Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Erde und Mond sind doch keine „Zwillinge“

Astronomie|Physik

Erde und Mond sind doch keine „Zwillinge“
Kollision
Der Mond entstand bei der Kollision der jungen Erde mit einem Protoplaneten. (Bild: johan63/ iStock)

Gängiger Theorie nach ist der Mond das Resultat einer katastrophalen Kollision der frühen Erde mit einem marsgroßen Protoplaneten. Doch dieses Szenario scheint bisher nicht zu Befunden zu passen, denen zufolge Mond und Erde geochemisch nahezu identisch sind – vom Protoplaneten fehlt fast jede Spur. Jetzt könnten Forscher zumindest einen Teil dieses Rätsels gelöst haben. Denn ihre Neuanalyse von Apollo-Mondproben aus unterschiedlichem Terrain zeigt auffallende Unterschiede bei den Sauerstoffisotopen. Demnach haben alte lunare Krustengesteine und einige Basalte zwar tatsächlich erdähnliche Anteile, dies gilt aber für Gesteine aus tieferen Mondschichten nicht. Das wirft ein neues Licht auf die Kollision und den Verbleib des Protoplaneten.

Unser Mond verdankt seine Existenz einer kosmischen Katastrophe: Vor rund 4,5 Milliarden Jahren kollidierte die Erde mit einem marsgroßen Protoplaneten. Bei diesem Treffer wurde der Impaktor „Theia“ komplett zerstört, seine Trümmer sammelten sich zusammen mit kleineren Anteilen von irdischem Krusten- und Mantelgestein in einer Umlaufbahn um die Erde. Aus diesen bildete sich dann der Mond, der damit zu rund drei Vierteln aus Gesteinsmaterial des einstigen Protoplaneten bestehen müsste. So weit das gängige Szenario. Doch es gibt einen Haken: Mond und Erde sind sich zu ähnlich. Wäre der Mond tatsächlich aus den Trümmern eines Protoplaneten entstanden, müssten sich die Isotopensignaturen der Gesteine von Erde und Mond unterscheiden. Denn jeder Himmelskörper im Sonnensystem hat seine eigene, typische Isotopensignatur, selbst Asteroiden.

Rätsel um die Isotopenwerte

Doch beim Mond und seinem Vorgänger Theia scheint dies nicht der Fall zu sein: Die Isotopen-Zusammensetzungen einiger Elemente, darunter Silizium, Chrom, Wolfram und Titan, sind bei Erde und Mond nahezu identisch und auch die Isotopenmuster von Wassermolekülen irdischen und lunaren Ursprungs gleichen sich. Ähnliches galt bisher für die den Anteil des Sauerstoff-Isotops 17-O: „Analysen von lunaren Basaltproben haben Durchschnittswerte ergeben, die praktisch ununterscheidbar von denen der Erde sind“, berichten Erick Cano von der University of New Mexico und seine Kollegen. Einige Planetenforscher vermuten deshalb, dass Theia möglicherweise ein chemischer Zwilling der Erde war – der Protoplanet muss demnach etwa im gleichen Orbit und Sonnenabstand wie die frühe Erde entstanden sein. Alternativ müssten – auch diese Hypothese gibt es – Erde und Theia bei der Kollision fast komplett verdampft sein, damit sich ihre Trümmer dann fast homogen mischen konnten. Beide Szenarien allerdings lassen sich nur bedingt in Modellen nachbilden.

Deshalb haben sich nun Cano und sein Team auf die Suche nach einer einfacheren Erklärung gemacht: Möglicherweise hängen die Isotopenwerte stärker von der Art der jeweiligen Mondproben ab als bisher angenommen. Um das zu überprüfen, unterzogen sie Gesteinsproben aus möglichst unterschiedlichem lunaren Terrain nun einer Neuanalyse in Bezug auf den Anteil des Sauerstoff-Isotops 17-O. Die Proben umfassten verschiedenartiges Gestein aus den Mare-Gebieten und dem lunaren Hochland sowie vulkanisches Glas. Zum Vergleich ermittelten die Forscher zusätzlich die 17-O-Werte verschiedener aus dem Erdmantel stammender Gesteine.

Kam Theia doch von weiter außen?

Die Analysen enthüllten: Nimmt man den Durchschnitt aller untersuchten Mondgesteinsproben, entsprechen die Sauerstoff-Isotopenwerte tatsächlich fast genau dem der Erde. „Es ist aber weit auffallender, dass die lunaren Proben eine fast dreimal so hohe Variabilität bei den 17-O-Werten haben als die irdischen“, berichten Cano und sein Team. Demnach ist die bisherige Annahme, dass Mondgestein die gleichen Sauerstoff-Isotopenwerte aufweist, so nicht richtig – im Detail gibt es sehr wohl deutliche Abweichungen. Konkret stellten die Forscher fest, dass die titanreichen Mars-Basalte und Hochlandgesteine deutlich geringere 17-O-Anteile aufweisen als das grünliche vulkanische Glas. Wie sie erklären, stammt dieses Vulkanglas aus Quellen, die mehr als 400 Kilometer tief im Magmaozean des jungen Mondes lagen. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die hohen 17-O-Anteil dieses Gläser repräsentativ für die Gesteinsschmelzen sind, die tief aus dem lunaren Mantel stammen“, so Cano und seine Kollegen.

Anzeige

Was aber bedeuten diese Ergebnisse für das Kollisionsszenario und die Natur des Protoplaneten Theia? Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies darauf hin, dass der Protoplanet sehr wohl eine leicht andere Zusammensetzung besaß als die Erde – und dass Relikte dieses Himmelskörpers im Inneren des Mondes erhalten sind. „Wenn die Sauerstoffisotope terrestrischer Himmelskörper im inneren Sonnensystem mit wachsendem Abstand von der Sonne zu höheren 17-O-Werten tendieren, dann könnte Theia weiter außen entstanden sein als die Erde“, so die Forscher. Nach der Kollision sammelten sich die Trümmer dieses Protoplaneten vornehmlich im Inneren des neu entstandenen Mondes. Deshalb enthalten Gesteine aus dem tiefen Mondmantel höhere Anteile des schwereren Sauerstoff-Isotops 17-O. „Theias Isotopenzusammensetzung ist bei der Kollision nicht komplett homogenisiert worden“, so Cano und seine Kollegen. Das Krustengestein des Mondes dagegen mischte sich mit den Resten des nur langsam kondensierenden Silikatdampfs. Dieser verbleibende Dampf enthielt geringere 17-O-Werte und wurde nur in die äußeren Schichten des bereits erstarrenden lunaren Magmaozeans aufgenommen. Dies erklärt nach Ansicht der Forscher, warum die lunaren Krustengesteine weniger 17-O enthalten als der lunare Mantel.

Quelle: Erick Cano (University of New Mexico, Albuquerque) et al., Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-020-0550-0

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

He|te|ro|fo|nie  〈f. 19; unz.; Mus.〉 gleichzeitiges Erklingen einer Melodie durch verschiedene Stimmen u. Instrumente, wobei die Hauptstimme von den übrigen Stimmen leicht umspielt wird, besonders in der südostasiatischen Musik; oV Heterophonie … mehr

Kul|tur|flüch|ter  〈m. 3; Biol.〉 Tier od. Pflanze, das bzw. die durch Eingriffe des Menschen in der Landschaft aus ihrem Lebensraum verdrängt wurde; Ggs Kulturfolger … mehr

Sa|xo|phon  〈n. 11; Mus.〉 = Saxofon

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige