist – wenn er sich um eine feste Achse dreht, wird er ein rundes Loch bohren. Wenn man aber ein Reuleaux-Dreieck in einer quadratischen Schablone dreht – und dabei auch der Achse eine gewisse Bewegungsfreiheit einräumt –, entsteht automatisch ein fast quadratisches Loch. An den Ecken stimmt es nicht genau, denn das Reuleaux-Dreieck bildet an seinen Ecken einen Winkel von 120 Grad. Damit kommt man beim besten Willen nicht in eine 90-Grad-Ecke. Die Idee eines quadratischen Bohrers ließ sich bereits der britische Ingenieur Harry James Watt 1914 patentieren.

Vielleicht haben Sie beim Reuleaux-Dreieck spontan an den Wankel-Motor gedacht. Das Geniale beim Wankel-Motor ist, dass sich nur ein Teil bewegt, nämlich der Kolben. Und dieser hat tatsächlich die Form eines Gleichdicks. Er muss nicht bohren, sondern sich so drehen, dass stets drei Kammern entstehen, die abwechselnd dicht sind.

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