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Die Mitte der Welt

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Die Mitte der Welt
Einem NASA-Forscher ist es gelungen, die Lage des Erdschwerpunkts millimetergenau zu bestimmen.

Seit die Gletscher, die Skandinavien während der letzten Eiszeit bedeckt haben, geschmolzen sind, hebt sich dort der Boden um etwa einen Zentimeter pro Jahr. Um wie viel genau, lässt sich nur sagen, wenn man ein verlässliches Bezugssystem hat. Schon 1895 gründeten Wissenschaftler den Internationalen Breitengraddienst, dem die Aufgabe übertragen wurde, ein möglichst genaues globales terrestrisches Bezugssystem zu erstellen und weiterzuentwickeln. Heute wird diese Aufgabe vom Internationalen Erdrotationsdienst wahrgenommen. Koordinatenmittelpunkt dieses Bezugssystems war und ist der Schwerpunkt der Erde. Donald Argus vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena ist es jetzt gelungen, Verschiebungen dieses wichtigen Bezugspunkts mit einer Genauigkeit von einem Millimeter pro Jahr zu bestimmen. Argus hat sich bei seinen Berechnungen über die offizielle Definition des Erdschwerpunkts hinweggesetzt, wonach er der Massenmittelpunkt des eigentlichen Erdkörpers ist, einschließlich aller Luft-, Wasser- und Eismassen. Der NASA-Wissenschaftler bezieht sich stattdessen nur auf den festen Erdkörper. Durch seine Umdefinition kann er das schwächste Glied der offiziellen Berechnungen umgehen.

lasersignale zum satelliten

Im offiziellen System lassen sich die Bewegungen des Erdschwerpunkts zwar relativ leicht bestimmen, aber nur auf etwa zwei Millimeter pro Jahr genau. Das war Argus zu wenig. Bislang stützten sich die Berechnungen hauptsächlich auf Daten von Erdsatelliten. Denn die kreisen um den Schwerpunkt aller Massen, die sich in und auf der Erde befinden. Kennt man die genaue Satellitenbahn, so kennt man auch den Erdschwerpunkt.

Um Bewegungen des Schwerpunkts relativ zu Messstationen auf der Erde zu bestimmen, braucht man demnach nur noch die relative Bewegung zwischen Satellitenbahn und Messstation zu ermitteln. Zu diesem Zweck werden von einigen Hundert über die gesamte Erdoberfläche verteilten Stationen Lasersignale zu verschiedenen Satelliten geschickt. Die Laufzeit der reflektierten Signale verrät die Entfernung zur aktuellen Satellitenposition. Aus mehreren solchen Messungen lassen sich der Standort der Messstation und relative Bewegungen zwischen diesem Standort und der Satellitenbahn ermitteln. Damit ist dann auch die relative Bewegung zwischen der jeweiligen Station und dem Erdschwerpunkt bekannt – aber eben nicht sehr präzise.

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wackelpudding an der wand

„Genauer geht es, wenn man sich auf den Schwerpunkt des festen Erdkörpers bezieht”, sagt Argus. Der steht allerdings in keiner direkten Beziehung zu Satellitenbahnen. Der Geophysiker musste deshalb die Bewegung dieses Schwerpunktes relativ zu den Messstationen auf der Erdoberfläche auf direktem Weg bestimmen – was vergleichbar ist mit dem Versuch, einen Wackelpudding an der Wand festzunageln. Denn die Erdoberfläche ist in dauernder Bewegung. Zum einen verschieben sich die Kontinente – beziehungsweise die tektonischen Platten, auf denen sie „sitzen” – mit Geschwindigkeiten von bis zu acht Zentimetern pro Jahr. Zum anderen heben sich vor allem auf der Nordhalbkugel bestimmte Teile des Festlands nach dem Schwund der Eiszeit-Gletscher. Für seine Berechnungen brauchte Argus vor allem die exakte Längen- und Breitengradposition der Messstationen auf der Erdoberfläche. Die ließen sich unter anderem mithilfe eines astronomischen Verfahrens ermitteln, bei dem sehr weit entfernte Quasare mit Radioteleskopen anvisiert wurden.

Quasare sind die energiereichen Zentren von jungen Galaxien. Geophysiker nutzen sie als „Fixpunkte” am Himmel zur Orientierung. Mit diesem verbesserten Referenzsystem konnte Argus die Hebung des skandinavischen Festlands um einen Betrag von zwei Millimetern pro Jahr auf etwa 1,2 Zentimeter korrigieren. Die Millimeterarbeit hat noch einen anderen Nutzen: „Geophysiker können dadurch viel genauer als bisher sagen, wie zäh das Gestein im Erdmantel ist”, erklärt Argus. Das hilft, die geodynamischen Modelle über die Zirkulation im Erdinnern zu verbessern. Auch die Bewegung tektonischer Platten bei Erdbeben lässt sich dadurch genauer ermitteln, was bei der Entwicklung von Methoden zur Erdbebenvorhersage helfen könnte. ■

Axel Tillemans

Ohne Titel

Im dreidimensionalen Raum benötigt man zur Orientierung drei Koordinaten. Bei einem rechtwinkligen Koordinatensystem sind das die drei vom Ursprung des Systems gemessenen Entfernungen in die jeweilige Raumrichtung. Bei einem Polarkoordinatensystem sind es der Breiten- und der Längengrad sowie der Abstand vom Ursprung. Für welches System man sich auch entscheidet – eine „Kleinigkeit” darf man nicht vergessen: Die Lage des Koordinatensystems selbst muss eindeutig sein.

Ein Koordinatensystem, das mit der Erde rotiert, möglichst präzise festzulegen, ist die Aufgabe des Internationalen Erdrotationsdienstes. Der Ursprung des seit 1988 gültigen „ Internationalen Terrestrischen Bezugssystems” (ITRF) ist der Schwerpunkt der Erde einschließlich aller Luft-, Wasser- und Eismassen. Die z-Achse ist die mittlere Rotationsachse der Erde. Die x-Achse steht innerhalb einer durch den nullten Längenkreis definierten Ebene senkrecht auf der z-Achse, und die y-Achse steht wiederum senkrecht auf dieser Ebene. Realisiert wird dieses Koordinatensystem, indem man auf der Erdoberfläche Bezugspunkte verteilt, deren Koordinaten bezüglich der imaginären Achsen des ITRF möglichst genau vermessen werden. Die Koordinaten jedes beliebigen Punkts auf, über oder unter der Erdoberfläche werden dann durch Messung seiner Abstände zu einigen der Bezugspunkte bestimmt.

Da die Erdoberfläche durch die Verschiebung der tektonischen Platten dauernd in Bewegung ist, muss die relative Lage der Bezugspunkte untereinander und zum Erdmittelpunkt immer wieder ermittelt werden. Das geschieht mit Hilfe verschiedener Satellitenvermessungstechniken.

Eine möglichst präzise Bestimmung des ITRF wird für viele wissenschaftliche Aufgaben benötigt, beispielsweise zur exakten Bestimmung der Höhe des Meeresspiegels oder zur satellitengestützten Überwachung eines möglichen Abschmelzens von Antarktis- oder Grönlandgletschern. In Deutschland obliegt die Anbindung des amtlichen Vermessungswesens an das ITRF dem in Frankfurt am Main angesiedelten Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, das gleichzeitig als Zentralbüro des Internationalen Erdrotationsdienstes die Erstellung des ITRF weltweit koordiniert.

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